Mülheim. Seelsorger hören und sehen Dinge, die für viele unvorstellbar sind. Vier Mülheimer haben uns ungeschönt von ihrer Seelsorge-Arbeit berichtet.
Wer Angehörige oder befreundete Menschen durch Krankheit und Krisen geholfen hat oder gar selbst betroffen war, weiß um die Wirkung von guten Gesprächen, Trost und manchmal auch bloßer Aufmerksamkeit. Was durch Familie und Freundeskreise für viele selbstverständlich ist, kann durch ehren- und hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger erweitert und ergänzt werden. In Krankenhäusern, Hospizen oder an Unfallorten gehören sie meist zum gewohnten Standard, dabei leisten viele ihre Tätigkeit vollkommen freiwillig. Wir haben mit mehreren Menschen gesprochen, die in Mülheim in der Seelsorge tätig sind.
Hartmut Mäurer (76) ist seit zehn Jahren als Grüner Herr im Krankenhaus unterwegs:
„Ich habe ehrlich gesagt ziemlich schnell erkannt, dass ich das kann, diesen Umgang. Manchmal ist es aber trotzdem nicht einfach. Man sieht kranke, zum Teil sehr kranke Menschen und damit muss man umgehen können. Mir persönlich hilft es immer, mir zu vergegenwärtigen, dass das Ende des Lebens auch Teil des Lebens ist. In den zehn Jahren, die ich jetzt bald schon Grüner Herr bin, haben mich die Fälle besonders bewegt, in denen ich die Menschen schon vorher persönlich kannte. Im November musste ich zum Beispiel einen Freund verabschieden. Das ist nochmal eine andere Betroffenheit, ganz klar. Gerade zu Beginn sollte man für sich ganz klar festhalten und begreifen, dass man nicht in der Seelsorge arbeitet, um sich selbst zu therapieren. Vermutlich stellen sich viele Menschen vor, dass man ganz viel redet und tröstet, aber meistens reicht es schon, einfach nur da zu sein, zuzuhören und den Patienten bei kleinen Alltagsaufgaben zu helfen. Seit der Pandemie hat sich vieles verändert, in der Lockdown-Zeit hatte ich in jeder Kitteltasche eine Packung Taschentücher für die Angehörigen. Auch für sie sind wir da.“
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Anna* (65) arbeitet seit 20 Jahren als Telefonseelsorgerin:
„Eigentlich ist Anrufen nie so richtig mein Metier gewesen. Fast schon ironisch, dass ich jetzt schon so lange bei der Telefonseelsorge bin. Damals in der Ausbildung war ich 45 Jahre alt und habe mich selbst wirklich deutlich besser kennengelernt. Darum geht es aber auch. Nur wer sich selbst und seine Grenzen kennt, ist in der Lage, anderen Menschen eine Hilfe und Stütze zu sein. Durch meinen sozialen Beruf ist es mir immer vergleichsweise leicht gefallen, mich in Menschen hineinzufühlen, aber am Telefon ist es nochmal wichtiger, eine gemeinsame Ebene mit dem Gegenüber zu finden. Dazu schaue ich, dass ich relativ schnell feststelle, was der Auftrag des Telefonats ist und Struktur in das Gespräch bringe. Meine Grundhaltung ist Wertschätzung. Ich hole die Person da ab, wo sie gerade ist. Ein bisschen ist es, als würde man sich neben eine fremde Person auf die Bank setzen und ihr einfach zuhören, Trost und manchmal auch Rat spenden. Der Mensch hat ein großes Bedürfnis nach Verbundenheit und das will ich ihnen geben. Krisen können dabei helfen, Stärken zu entwickeln.“
*Name geändert
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Klaudia Schmalenbach (64), Pfarrerin und Seelsorgerin:
„Ich habe den Luxus, durch meinen Beruf ganz viel für mein Leben zu lernen. Es rückt vieles in die richtige Perspektive. Einer meiner Söhne meinte neulich zu mir: ‘Mama, du regst dich weniger auf.’ Und das stimmt. Ich erlebe viele außergewöhnliche Situationen, langweilig wird es nie. Kein Tag ist wie der andere. Das heißt aber auch, dass man sich nicht unbedingt immer so gut vorbereiten kann, auf das was einen erwartet. Was mich besonders trifft ist, wenn im Kreißsaal Kinder tot zur Welt kommen. Als ich jünger war, war das alles noch etwas einfacher zu verarbeiten. Aber es hilft zu akzeptieren: Manche Dinge können wir nicht heilen, nicht schön machen. Sie liegen nicht in unserer Hand. Reden hilft und es hilft, sich kleiner Dinge zu erfreuen. Wir können das Leid oft nicht abnehmen. Aber wir können die verbliebene Zeit oder die folgende Zeit möglichst schön gestalten. Das zu wissen und täglich zu erfahren, macht demütig. Ich würde keinen anderen Job lieber machen wollen.“
Diakonin Gisela Wehnau (67) war 15 Jahre als Notfallseelsorgerin tätig:
„Manchmal kann man Fremden mehr anvertrauen als der eigenen Familie. Es scheint verrückt, aber jemand, der einen nicht kennt, kann auch weniger tiefgehend verurteilen und das fürchten Menschen oft. Als Notfallseelsorgerin habe ich einiges gesehen. Plötzliche Todesfälle, große Unfälle, aber auch Katastrophen wie die Loveparade 2010. Am härtesten getroffen hat es mich, wenn ein Kind verstorben ist – das ist immer schlimm. Da hat mir der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen auch immer sehr geholfen. Es ist ein Geben und Nehmen, wie man so schön sagt. Aus dem Gedanken, dass meine Tätigkeit eine Bereicherung für andere ist, habe ich oft Kraft schöpfen können. Nach so einem Einsatz, der zum Beispiel mitten in der Nacht beginnt und mehrere Stunden dauert, war man auch einfach fertig. Es war eine gute Zeit als Notfallseelsorgerin, aber es reichte dann irgendwann auch. Wenn ich eines gelernt habe, dann, dass Zeit das größte Geschenk ist.“
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>>> Neue Ausbildung für die Seelsorge
- Der Evangelische Kirchenkreis hat unter dem Namen „Wege begleiten“ eine Ausbildung zur Qualifizierung von Ehrenamtlichen für die Seelsorge in Kirchengemeinden, Krankenhäusern, Alteneinrichtungen, Hospizen und die Notfallseelsorge ins Leben gerufen.
- Die Ausbildung gliedert sich in einen Basiskurs aus fünf Modulen und die Aufbaukurse in den spezifischen Seelsorgefeldern. Die Module beschäftigen sich etwa mit Motivation, kommunikativer, ethischer und personaler Kompetenz sowie Spiritualität.
- Mehr Informationen gibt es bei einem Infoabend am Mittwoch, 15. Februar, von 18.30 bis 20 Uhr im Haus der Evangelischen Kirche (Althofstraße 9). Kontakt und Anmeldung: Kirchenkreis An der Ruhr, Julia Quindeau. Telefon: 0208/3003135, Mail: quindeau@kirche-muelheim.de.