Mülheim. Im Kleingarten Randenbergfeld wird zwischen Frühling und Sommer täglich reingeklotzt. Warum die Parzelle für manche das Paradies auf Erden ist.
„Helmut ist der Oberknaller. Der muss eine Pflanze nur angucken und sie gedeiht.“ Aynur Yavuz lehnt über dem Törchen zu ihrer Parzelle, den Unkrautstecher in der Hand und winkt zu ihrem Nachbarn rüber. Seit sieben Jahren hat sie ihr eigenes Stück vom Paradies in der Kleingartenanlage Randenbergfeld in Dümpten.
Aynur Yavuz ist die Kräuterfrau hier. Sie kultiviert Lavendel für kräftige Haare, Melisse gegen Krämpfe, sieben Sorten Minze und ein ganzes Hochbeet voller blutreinigender Brennnessel. Sie weiß, dass asiatischer Giersch köstlich in einem Brot aus Maismehl schmeckt und frisch geerntete Tomaten nach vier Stunden Köcheln die beste Sauce ergeben. Vor allem aber sagt sie: „Das hier ist mein Nullpunkt, mein Runterkommen. Wenn ich in der Erde wühle und die Vögel zwitschern, baue ich Stress ab.“
Aufteilung der Parzellen ist gesetzlich vorgeschrieben
50 Jahre gibt es die Kleingartenanlage in Dümpten nun schon. Genau so lange ist sie für 77 Mieter ein zweites Zuhause. „Am 3. Mai 1973 wurde meine Tochter geboren, am 20. Mai standen mein Mann und ich hier mit der Schaufel und haben den Boden ehrbar gemacht. Unsere Tochter ist hier groß geworden“, sagt Elfi-Nora Pollex, inzwischen Erste Vorsitzende des Vereins. Sie setzt den besten Kräuterlikör auf. Ihr Stellvertreter Christian Hamsch ist Experte für Rhabarber. Sowas weiß man hier auf der Anlage, genau so wie jeder weiß, dass es ein Bundeskleingartengesetz gibt, das vorschreibt, wie man seine 300 Quadratmeter beackern darf. Ein Drittel Fläche darf für Laube, Terrasse und Wege draufgehen, ein Drittel für Obst und Gemüse und ein weiteres Drittel für Zierpflanzen, Rasenflächen, usw.
Diese Vorschrift ist es, die den Vorsitzenden bei Gesprächen mit interessierten Neu-Gärtnern hilft, herauszufiltern, wer wirklich zu ihnen passt. „Wer eine Wiese zum Grillen haben will, geht besser auf den Campingplatz. Wer mit seinen Kindern Erdbeeren und Gurken ernten möchte, passt gut hier hin“, sagt Elfi-Nora Pollex. Und das ist kein bisschen provokant gemeint, sondern soll aufklären, denn so eine Parzelle macht reichlich Arbeit. In der Saison zwischen März und Oktober muss man dranbleiben, am besten täglich, mindestens aber wöchentlich. „Wer seinen Garten als reines Erholungsrefugium sehen will, schafft das vielleicht sechs Wochen lang. Danach ist nur noch Wildwuchs übrig“, sagt Christian Hamsch.
Mit 79 Jahren noch immer täglich im Garten
Helmut Westhöfer ist 79 Jahre alt, Mitglied der ersten Stunde und noch immer täglich in seinem Garten im Einsatz. „30 Minuten am Tag, dann bin ich in der Woche einmal überall dran gewesen“, erklärt er. Helmut, der Blumen-Experte, ist laut Elfi-Nora Pollex mit zwei grünen Daumen ausgestattet. Er zieht Elfenspiegel, Tagetes und Sonnenhut im Treibhaus. Im Gemüsebeet gedeihen Kopfsalat, Kohlrabi, Erbsen und Kartoffeln. „Alles Bio.“
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Helmut Westhöfers Eltern hatten einen großen Nutzgarten, in dem er als Kind mit anpacken musste. Als Jugendlicher war er mit dem Thema durch. „Aber als meine Frau und ich dann in der Wohnung auf dem Balkon saßen, dachte ich: Jetzt ein Stück Erde zum Rumwühlen wäre schön.“ Zeitweise hat der Blumen-Flüsterer sogar von einem eigenen Bauernhof geträumt.
Junge Familien sind im Kleingarten gern gesehen
Die Sache mit dem jugendlichen Garten-Verdruss kann Dennis Frey nachvollziehen. Er hat die Parzelle von seinen Eltern übernommen und steht jetzt mit seinen eigenen Söhnen (4 und 6) zwischen Gemüsebeet und Schaukel. „Zwischen 18 und Ende 20 wollte ich von dem Garten nichts wissen. Jetzt haben wir hier alles, was wir als Familie brauchen. Besonders in der Corona-Zeit konnten die Kinder hier rutschen und schaukeln, als es überall anders verboten war.“ Und wie ist die Fürsorgearbeit als Eltern mit der Gartenpflege zu vereinbaren? Dennis Frey lacht. „Einen Schönheitspreis gewinnt unser Garten vielleicht nicht, aber für uns ist er perfekt.“ Er bleibe Herr der Lage, indem er einmal pro Woche „Akkord“ arbeite.
Junge Familien – das ist das Wunschpublikum für die Vereinsvorsitzenden. „Wir hatten hier in den vergangenen Jahren einen Generationenwechsel. Inzwischen liegt das Durchschnittsalter irgendwo in den Vierzigern“, erklärt Christian Hamsch. Neue Mitglieder werden derzeit nicht gesucht. „Wir haben zehn bis 15 Leute auf der Warteliste und da wir nie sagen können, wann Parzellen frei werden, haben wir die Warteliste erst einmal geschlossen.“ Spaziergänger sind dagegen immer willkommen. Zudem kann das Vereinsheim für Privatfeiern mit bis zu 60 Gästen gemietet werden.