Mülheim. Nach Vorfällen mit Reichkriegsflagge und Co.: Das grundsätzliche Fahnen-Verbot, das Mülheims Kleingartenverband verhängt hat, stößt auf Kritik.

Dass der Mülheimer Kreisverband der Kleingärtner letztlich eine gehisste Reichkriegsflagge auf einer Anlage in Holthausen zum Anlass genommen hat, grundsätzlich den Bau und Betrieb von Fahnenmasten in Kleingärten zu verbieten, stößt auf Widerstand.

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Laubenpieper und ihr Fahnenmast. Das sei doch auch Brauchtum, stellen sich Elfi-Nora Pollex und Christian Hamsch vom Kleingartenverein Randenbergfeld in Dümpten an die Spitze des Protestes gegen den Beschluss des Kreisverbandvorstandes. Dieser hatte den 23 Kleingartenvereinen schriftlich das neue Verbot mitgeteilt.

Empörung über Reichskriegsflagge in Holthausen war Auslöser, aber kein Einzelfall

Anlass für das plötzliche Verbot war nicht nur die Beschwerde der grünen Fraktionssprecherin Franziska Krumwiede-Steiner, dass am Osterwochenende in der Kleingartenanlage Mülheim-Süd in Holthausen weithin sichtbar eine Reichskriegsflagge gehisst war. Zwar hatte eine Überprüfung der Polizei ergeben, dass jene Flagge – eine Kriegsschiffgösch, die von der deutschen Marine bis zum Ende des Kaiserreichs 1918 und später wieder unter den Nationalsozialisten als Bugflagge an Schiffen zur Verwendung kam – nicht verboten ist. Doch die Grünen-Politikerin sieht in ihr „ein Symbol moderner Nazis“.

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In der Kleingartenanlage des KGV Mülheim-Süd wehte über die Ostertage diese Reichskriegsflagge. Die öffentliche Empörung blieb nicht ohne Folgen. Jetzt gilt ein generelles Fahn-Verbot.
Von Linda Heinrichkeit und Mirco Stodollick

Kreisverbandsvorsitzende Hildegard Wagner hatte zur Begründung des Verbotes angeführt, dass immer wieder auf einer der Anlagen der Vereinsfriede gestört sei wegen Streits über Fahnen. Etwa habe ein Kleingartenverein den Verband wegen einer Auseinandersetzung um türkische und kurdische Flaggen „immer wieder auf seine Anlage geholt und gesagt: Wir haben hier bald Krieg, bitte macht was!“

Kritik: „Ursache und Regelungsversuch sind unverhältnismäßig“

Nun also das generelle Verbot von Fahnenmasten in Mülheimer Kleingartenanlagen. „Ursache und Regelungsversuch sind unverhältnismäßig“, klagt die Vorsitzende des Kleingartenvereins Randenbergfeld, Elfi-Nora Pollex. Es entspreche nicht ihrem Bild einer mündigen Gesellschaft, einem problematischen Einzelfall mit einer Kollektivstrafe zu begegnen. Man erwarte, dass der Kreisverband seinen Beschluss zurücknehme. Ihr Kleingartenverein jedenfalls werde nicht umsetzen, was der Kreisverband dort ohne jedwede vorherige Ankündigung oder Diskussion ausgeheckt habe. Darüber sei noch mal im Beisein aller Vereine zu diskutieren, „um eine vernünftige Lösung zu finden“.

Ein Stein des Anstoßes: Über das Osterwochenende hinweg wehte in dieser Holthausener Kleingartenanlage eine Reichskriegsflagge. Die Kriegsschiffgösch ist nicht verboten, gilt aber als gern genutzte Symbolik in der rechtsextremen Szene.
Ein Stein des Anstoßes: Über das Osterwochenende hinweg wehte in dieser Holthausener Kleingartenanlage eine Reichskriegsflagge. Die Kriegsschiffgösch ist nicht verboten, gilt aber als gern genutzte Symbolik in der rechtsextremen Szene. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Am Randenbergfeld würden die Verantwortlichen bei Streitigkeiten um eine Beflaggung auf zweierlei setzen: einerseits auf die reinigende Kraft der Pächternachbarn untereinander, bei ungelösten Problemen auf eine persönliche Ansprache des Vereinsvorstandes, der nach eigenem Bekunden insbesondere einschreiten würde, wenn Flaggen „mit beleidigenden, nationalistischen und anderen konfliktträchtigen Inhalten“ gehisst würden. Im Zweifel könne der Verein, so sei es in den Pachtverträgen festgehalten, die Verträge mit uneinsichtigen Kleingärtnern kündigen, wenn der Vereinsfriede dauerhaft gefährdet sei. 26 Fahnenmasten gebe es auf den 76 Parzellen der Anlage. Noch nie habe es Streit darum gegeben.

