Mülheim. Sollte die AfD beim Städtetag als Gast Mülheim vertreten? Der Stadtrat setzte nun zur Ausbootung an – am Ende strahlte ein AfD-Politiker.
Tagesordnungen des Stadtrates können mehrere Seiten Papier füllen, auch wenn zunehmend die demokratische Unsitte in Mülheims um sich greift, gewichtige Debatten wie die um die Entwicklung der Parkstadt oder anderes in Hinterzimmer oder nicht öffentlich tagende Beiräte und Arbeitskreise zu verlegen. Kommt es dann doch mal zum politischen Showdown, kann es auch schon mal in Peinlichkeit ausufern, an der sich in einem aktuellen Fall augenscheinlich nur die AfD erfreuen konnte.
Was war geschehen beim Tagesordnungspunkt 8.3, der ursprünglich doch nur zum Abnicken aufgerufen war: „Benennung von stimmberechtigten Delegierten und interessierten Gästen für die 42. Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 23. bis 25. Mai in Köln“ stand da geschrieben. Personen vorschlagen, abnicken, weiter geht’s – so läuft das eigentlich. Wenn die Sitzungen im Ältestenrat ordentlich vorbereitet sind.
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Grüne fahren Mülheims OB in die Parade: Nur fünf Gastdelegierte sollen zum Städtetag
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Die Delegationswahl geriet aber zur Posse. Zunächst nahm alles seinen gewohnten Lauf. Neben dem gesetzten OB Marc Buchholz schickte der Stadtrat Bürgermeisterin Ann-Kathrin Allekotte (Grüne) mit Stimmrecht zum Städtetag. Dann aber ging’s los: OB Marc Buchholz fragte ab, wie viele Gastdelegierte aus Mülheim denn nach Köln reisen sollten, und wer? Für die Verwaltung schlug Buchholz Stadtdirektor David Lüngen vor, danach fragte er bei allen fünf Fraktionen ab, wen sie gerne entsenden würden. Die AfD benannte ihren jüngst geschassten Fraktionschef Alexander von Wrese. Okay, so Buchholz’ Vorschlag, dann könnten ja sechs fahren.
Doch die Grünen fuhren ihm in die Parade. Ihr Antrag: Nur fünf Gastdelegierte sollen in die Domstadt. Klar, was die Grünen damit bezwecken wollten: AfD-Mann von Wrese sollte die Teilnahme verwehrt bleiben. Die Ratsmehrheit ging mit.
Geheime Abstimmung: AfD-Mann mit sieben Stimmen aus anderen politischen Lagern
Die offensichtlich überrumpelte Sitzungsleitung hatte nun äußerste Schwierigkeiten, die anstehende Wahl zu organisieren: Die Sitzung: unterbrochen. Stimmzettel wurden entworfen, von der Politik beanstandet, SPD-Mann Norbert Mölders beantragte eine geheime Wahl. Aber wie viele Stimmen sollte eigentlich jeder haben? Mindestens eine, maximal fünf? Stirnrunzeln, aber da musste man jetzt durch.
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Die parlamentarische Posse dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Am Ende verlas der OB das Ergebnis, das einerseits vorhersehbar war: AfD-Ratsherr von Wrese wird nicht Gastdelegierter in Köln sein. Aber es kam auch ein Ergebnis heraus, das aufhorchen ließ: Von Wrese hatte immerhin elf Stimmen bekommen, seine Fraktion zählt nur vier Köpfe. Da mussten sich die andere Fraktionen und Gruppen, allen voran die Grünen, den Spott von Wreses gefallen lassen, als er nach der Wahl das Wort ergriff und „für das Vertrauen“ der sieben Nicht-AfDler dankte, die ihm eine Stimme gegeben hatten.
„Zum Fremdschämen“, entfuhr es einem Stadtrat im Vorübergehen. So eine Peinlichkeit habe er noch nie erlebt, sagte ein erfahrener Kommunalpolitiker. Nur einer setzte ein breites Grinsen auf: von Wrese.