Mülheim. Wer zahlt wie viel für seinen Wasserverbrauch? Ein Mülheimer wittert eine Ungerechtigkeit – die RWW erklärt die unterschiedlichen Preise.
Hans-Gerd Klusmann ist vom Fach. Der erfahrene Hausverwalter ist dem Arbeitsleben bereits entwachsen und dennoch nach wie vor stark an der Materie interessiert. Die aktuelle Preisentwicklung bei der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft (RWW) in Sachen Trinkwasser lässt ihn so stark stutzen, dass er sich an diese Redaktion gewandt hat.
Ein Stein des Anstoßes ist die „Systempreis“ genannte, von der RWW erhobene Grundgebühr. Wohnt, als Beispiel, eine Familie in einem klassischen Ein-Familien-Haus, so werden im Jahr 256,53 Euro brutto „Systempreis“ fällig. Bei einem Haus mit vier Wohnungen beträgt diese Gebühr insgesamt 415,03 Euro. Die einzelnen Wohn-Einheiten werden also mit jeweils nur etwas mehr als 100 Euro belastet, obwohl jede Wohneinheit einen eigenen Zähler erhält, der dann auch dementsprechend abgelesen werden muss. Das Ganze wird umso deutlicher, je mehr Wohneinheiten unter einem Dach vereint sind. Hans-Gerd Klusmann kann diese massive Ungleichbehandlung nicht nachvollziehen. „Woraus resultieren diese riesigen Differenzen?“, fragt er.
Massive Unterschiede zwischen den Städten, aber kein Wechsel möglich
Ganz besonders ärgerlich wird es für die Mülheimerinnen und Mülheimer, wenn sie einen Blick auf die Nachbarstädte werfen, wo die Preise teilweise deutlich geringer sind. Im Gegensatz zum Strom-Markt können sich die Kundinnen und Kunden bei Wasser aber keineswegs frei entscheiden, von wem sie ihr Produkt beziehen. Wer in Mülheim lebt, ist ohne jegliche Alternativen dazu gezwungen, sein Wasser von der RWW zu beziehen – eine klassische Monopol-Stellung des Unternehmens.
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Hans-Gerd Klusmann wollte selbst nachhaken und wandte sich per E-Mail an die RWW. „Nachdem ich sechs Wochen lang keine Antwort erhalten habe, habe ich es über die Service-Hotline versucht“, so der Senior. Dort informierte man ihn, dass er sich schriftlich an das Unternehmen wenden solle. „Ich habe denen dann eine neue Mail geschickt, in der ich erwähnt habe, dass ich die Presse eingeschaltet habe – und siehe da: Nach drei Tagen haben die sich gemeldet“, schildert Klusmann die Vorgänge aus seiner Sicht.
RWW Mülheim geht ausführlich auf die aktuelle Situation ein
„Unser Wasserpreis setzt sich im Wesentlichen aus einem Systempreis und einem Mengenpreis zusammen: Der Mengenpreis orientiert sich an der abgenommenen Trinkwassermenge. Er liegt netto aktuell bei 1,34 Euro pro Kubikmeter“, erklärt Ramon Steggink, Sprecher der RWW. Der „Systempreis“ umfasse, vereinfacht gesprochen, die Kosten für den Betrieb und die Vorhalteleistung für eine sichere Wasserversorgung rund um die Uhr, so Steggink.
„Der Systempreis bemisst sich bei Wohngebäuden nach der Gebäudegröße, gemessen an der Anzahl der Wohneinheiten. Bei Gewerbe, Industrie und allen anderen versorgten Objekten sind so genannte Verbrauchsklassen maßgeblich. Die Unterschiede bei den Systempreisen bei reinen Wohngebäuden ergeben sich aus der Anzahl der Wohneinheiten.“ Die Systempreise für Gewerbe und sonstige versorgte Einheiten (Nicht-Wohngebäude) richteten sich hingegen nach der abgenommenen Wassermenge, so Steggink.
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Mülheimer werden alle durch die RWW versorgt
Der Pressesprecher der RWW bestätigt, dass die Menschen in Mülheim keine Wahl bei ihrer Wasserversorgung haben. „Das trifft uns ja im Grunde alle in Deutschland, ist in fast jeder Stadt so und ist kein reines Mülheim-Thema, dass sie Wasser vom lokalen Wasserversorger erhalten.“ Wasser sei „lokal/regional“ und funktioniere anders als der Energiemarkt, erklärt Steggink und verweist auf Paragraf 50 des Wasserhaushaltsgesetzes, in dem es heißt: „Der Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung ist vorrangig aus ortsnahen Wasservorkommen zu decken, soweit überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen. Der Bedarf darf insbesondere dann mit Wasser aus ortsfernen Wasservorkommen gedeckt werden, wenn eine Versorgung aus ortsnahen Wasservorkommen nicht in ausreichender Menge oder Güte oder nicht mit vertretbarem Aufwand sichergestellt werden kann.“ Die Monopol-Stellung der örtlichen Wasserversorger ist also gesetzlich festgelegt.
Städte und Gemeinden sind für die Wasserversorgung zuständig
Ramon Steggink erläutert, dass die Städte und Gemeinden in Deutschland Träger der öffentlichen Daseinsvorsorge sind. Dazu gehöre auch die Wasserversorgung. „Diese Aufgaben, oder Teile davon, können sie auch auf einen geeigneten Dritten/Dienstleister/Erfüllungsgehilfen übertragen, wie es Stadtwerke, RWW oder sonstige Wasserversorger sind, beziehungsweise sein können. Wohnen Sie in Mülheim, ist es als Konzessionärin der Stadt/Städte die RWW - in Oberhausen und Bottrop im Übrigen auch.“ Daraus ergibt sich: „Ein reiner Vergleich von Preisen ist nicht zielführend. Man müsste Jahreskosten für die unterschiedlichen Gebäudegrößen und Verbrauchssituationen ermitteln, um sauber vergleichen zu können“, so der RWW-Pressesprecher.
Aber was ist nun mit dem Umstand, dass Eigentümer eines Einfamilienhauses deutlich stärker zur Kasse gebeten werden als solche von Mehrfamilienhäusern, rechnet man den Systempreis auf eine Wohneinheit um?
Nach der Umstellung im Jahr 2012 auf den sogenannten Systempreis seien die Kosten für die Systembereitstellung und Vorhalteleistung entsprechend der jeweiligen Versorgungssituation umgestellt worden, seien folglich abhängig von den Gebäudetypen und Wohneinheiten, so Steggink. „Heute ist in der Tarifgruppe ,Wohngebäude’ die Anzahl der Wohnungen bzw. Wohneinheiten entscheidend. Die Kostenverteilung ist dabei jedoch nicht linear. Im RWW-Versorgungsgebiet gilt: Mit steigender Anzahl der Wohneinheiten je Gebäude sinkt der Kostenanteil pro Wohneinheit.“ Ergebnis sei: Ein Vier-Familien-Haus trägt nicht die vierfachen Kosten eines Ein-Familien-Hauses, denn bei Mehrfamilienhäusern gehe sein Unternehmen von Synergieeffekten aus.