Mülheim. Diese Straße gibt es bislang nur auf dem Papier, doch Mülheims Politik streitet sich bereits um ihre Benennung. Bahnt sich eine Polit-Posse an?

Die Siedlung und auch ihre Straße existieren lediglich auf dem Papier, doch das politische Kräftemessen um die Benennung des einzigen Weges durch das Lindgens-Gelände in Saarn ist bereits handfest. Hunderte neue Wohnungen sollen dort gebaut werden, die SPD hatte bereits Ende März einen Antrag für die Bezirksvertretung 3 am Donnerstag formuliert, in dem sie „Gertrud-Lindgens-Straße“ vorschlägt. Gut einen Monat nach der SPD allerdings halten CDU und Grüne nun mit einem Vorschlag dagegen.

Und mit ihrer Mehrheit in der BV 3: „Dorothea-Nekes-Straße“ will die Koalition durchsetzen. Einigen Mülheimern dürfte das zunächst Fragezeichen entlocken, denn Nekes ist ihnen weitaus besser unter ihrem Künstlernamen bekannt: Dore O. Die Film-Pionierin ist im März 2022 tot aus der Ruhr nahe des Vereins der Kanu- und Ski-Freunde geborgen worden. Und damit auch unweit des Lindgens-Areals.

Grüne und CDU wollen Mülheimer Künstlerin würdigen

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„Dore O. stammt aus der bekannten Mülheimer Lederherstellungsfamilie ,Oberloskamp’, deren Wirkungsstätte in der Nachbarschaft des Lindgens Geländes lag“, begründet die Koalition ihren Antrag. Auch wolle man damit auch besondere Frauen in der Stadt würdigen. Unterstützt sehen sie sich unter anderem von der Mülheimer Künstlergruppe Ander, deren (Gründungs-)Mitglied die vielfach ausgezeichnete Künstlerin Dore O. lange Zeit war.

Die 2022 verstorbene Mülheimer Künstlerin Dore O. (Archivbild von 2017) ist vielfach für ihre Arbeiten ausgezeichnet worden, etwa mit dem Ruhrpreis der Stadt Mülheim.
Die 2022 verstorbene Mülheimer Künstlerin Dore O. (Archivbild von 2017) ist vielfach für ihre Arbeiten ausgezeichnet worden, etwa mit dem Ruhrpreis der Stadt Mülheim. © FUNKE Foto Services | Heinz-Werner Rieck

Alles gut? Wäre da nicht der einen Monat frühere Antrag der SPD für Gertrud Lindgens. Denn sie gründete 1861 gemeinsam mit ihrem Mann Ludwig Lindgens die bekannte Lederfabrik am künftigen Standort der geplanten Wohnsiedlung. Sie selbst stammte aus einer bekannten Mülheimer Gerberfamilie.

Für Kurt Ludwig Lindgens, Nachfahre der Familie Lindgens und ab 1994 Geschäftsführer der Lederfabrik, ist die Benennung der Straße auf dem Gelände der ehemaligen Lederfabrik „naheliegend“. Er kenne die Künstlerin Dore O. zwar nicht und wolle die Idee grundsätzlich nicht negativ bewerten. „Es wäre aber etwa so, als würde man die Theo-Wüllenkämper-Straße am Flughafen nach einem Funker benennen, der im Tower tätig war“, vergleicht Lindgens.

„Naheliegend“ findet Kurt Ludwig Lindgens (Archivfoto), Nachfahre der Lederfabrik-Gründer Ludwig und Gertrud Lindgens, den Vorschlag der SPD für die Namensbenennung der Straße durch das Lindgens-Areal.
„Naheliegend“ findet Kurt Ludwig Lindgens (Archivfoto), Nachfahre der Lederfabrik-Gründer Ludwig und Gertrud Lindgens, den Vorschlag der SPD für die Namensbenennung der Straße durch das Lindgens-Areal. © FUNKE Foto Services | Tamara Ramos

Sorge um politisches Tauziehen

Gemischte Gefühle für den Antrag der Koalition hat auch ein Mitglied der Gruppe Ander und der Mülheimer Künstlergemeinschaft. „Als wir von den Grünen angesprochen wurden, hielten wir das für eine gute Idee. Uns ist aber nicht gesagt worden, dass es bereits einen Vorschlag für Gertrud Lindgens gibt“, sagt Fotograf und Künstler Heiner Schmitz.

Erst neulich stritt die Politik über die Umtaufe des Friedrich-Wennmann-Bades, nun um eine Straßenbenennung. Das politische Tauziehen hält Schmitz für „unglücklich. Ich fühle mich damit unwohl“. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Susanne Dodd hofft, dass ihr Antrag nicht einfach durch eine schwarz-grüne Mehrheit kassiert wird. Der Grüne Fraktionssprecher Philipp Hoffmann will den Antrag durchziehen, denn er sei bereits mit der Familie der Verstorbenen besprochen worden. Er bietet aber an: „Beide Vorschläge sind gut. Vielleicht gibt es eine Lösung, Gertrud Lindgens auf dem Areal anders zu würdigen – oder eine andere Straße zu finden.“

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