Mülheim. Er zählt zu den bekanntesten Comedians des Landes: Sebastian „El Hotzo“ Hotz. Im Roman „Mindset“ lässt er kein gutes Haar an Mülheim – zunächst.

Normalerweise sind es 280 Zeichen, die Sebastian Hotz maximal hat, um zum Punkt zu kommen, zur Pointe hinzuleiten und diese dann wirken zu lassen. Auf Twitter veröffentlicht der Autor – der vorrangig Comedy schreibt, etwa für Formate wie das ZDF Magazin Royale, – unter dem Namen El Hotzo täglich Posts, die von scharfer Gesellschaftskritik bis hin zu bewusster Polemik verschiedene Nuancen modernen Humors abbilden. Mit seinen Veröffentlichungen erreicht er rund anderthalb Millionen Menschen, ist er vor allem in der jungen Generation bekannt und beliebt.

Im April hat der 27-Jährige seinen Debütroman „Mindset“ veröffentlicht, der zum Teil auch in Mülheim spielt. Wieso es ausgerechnet die Stadt an der Ruhr wurde, welche Rolle toxische Männlichkeit in der heutigen Gesellschaft spielt und wieso Sebastian Hotz quasi per „Du“ mit dem Bundeskanzler ist, darüber hat er mit Redakteurin Nikolina Miscevic gesprochen.

Ist es in Ordnung, wenn wir uns duzen?

Sebastian Hotz: Ja klar, ich bitte darum!

Wie erklärst du Leuten, die jenseits der 35 sind und sich nicht so viel im Social Media-Kosmos bewegen, was du beruflich machst?

Es sind mittlerweile sogar erstaunlich viele Menschen, die mir bei Twitter oder Instagram folgen, älter als 35. Das habe ich bei meinen ersten Lesungen bemerkt. Dann bin ich fast stolz, dass es anscheinend so ein bisschen die Generationen überbrückt. Wenn ich gefragt werde, sage ich meistens: Comedy-Autor, darunter können sich die meisten was vorstellen. Ansonsten sage ich noch leicht abwinkend, dass ich da noch so ein bisschen was im Internet mache.

Abwinkend – hast du manchmal das Gefühl, deine publizistische Arbeit als „El Hotzo“ wird nicht ernst genommen?

Ich bilde mir zumindest ein, dass es halbwegs sympathisch ist, dass ich mich damit nicht allzu wichtig nehme. Ich tue ganz gut daran, wenn ich mich nicht zu groß mache, weil es am Ende immer noch Quatsch schreiben ist, was ich da mache. Wenn ich einen Tag keinen Quatsch schreibe, wird die Welt nicht untergehen. Wenn eine Pflegerin einen Tag mal ihre Arbeit einstellt, wird es schon ganz schön schwierig.

Sebastian Hotz ist auch als
Sebastian Hotz ist auch als "El Hotzo" bekannt. © oh | Kiepenheuer & Witsch

Jetzt also dein erster Roman. Wie kam es dazu, hattest du schon länger mit dem Gedanken gespielt?

Mit dem Gedanken gespielt habe ich, glaube ich, seitdem ich schreiben konnte. Das ist halt so ein Traum, den man hat, wie Formel 1-Fahrer oder Fußballer werden oder ein Eigenheim haben. Das stirbt halt irgendwann mal, und durch die Umwege über meine Social Media-Karriere wurde ich dann natürlich für Verlage interessant. Das ist das Tolle an der Buchbranche, die braucht dringend Leute mit Reichweite.

Also, wenn ich ein Buch schreiben will, dann muss ich erst mal gucken, dass ich eine erfolgreiche Influencerin werde?

Das wäre wichtig (lacht). Außerdem wäre es halt noch gut, wenn du ein weißer Mann wärst.

Ja, schade, damit kann ich leider nicht dienen. In „Mindset“ setzt du dich unter anderem mit toxischer Männlichkeit beziehungsweise mit dem gesellschaftlichen Männlichkeitsbild auseinander und das auch ziemlich kritisch. Wieso?

