Mülheim. In seinem Buch setzt sich Geograf Karl Eckart mit der Vergangenheit und Zukunft der HRW in Mülheim und Bottrop auseinander. Was er vorhersagt.

Seit mehr als 13 Jahren darf sich Mülheim eine Hochschulstadt nennen. Nach einem holperigen Beginn mit langwieriger Standortsuche und provisorischer Unterbringung der Hochschule Ruhr West (HRW) in Containern konnte 2016 der Campus an der Duisburger Straße bezogen werden, wo derzeit rund 5000 Studierende in den MINT-Fächern sowie in Wirtschaft ausgebildet werden. In einer kürzlich erschienenen Publikation hat sich der Geograf Prof. Dr. Karl Eckart gemeinsam mit seinem Co-Autor Thorsten David der jungen Geschichte und der Aufgabe der HRW gewidmet.

Herr Prof. Eckart, was hat Sie dazu bewogen, ein 360 Seiten starkes Buch über die noch recht frische Hochschule zu schreiben?

Karl Eckart: Ich habe dieses Buch geschrieben, weil es mir ein Anliegen ist, die Bevölkerung zu informieren. Ich lebe in Bottrop und mir ist aufgefallen, dass die Hochschule dort in der Berichterstattung kaum vorkommt. Jeder, der sich für Schule und Ausbildung interessiert, sollte wissen, was die HRW überhaupt ist, was dort gelehrt und geforscht wird und was den Bürgern dort geboten wird.

Prof. Dr. Karl Eckart beleuchtet in seinem neusten Buch die junge Geschichte, aber auch die mögliche Zukunft der HRW.
Prof. Dr. Karl Eckart beleuchtet in seinem neusten Buch die junge Geschichte, aber auch die mögliche Zukunft der HRW. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Im Untertitel Ihres Buches bezeichnen Sie die HRW als „Beispiel eines neuen Hochschultyps“. Charakterisieren Sie bitte das Neuartige.

Die Fachhochschule Westliches Ruhrgebiet, wie sie anfänglich noch hieß, ist als regional verankerte und international agierende Bildungs- und Forschungseinrichtung der Angewandten Wissenschaften konzipiert worden. Dies hat es zuvor in dieser Ausdrücklichkeit nicht gegeben. Das Studienangebot hat sich dementsprechend in Abstimmung mit den ansässigen Unternehmen und Wissenseinrichtungen den Bedürfnissen der Region anzupassen, um so Arbeitskräfte in leitenden Funktionen im Raum zu halten. Des Weiteren ist die Förderung von Studierenden aus sogenannten bildungsfernen Familien neu und ausdrücklich von der Landesregierung NRW gewünscht. Dazu gehört natürlich auch die Integration von Flüchtlingen.

Inwieweit ist die Aufgabe, Arbeitskräfte für die heimische Wirtschaft bereitzustellen, gelungen?

Bei Befragungen hat man festgestellt, dass die Studierenden aus der engen Region kommen und auch im Nahraum nach ihrem Examen einen Arbeitsplatz finden. Es ist erreicht worden, was die Landesregierung durch die Gründung der Hochschule beabsichtigte, nämlich die jungen Leute aus dem Ruhrgebiet im Ruhrgebiet auszubilden und ihnen hier einen Arbeitsplatz anzubieten.

Was gab damals den Ausschlag, Mülheim als Standort für die HRW auszuwählen?

Bedingt durch die großen Unternehmen vor Ort war die Stadt bestens geeignet. Eine große Rolle spielte Heinz Lison als Präsident der Unternehmerverbandsgruppe Ruhr-Niederrhein mit seinem Einsatz für die Ansiedlung in Mülheim. Er war sofort zur Stelle, als der damalige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers 2007 die Gründung neuer Hochschulen bei einem Besuch im Mülheimer Siemens-Werk andeutete.

Wie kam Bottrop als zweiter Standort hinzu?

Die Landesregierung NRW zeigte schon früh Interesse an einer bipolaren Lösung bei der Standortfrage. Sehr schnell wurde klar, dass ein zweiter Standort gesucht werden musste. Von dieser Möglichkeit erfuhr die Stadt Bottrop und schloss sich kurzerhand mit Mülheim zusammen.

Die Ansiedlung der HRW sollte einen Beitrag zum Strukturwandel liefern. Hat sich das realisiert?

Schon die Errichtung der Hochschulgebäude in Bottrop und Mülheim bedeutete einen Strukturwandel im Stadtbild. An beiden Standorten hat es inzwischen schon Expansionen in die Fläche gegeben: In Mülheim ist da die Parkstadt zu nennen. Große räumliche Veränderungen kann man noch nicht erwarten, weil die HRW ja erst 13 Jahre besteht und sozusagen auf der grünen Wiese begonnen werden musste. Wirtschaftlich betrachtet werden seit einigen Jahren Ausgründungen aus der Hochschule vorgenommen. Längerfristig kann sich dadurch die unternehmerische Struktur verändern, wenn die jungen Ausgebildeten sich selbstständig machen, einen Betrieb aufbauen und weitere Beschäftigte einstellen können. Mit dem Programm „HRW-StartUps“ wird dies von Seiten der Hochschule gefördert.

Schauen wir in die Glaskugel. Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung der Hochschule?

Das Wachstum der HRW wird weiter fortschreiten. Bei der Neugründung ging man von insgesamt 2500 Studierenden an beiden Standorten aus - inzwischen sind es circa 6500. Ich wünsche mir, dass die Bemühungen, den Frauenanteil darunter zu erhöhen, fruchten werden. Die Zukunft sehe ich rosig, wenn nicht solche Einschläge von außen kommen wie durch die Corona-Pandemie.

>>> Zur Person

  • Karl Eckart wurde 1939 in Brakelsiek im Kreis Lippe geboren. Nach einer Schreinerlehre studierte er in Münster Geografie, Geologie, Physik und Pädagogik. Nach Promotion und Habilitation lehrte er ab Anfang der 1980er Jahre an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2004 Angewandte Geografie.
  • Als Autor hat er zahlreiche Publikationen verfasst, unter anderem Bücher zur Schulgeschichte in seinem Wohnort Bottrop.
  • Der Band über die HRW mit dem Titel „Die Hochschule Ruhr West (HRW) – University Of Applied Sciences“ ist beim Verlag Akadpress erhältlich.