Mülheim. Damit Mülheims müdes Nachtleben erwacht, wünscht sich der Jugendstadtrat einen Nachtbürgermeister wie in anderen Städten. Wie die Idee ankommt.

Nachtbürgermeister. Mannheim war 2018 die erste deutsche Großstadt, die ein solches Modell startete. In Dortmund erledigt diesen Job seit anderthalb Jahren ein ehemaliger DJ und Partyveranstalter. In Essen soll in Kürze jemand eingestellt werden, der sich zu dunkler Stunde um das Geschehen in der Innenstadt kümmert. Auch in Bochum wurde schon über einen Nacht-OB diskutiert, und jetzt gibt es einen Vorstoß in Mülheim. Macht es Sinn?

Der Jugendstadtrat meint ja, gerade weil in Mülheim abends und nachts so wenig los ist. Er hat einen Antrag formuliert und bittet die Stadtverwaltung, diese Idee zu prüfen. In der Sitzung am vergangenen Mittwoch wurde darüber beraten. Doch die Chancen, dass ein Nachtbürgermeister kommt, stehen schlecht.

Mülheimer Nachtleben ist „desolat“, meint der Jugendstadtrat

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Nachtleben in Mülheim? Die Klagen darüber sind nicht neu. Die Bestandsaufnahme in der Vorlage des Jugendstadtrats ist ernüchternd, es sei „abgesehen vom als mittelmäßig bewerteten Ballermann 6 praktisch nicht vorhanden“, es sei „in einem desolaten Zustand“. Luisa Reichwein, Mitglied im achtköpfigen Leitungsgremium des Jugendstadtrats, ergänzt: „Viele Jugendliche fahren zum Ausgehen nach Essen-Rüttenscheid oder nach Düsseldorf. Und das finden wir eben schade.“

Neben dem Ballermann 6 ist der Phönix Club an der Sandstraße eine der wenigen Diskotheken in Mülheim. Die meisten jungen Leute fahren zum Feiern in die Nachbarstädte.
Neben dem Ballermann 6 ist der Phönix Club an der Sandstraße eine der wenigen Diskotheken in Mülheim. Die meisten jungen Leute fahren zum Feiern in die Nachbarstädte. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

An zwei Stellen müsse Mülheim nachbessern, meinen die Jugendlichen. Zum einen gebe es abends zu wenige kulturelle Angebote. Konsequenz: Leute treffen sich privat oder verlassen die Stadt. „Das ging in der Vergangenheit auch anders“, heißt es im Antrag. „Bis in die 90er-Jahre gab es in Mülheim eine viel höhere Anzahl an Restaurants, Diskotheken und Bars.“ Natürlich könne die Kommune nicht selber einen ganzen Wirtschaftszweig betreiben, wohl aber Anreize setzen, durch finanzielle Förderung von Ideen oder mehr städtisch organisierte Events in den Abend- und Nachtstunden.

An Bars und Clubs hängen auch Arbeitsplätze

Zum anderen, so der Jugendstadtrat, sollte eine Studie durchgeführt werden, um das Nachtleben als Wirtschaftsfaktor in Mülheim zu erheben. Die wenigen Bars, Kneipen und Clubs seien auf Frequenz angewiesen. „An diesen hängen Umsätze, Arbeitsplätze und letztendlich steuerliche Einnahmen.“ Der Sektor sollte durch die Stadt gesichert und gefördert werden. Nicht zuletzt sei ein attraktives Nachtleben für manche auch ein wichtiger Faktor bei der Wohnortwahl.

Die Idee eines Nachtbürgermeisters könnte helfen, „Mülheim zu beleben und wieder den Glanz der vergangenen Jahrzehnte zu verleihen“, meinen die Jugendlichen.

Stadt Mülheim sieht für Nachtbürgermeister keinen Bedarf

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Für die Stadt Mülheim übernahm es Citymanagerin Gesa Delija, dem Jugendstadtrat eine ausführliche Stellungnahme zu liefern. Es ist eine freundliche Absage, deren Inhalt sich so zusammenfassen lässt: Nachtbürgermeister in anderen Städten mit reger Szene hätten vor allem die Aufgabe, Akteure zu vernetzen und Konflikte zu lösen, die es in Mülheim nicht gebe. Sie selber organisieren keine Angebote. Außerdem könnte die Stadt eine zusätzliche Stelle nicht finanzieren.

Initiativen, um die Mülheimer Szene zu beleben, seien nicht neu, so die Citymanagerin. Schon vor rund sechs Jahren habe der Jugendstadtrat die Verwaltung in die Pflicht genommen. Ein „Arbeitskreis Nachtleben“ tagte - und verschwand schnell wieder. Ideen der Jugendlichen seien aber in das Integrierte Innenstadtkonzept eingeflossen. Die nächtliche Sicherheitslage in Mülheim sei eher unauffällig, Handlungsbedarf für einen Nachtbürgermeister nicht erkennbar, heißt es in der Stellungnahme weiter. Und wie auch immer dessen Aufgaben konkret zugeschnitten wären: Eine Extra-Stelle sei als freiwillige Leistung der Kommune wohl nicht möglich. „Hier ist privates Engagement gefragt.“ Die Stadt Mülheim würde eine engagierte Person als Nachtbürgermeister unterstützen.

Vorschlag: Junge Leute nehmen es in Mülheim selber in die Hand

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Das Nachtleben sei als Wirtschaftsfaktor „gut und wichtig“, doch generell könne die Stadt Mülheim auf diesen Wirtschaftszweig kaum Einfluss nehmen. Es gebe gute Beispiele aus Nachbarstädten, wie junge Erwachsene das Geschehen selber in die Hand genommen haben, etwa die Nachtbar „Goldkante“ in Bochum oder das „Knut’s“ in Witten. Für Projekte zur Belebung der Mülheimer Innenstadt könne es auch Fördergelder gaben, etwa aus dem Bürgermitwirkungsbudget oder aus dem Projektfonds, die gerade wieder neu gestartet sind.

Der Jugendstadtrat hat die Stellungnahme der Verwaltung zur Kenntnis genommen und will nun über das weitere Vorgehen beraten. „Es ist nicht die Antwort, die wir uns wünschen“, sagt Luisa Reichwein aus dem Leitungsgremium. „Für Mülheims Nachtleben werden zu wenige Anreize gesetzt. Das ist nicht gut.“