Mülheim. Die Gruppe „Ich steh auf Herz Jesu“ übt weiterhin Kritik an der geplanten Schließung der Kirche in Mülheim-Broich. Das Bistum reagiert darauf.
Die beiden Initiativen, die den Erhalt der Herz-Jesu-Kirche in Broich fordern, tragen unermüdlich ihre Argumente vor. Kritik üben sie vor allem auch am Bistum Essen, das ihrer Meinung nach reich genug ist und keine Kirchen schließen muss. „Das alte Jahr endete damit, dass das Bistum Essen ,unbemerkt’ einen Bilanzgewinn von fast 50 Millionen Euro ausweist – für 2021. Man veröffentlicht sehr langsam. (...) Den Kirchen ist es peinlich, wie viel Geld sie haben“, behauptet Hubert Kauker von „Ich steh auf Herz Jesu“.
Mit „dämonischer Regie“ gehe es auf die Schließung von Herz Jesu zu. „Anstatt die vielerorts noch vorhandene „Glut unter der Asche“ neu anzufachen, treten die Pfarreien im Verein mit dem Bistum sie einfach aus“, klagt Kauker. Die Sparbeschlüsse seien vor genau fünf Jahren gefasst worden, „schon damals im Geheimen, auf Druck des Bistums. Niemand habe jemals genaue Bilanzen und Finanzberichte auch nur einer Pfarrei gesehen oder Berichte über den Bauzustand der Kirchen bekommen. Untragbare Belastungen für die Zukunft gebe es überhaupt nicht, so die Meinung des Initiativen-Sprechers.
Mülheimer behauptet: Bistümer bildet zu viele Rücklagen
Die Wahrheit sehe so aus: „Die deutschen Bistümer erzielen seit fünf Jahren (und mehr) Jahresüberschüsse, auch Essen, bilden Rücklagen über Rücklagen für Zwecke, die mit Gemeinde und Seelsorge wenig zu tun haben. In den Pfarreien kommen nur sinkende Mittel an, weil die Schlüsselzuweisungen nicht an die Entwicklung angepasst werden, sondern sich nur nach der sinkenden Anzahl der Kirchenmitglieder richten“, behauptet Hubert Kauker. Die Pfarrer klagten (sogar zu Recht), dass ihnen das Geld ausgehe, dass sie die Sparbeschlüsse umsetzen müssen. Die „Kirche des Glaubens“ vor Ort werde zerstört durch eine „Kirche des Geldes“, welche in den Zentralen der Buchhaltung sitze. „Wer schreit endlich dagegen auf?“, fragt der Initiativensprecher.
Zu den Kritikpunkten nimmt Ulrich Lota, Sprecher des Bistums, auf Anfrage dieser Redaktion hin Stellung: „Im Finanzberichtes für 2021 ist ersichtlich, dass es sich bei dem Bilanzgewinn in Höhe von 49,7 Mio. Euro (2020 wurde übrigens ein Verlust in Höhe von 3,4 Mio. Euro ausgewiesen) im Wesentlichen um einmalige und unvorhergesehene Sondereffekte bei Erträgen wie Aufwendungen handelte.“ Alle Haushaltszahlen von Bistum und Pfarreien seien seit sehr vielen Jahren öffentlich und könnten von allen eingesehen werden (siehe Info-Box).
Bistumssprecher: Alle Finanzberichte sind öffentlich (im Internet)
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„Dass das Bistum Essen Jahr für Jahr Rücklagen bildet, ist falsch. Tatsächlich musste es etwa für 2019 und 2020 Verluste ausweisen, das zeigen die Finanzberichte.“ Gerade für das Bistum Essen, das fast ausschließlich auf Kirchensteuern angewiesen sei, sei es mit Blick auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung überlebenswichtig, Rücklagen bilden zu können (wenn überhaupt möglich), so Lota.
Einen Finanzbericht veröffentlicht das Bistum Essen seit 2011. „Damals haben wir bundesweit Neuland betreten und waren das erste Bistum, das in dieser Form über die wirtschaftliche Lage und die zu erwartende Entwicklung transparent informierte. Bei den Finanzberichten handelt es sich um eine Zusammenfassung einzelner Prüfberichte über die Jahresabschlüsse der selbstständigen Körperschaften ,Bistum Essen’, ,Bischöflicher Stuhl’, ,Versorgungs-Fonds des Bistums Essen’ und ,Domkapitel’“, erläutert der Bistumssprecher. Die Veröffentlichung der Finanzberichte könne erst erfolgen, wenn Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat (KiWi-Rat) die Prüfberichte der unabhängigen Wirtschaftsprüfer verabschiedet hätte. Die Prüfberichte für 2021 seien am 19. November 2022 verabschiedet worden. Dies sei nicht ungewöhnlich, sondern auch in anderen Unternehmen „normal“. Prüfberichte für das Vorjahr lägen meist erst im Sommer oder Frühherbst vor.
Bistum Essen hat seit 1958 über die Hälfte seiner Katholiken verloren
Ulrich Lota verweist darauf, „dass die Mitglieder der Mülheimer Gruppe ausreichend Gelegenheit hatten, sich im Pfarreientwicklungsprozess auf der örtlichen Ebene einzubringen“. Dabei hätten zunächst pastorale Fragen, dann erst wirtschaftliche Fragen im Mittelpunkt gestanden. Dies sei der Gruppe auch „mehr als bekannt“. „Immer wieder haben wir auf deren Anfragen, Kritik und Vorwürfe reagiert.“ Der Bistumssprecher erinnert daran, „dass das Bistum Essen seit seiner Gründung 1958 mehr als die Hälfte seiner Katholiken verloren hat.“ Dies habe Folgen, „mit denen sich viele Frauen und Männer konstruktiv und zukunftsgewandt seit Jahren auseinandersetzen.“ Lota: „Ziel muss es doch sein, auch in Zukunft lebendig Kirche zu sein und nicht tote Steine zu finanzieren.“