Mülheim. Mülheims marode VHS in der Müga ist seit mehr als fünf Jahren ein Hort des Streits. Nimmt der Widerstand gegen einen Abriss des Gebäudes ab?
Während die Bürgerinitiative zum Erhalt der VHS in der Müga weiter für ihre Interessen strampelt und im Hintergrund Spitzenkräfte der Stadtverwaltung mit einem möglichen Privatinvestor für den Standort in Mülheims Stadtpark Gespräche führen, ist das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an dem emotional geführten Streitthema der vergangenen Jahren offenbar verblasst, zeigt die Resonanz auf eine aktuelle Petition.
Mit jener Petition, die seit Dezember auf openpetition.de gelistet ist, fordert die Bürgerinitiative die Stadt mit Oberbürgermeister Marc Buchholz an der Spitze noch mal eindringlich dazu auf, eine Sanierung des seit September 2017 wegen gravierender Brandschutzmängel gesperrten Gebäudes anzugehen. Nun, da die Sammlung von Unterstützer-Unterschriften in sieben Wochen endet, wird klar, dass die Initiative mit ihrer unermüdlichen Mobilisierung an Grenzen stößt. Lediglich 571 Unterstützer hatten die Petition bis zum Donnerstagmittag dieser Woche gezeichnet, davon 485 Mülheimer. Damit ist die Initiative weit entfernt von jenem Quorum, das es laut Portal zu erreichen gilt, um den OB zu einer Stellungnahme aufzufordern. Nur 30 Prozent der hierfür nötigen 1600 Unterstützer sind erreicht.
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Rund 18.000 Mülheimer hatten 2019 für die VHS-Sanierung gestimmt
Zum Vergleich: Anfang Oktober 2019 hatten sich beim Bürgerentscheid noch 66 Prozent der Wählerinnen und Wähler, rund 18.000 an der Zahl, der Forderung der VHS-Initiative angeschlossen, das VHS-Gebäude zu sanieren. Jetzt gelingt es der Initiative womöglich nicht mehr, 1200 Unterstützer zusammenzutrommeln, trotz mannigfacher Mühen, unter denen die Mitglieder der Initiative in der Öffentlichkeit Präsenz zeigen.
Ist beim Gros der Wähler von 2019 womöglich die Erkenntnis gereift, dass eine Sanierung des VHS-Gebäudes tatsächlich nicht für wenige Millionen Euro zu haben sein wird, wie einst behauptet, aber nie nachgewiesen? Dass sie so kostspielig werden würde, dass die Stadt andere drängende Investitionen um Jahre aufschieben müsste? Oder sind die Bürger der Diskussion, der festgefahrenen Lage überdrüssig?
Bürgerinitiative will keinen Kompromiss auf Kosten des Denkmals schließen
Erich Bocklenberg, ehemals oberster Denkmalschützer der Stadt und für die Bürgerinitiative aktiv, sieht auch gewisse Ermüdungserscheinungen. Das sei sicher auch „eine Folge der Standhaftigkeit der Stadt, nichts zu unternehmen“. So seien Bürgerinnen und Bürger „enttäuscht, dass der Bürgerentscheid nicht umgesetzt wird, sagen sich womöglich: Es macht eh’ keinen Sinn, sich zu engagieren.“ Auch die zahlreichen Probleme der Gegenwart könnten den einen oder anderen dazu bewegen, sich komplett zurückzuziehen.
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Andererseits hätten an den jüngsten Treffen der Initiative doch wieder mehr Menschen teilgenommen. Es gehe jetzt noch mal darum aufzuzeigen, welchen Denkmalwert das Gebäude habe. Man wolle sachlich weiter für die Sache streiten und nicht den Kopf in den Sand stecken, so Bocklenberg. Es gehe auch darum, Vorbild zu sein für andere Bürgerbewegungen.
Bocklenberg vertritt weiter die Meinung, dass sich eine Kommune nicht einfach aus der Verantwortung zum Erhalt eines Denkmals stehlen kann. Die Initiative warte so auch auf weitere Gesprächstermine, die OB Marc Buchholz angekündigt hatte. Klar sei: Die Initiative werde keinem Kompromiss zustimmen, der einen Abriss des Denkmals zum Inhalt habe. Es gehe um „die Einheit von Gebäude und Erwachsenenbildung“, so Bocklenberg.