Ich glaube, dass dieser neoliberale Selbstverbesserungskult, um den es in dem Buch geht, untrennbar mit einem sehr klassischen Männlichkeitsbild verknüpft ist. Da geht es um Kampf, alleine sein und darum, keine Hilfe anzunehmen.

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Relativ zu Beginn des Buches schreibst du: „...aber um ehrlich zu sein, sieht kein Mensch, der noch einen Funken Lebenswillen besitzt, so aus, als ob er in Mülheim sein sollte.“ So schlimm?

Auf keinen Fall (lacht). Das ist aus den Augen der Hauptperson Maximilian Krach so. Er sehnt sich nach Penthouses in den größten Städten dieser Welt, am besten noch in Dubai, damit es steuerbefreit ist. Aber er kriegt nur Mülheim. Und aus der Perspektive unglücklicher Menschen ist Mülheim kein guter Ort. Das gilt aber auch für andere Städte.

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Dem Rolling Stone hast du im Interview gesagt: „Mir gehen Orte, deren Schönheit sich erst auf den zweiten oder gar dritten Blick zeigt, einfach näher. Ein Ort wie Gütersloh oder Mülheim an der Ruhr ist ein bisschen wie mit Tofu kochen: im Rohzustand langweilig und trostlos, doch bei eingehender Beschäftigung damit entfaltet sich sein komplettes Potenzial.“ Wo siehst du Mülheims Potenzial?

Ich kenne die Stadt vor allem aus Hotels und dem Turbinenwerk. Während meiner kaufmännischen Ausbildung bei Siemens war ich paar Mal da, aber habe nie die Stadt oder das Umland erkundet. Ich muss ehrlich sagen, dass es für mich dann immer so überraschend war, bei Google Maps so viel Grünes und Schönes in und um Mülheim zu sehen. Als ich im März dann dort war, für ein Porträt des Spiegels, war ich echt angetan. Ohne zu sehr schleimen zu wollen: Mülheim hat die besten Seiten der Stadt in sich vereint und ist deutlich schöner als die umliegenden Städte, finde ich.

Immerhin, das Mülheimer Siemenswerk war sogar dem Bundeskanzler einen Besuch wert und davon ausgehend, dass du früher regelmäßig dort warst, kennt ihr euch sozusagen - könnte man zumindest behaupten.

Ja, wenn ich mich nicht komplett irre, habe ich mit den Leuten, die diese Turbine betreuen, mal Lasertag gespielt. Jetzt sind es so höchstens ein bis zwei Handshakes, wir sind quasi per „Du“ (lacht). Ob man das als Comedian sein möchte, sei mal dahingestellt.

Mittlerweile lebst du laut Google in Berlin-Wedding. Wie gefällt es dir da?

Ich bin mitten in der Pandemie nach Berlin gezogen, zum Glück, so war es ein etwas weicherer Übergang und ich habe viele dieser verrückten Berlin-Momente eines Zugezogenen gar nicht erlebt. Und der Stadtteil hier könnte auch wirklich in Bielefeld oder auch Mülheim sein. Hier fühle ich mich sehr wohl und will hier auch erstmal nicht weg.

>>> Zur Person

  • Sebastian Hotz (Jahrgang 1996) ist im fränkischen Forchheim geboren. Er absolvierte ein duales BWL-Studium bei Siemens in Erlangen und Nürnberg, war im Rahmen dessen mehrfach auch im Mülheimer Werk zu Besuch.
  • Bekanntheit als Satiriker erlangte Hotz zunächst durch seine Beiträge bei Twitter, dort postet er bis zu 20 Beiträge täglich. In seinen kurzen Text setzt er sich mit Gesellschaftskritik, Popkultur und den verschiedenen Generationen auseinander.
  • „Mindset“ ist der erste Roman von Sebastian Hotz, zuvor veröffentlichte er mit Max Sand den Bildband „Paris, London, Mailand, Willingen: Wandern ist nur Spazierengehen aber wütend“.