„Es ist wieder so: Wenn einer was macht, werden alle dafür verurteilt“

Die Vereinsvorstände Pollex und Hamsch sprechen an diesem Morgen von Bevormundung durch den Kreisverband, auch davon, dass das Hissen einer Fahne Ausdruck der im Grundgesetz geschützten Meinungsfreiheit sei. Heute wehen auch zahlreiche Flaggen über der Anlage. Mal die eines türkischen Fußballvereins, einige vom BVB, die kasachische Nationalflagge und eine Fahne Kaschubiens. Kinder haben eine Totenkopfflagge gehisst.

Kleingarten-Pächter Marc Stelter hat eine BVB-Fahne am Mast hochgezogen. Er wechselt auch mal hin zur NRW- oder Deutschland-Flagge. Wenn die Formel 1 läuft, flattert die Start-Ziel-Fahne im Wind, an Geburtstagen die „Partyflagge“. „Es ist wieder so: Wenn einer was macht, werden alle dafür verurteilt“, ärgert auch Stelter sich über das Fahnenverbot. Er spricht von einem „Schnellschuss“, will seine Fahne erst einholen, sollte ihm angedroht werden, ansonsten den Pachtvertrag für seine Scholle zu verlieren.

Verband hatte sich im Vorfeld rechtlich beraten lassen

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herne- kleingartenvereine erleben ungewohnten andrangDer Kreisverband habe es sich zu einfach gemacht und mit seinem überraschenden Beschluss Aufregung geschaffen, die die ehrenamtlichen Vorstände nun auszubügeln hätten, klagt Hamsch. Er sieht auch keine rechtliche Grundlage für das Verbot. Die Garten- und Bauordnung des Kreisverbandes beziehe sich ausdrücklich auf die Landesbauordnung. Und diese sehe für die Errichtung von Fahnenmasten keine Genehmigungspflicht vor.

Am Donnerstagabend nahm Kreisverbandsvorsitzende Hildegard Wagner auf Anfrage dieser Redaktion auch dazu Stellung. Vor dem Verbot habe sich der Verband vom Rechtsanwalt des Landesanwaltes beraten lassen, auch die Kommentierungen und Urteile zum Bundeskleingartengesetz seien maßgeblich gewesen. Demnach seien Fahnenmasten als bauliche Nebenanlagen nicht zulässig und bisher nur geduldet worden. Viele Vereine hätten Fahnenmasten schon in der Vergangenheit abbauen lassen, so etwa der in Mintard.

Verbandsvorsitzende will sich der Diskussion im Verein stellen

Sie bedauere es sehr, dass der Verein den Weg über die Öffentlichkeit gehe, um die Diskussion zu führen, bietet Wagner den Dümptenern an, sich der Aussprache mit den Kleingärtnern stellen zu wollen, sobald Corona eine Mitgliederversammlung möglich mache.

Der Vereinsvorsitzenden habe sie im Gespräch auch schon deutlich gemacht, dass der Kreisverband nicht ad hoc durchzusetzen gedenke, dass sämtliche Fahnenmasten abzubauen seien. Dies könne peu à peu geschehen bei einem Pächterwechsel. Wagner verteidigte das Fahnenverbot als Hilfe für die Vereine, grundsätzlich Ärger aus der Welt zu schaffen. Ein Teilverbot, wie ihn etwa eine Kleingärtnerin dem Verband vorgeschlagen habe, löse nur noch mehr Diskussionen aus. So habe die Frau vorgeschlagen, nur Länderflaggen aus Europa zuzulassen. „Und das wäre dann Rassismus“, so Wagner zur Schwierigkeit festzulegen, welche Fahnen erlaubt sein könnten und welche nicht.