Dach- und Wasserschäden am VHS-Gebäude: Gutachten liegt mittlerweile vor
Kämmerer Frank Mendack äußerte sich auf Anfrage zum Sachstand. Mittlerweile liege ihm das Gutachten eines Architekturbüros zu den akuten Dach- und Wasserschäden vor, die im Spätherbst bekannt geworden waren. Mendack will aktuell noch nicht öffentlich sagen, welche Sanierungskosten die Gutachter genau veranschlagen, hatte im November aber schon von mehr als einer Million Euro gesprochen. Im Moment lasse er von den Gutachtern noch klären, wie hoch die Kosten wären, würde die Stadt eine Reparatur nur auf das minimal Nötige beschränken, um weitergehenden Schäden vorzubeugen. Nach den Osterferien will Mendack der Politik präzise Summen benennen.
Der Kämmerer hatte in der Vergangenheit bereits deutlich gemacht, dass er, weil sich die Stadt eine Komplettsanierung des Denkmals nicht leisten könne, zur Substanzerhaltung nur so viel Geld ausgeben wolle, wie dringend nötig. Er wolle die „Wegwerfkosten“ so gering wie möglich halten, da niemand in Sicht sei, der bereit wäre, das Gebäude zu sanieren, um es wieder – wie politisch festgelegt – als Haus der Bildung öffentlich zugänglich zu machen.
Möglicher Investor? Mülheims Kämmerer spricht von „sehr, sehr ernsten Absicht“
Laut Mendack ist die Stadtverwaltung weiter im Gespräch mit einem Bildungsträger, der sich eine Ansiedlung in der Müga vorstellen kann. Dabei sei auch vorstellbar, dass an dem künftigen Bildungsstandort zumindest Teile des VHS-Betriebs untergebracht werden könnten.
Er spricht von einem „substanziellen Dialog“ mit dem interessierten Bildungsträger und einer „sehr, sehr ernsten Absicht, in der Müga eine Einrichtung zu platzieren“. Erst wenn aus den Gesprächen ein konkretes Konzept erwachse, das eine Standortlösung verspreche, sei es an der Zeit, auch mit den Denkmalschutzbehörden ins Gespräch zu gehen, so Mendack. Die offene Frage: Ist eine mögliche Investition an einem Abriss und Neubau geknüpft oder spielt ein Denkmal-Erhalt noch eine Rolle? Zum Jahresende hatte sich die Stadtspitze skeptisch geäußert hinsichtlich der Chancen für eine Sanierung.
Podiumsdiskussion der Mülheimer Bürgerinitiative am 30. März
Derweil lädt die Bürgerinitiative zu einer Podiumsdiskussion am Donnerstag, 30. März, um 18 Uhr ins Restaurant Caruso in der Stadthalle ein, um ihrer Forderung zum Gebäudeerhalt ein weiteres Mal Nachdruck zu verleihen. Als Teilnehmer angekündigt ist unter anderem Theresa König als wissenschaftliche Referentin der Oberen Denkmalbehörde beim Landschaftsverband Rheinland. Ebenso dabei sein soll Dr. Hans H. Hanke, Lehrbeauftragter des Kunstgeschichtlichen Instituts der Ruhr-Uni Bochum und Vertreter des Vereins „Ruhrmoderne“, der den Wert von Nachkriegsbauten positiv sieht. Maximiliane Hausner ist als Doktorandin und Mitarbeiterin des Dortmunder Baukunstarchives angekündigt, die sich mit dem Werk des Architekturbüros um Dietmar Teich beschäftige, der Mülheims VHS-Gebäude seinerzeit entworfen hat.
Die Stadt unternehme „nichts, um den Verfall zu stoppen, Mängel und Schäden zu beseitigen und das Gebäude zu erhalten und zu nutzen, wie es das Denkmalschutzgesetz verlangt“, heißt es in der Einladung zur Veranstaltung. „Achtlosigkeit und Unwissenheit unterstützen die Untätigkeit.“ Anders sei nicht zu erklären, dass die Stadt beabsichtige zu klären, ob trotz Denkmalschutz aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit ein Abriss möglich werden könne.