Mülheim. Nach dem Brand eines Firmenfahrzeugs auf einem Mülheimer Schulgrundstück ermittelt der Staatsschutz. Ist es eine Tat radikaler Klimaaktivisten?
Ein ausgebranntes Firmenfahrzeug auf dem Gelände der Mülheimer Luisenschule hat den Staatsschutz auf den Plan gerufen.
Zum Vorfall selbst, der sich in aller Herrgottsfrüh am Mittwochmorgen ereignet hat, hatte es zuvor keine öffentlichen Verlautbarungen seitens der Polizei oder der Feuerwehr gegeben. Am Freitag bestätigten die Behörden allerdings die Information dieser Redaktion, dass es weit vor dem Unterrichtsbeginn an Mülheims Gymnasium einen Fahrzeugbrand gegeben hat. Wie Feuerwehrsprecher Florian Lappe auf Nachfrage berichtete, ist die Feuerwehr an jenem Morgen gegen 5.49 Uhr alarmiert worden und zur Luisenschule ausgerückt.
Kleintransporter einer Firma stand an Mülheimer Schule in Flammen
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Dort stand ein Kleintransporter eines Unternehmens, mutmaßlich des Baukonzerns Strabag, in Flammen. Das Fahrzeug, das auf einem hinterrücks gelegenen Parkplatz der Schule abgestellt war, sei nicht mehr zu retten gewesen, so Lappe. Die Feuerwehr habe nur noch die letzten Glutnester löschen können.
Die Polizei nahm die Ermittlungen auf, mittlerweile habe der Staatsschutz den Fall übernommen, so Polizeisprecherin Sylvia Czapiewski. Grund dafür, die Ermittlungen unter die Federführung des Staatsschutzes zu stellen, ist demnach mindestens ein Internet-Beitrag auf der vom Verfassungsschutz beobachteten Plattform „Indymedia.org“. Die Verfassungsschützer werten „Indymedia“ als Medium mit linksextremistischen Inhalten.
„Lützerath ist überall! Strabag-Auto in Mülheim in Brand gesteckt!“
Eben hier ist ein minimaler Hinweis auf einen möglicherweise gezielt verübten Brandanschlag auf ein Fahrzeug des international agierenden österreichischen Baukonzerns Strabag zu finden. Nur knapp fünf Stunden nach dem Fahrzeugbrand an der Luisenschule postete auf dem Portal ein Anonymus: „Lützerath ist überall! Strabag-Auto in Mülheim a. d. Ruhr – Holthausen in Brand gesteckt!“ Kleiner Exkurs: Dass ein Fahrzeug der Strabag an der Luisenschule parkt, ist nicht außergewöhnlich: Der Baukonzern hat für die Stadt seinerzeit unter anderem die Luisenschule saniert und ist beständig vor Ort am Gymnasium, weil von der Stadt mit der technischen Betreuung der Schule beauftragt.
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Zurück zum brennenden Kleintransporter: Der Zeile im Betreff des Indymedia-Postings folgt im Beitrag kein einziges Detail zu dem Vorfall an der Luisenschule, sondern allgemein ein Beitrag dazu, dass Strabag „ein schmutziges Geschäft“ betreibe. Der Baukonzern kooperiere „intensiv mit dem Energiekonzern RWE an den Tagebauen im Rheinischen Braunkohlerevier, auch direkt bei Lützerath“.
Klimaaktivisten kündigen an: „Führen den Kampf gegen den Abbau dezentral weiter“
„Nun haben wir uns in die gegen Strabag laufende Aktionsreihe eingebracht und führen den Kampf gegen den Abbau der extrem klimaschädlichen Braunkohle dezentral weiter“, heißt es dort weiter. Lützerath sei überall und „überall kann sich vielfältig unser Widerstand entfalten“, Widerstand „gegen die tödliche Energiepolitik der Regierung in Bund und in NRW“. Lützerath sei verloren, aber der Kampf könne „nun mit neuem Feuer geführt werden. An jedem Ort!“, hieß es in dem Appell. Und weiter: „Wir haben mit unseren Formen und sehr einfachen Mitteln einen kleinen Beitrag geleistet und sehen uns in einer Reihe mit allen Kampfformen der antikapitalistischen Klimabewegung.“
Jenem Beitrag im Netz spürt der Staatsschutz nun nach. Polizeisprecherin Czapiewski betonte derweil, dass die Ermittlungen gleichwohl noch in alle Richtungen gingen. Auch fahrlässige Brandstiftung schließe ihre Behörde noch nicht aus.
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Für Sicherheitspolitiker war eine „anarchische Gruppierung“ in Mülheim am Werk
Der Strabag-Konzern ließ am Freitag Fragen der Redaktion auch zur Bedrohungslage zunächst unbeantwortet.
Aber im Bundestag kam der Mülheimer Vorfall am Freitag zur Sprache, als Mülheims SPD-Bundestagsabgeordneter und Sicherheitspolitiker Sebastian Fiedler nach dem Wochenende der Räumung in Lützerath mit Sorge auf „beunruhigende Entwicklungen beim Linksextremismus“ blickte. „Es gibt gewaltorientierte Linksextreme, die versuchen, Teile der Klimabewegung zu unterwandern und gewissermaßen als Nährboden für ihre verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu nutzen“, so sagte Fiedler da und erwähnte im weiteren Verlauf seiner Ausführungen explizit den Mülheimer Vorfall. Dabei legte sich der Sicherheitspolitiker fest, dass aus seiner Sicht an der Luisenschule „eine anarchische Gruppierung“ das Fahrzeug in Brand gesetzt habe. Den Internet-Post wertete Fiedler dabei als „Bekennerschreiben“, das explizit zu solchen Anschlägen aufrufe.
Fiedler (SPD): Versuche, „Klimaproteste in Richtung Gewalt zu radikalisieren“
Linksextremisten versuchen laut Fiedler, „Klimaproteste in Richtung Gewalt zu radikalisieren. Dabei kommt ihnen zu Gute, dass es in der Klimabewegung eine Erzählung gibt, die eine Ausweglosigkeit und den Untergang der Menschheit als wahrscheinliches Szenario so in den Mittelpunkt stellt, dass als einziger Ausweg eine Abkehr von der Demokratie erscheint“. Ebenso unterwegs sei auch die „Letzte Generation“. Dass dies keine Hirngespinste seien, zeige eben der mutmaßliche Brandanschlag in Mülheim.
Andere Engagierte der Klimabewegung forderte Fiedler auf, sich von Gewalttätern und Verfassungsfeinden zu distanzieren und einer Unterwanderung entgegenzuwirken. „Diese Radikalen erweisen der Klimabewegung einen Bärendienst“, sagte er und endete mit einem Zitat, das der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Udo di Fabio beim Neujahrsempfang des Bundesjustizministers so gesagt haben soll: „Wer Steine auf Polizisten wirft, wirft sie auf die Demokratie – und damit auf uns selbst.“