Mülheim. Spätestens, als die Coronawelle im vergangenen Jahr abebbte, eröffneten neue Geschäfte und Lokale in Mülheim. Wir fragen: Wie läuft das Geschäft?
Corona war noch immer nicht überstanden, als im vergangenen Jahr mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs und der folgenden Preisexplosion neue Krisentreiber hinzukamen, die aufs Gemüt drücken und für Kaufzurückhaltung sorgen können. Doch trotz der schwierigen Wirtschaftslage haben Geschäftsleute in Mülheim wagemutig Läden oder Lokale eröffnet. Zeit für eine erste Bilanz.
Frische Brötchen und verlockender Kuchen – das gibt’s seit Mai vergangenen Jahres nun auch in Raadt. Im Neubau des Evangelischen Wohnstifts Raadt hatte im Frühjahr das Café Raadt an der Parsevalstraße eröffnet, mit dem Ansatz, zumindest einen Teil der mangelnden Infrastruktur in dem kleinen Stadtteil auf den Höhen der Stadt abzudecken. Der Start war alles andere als einfach, räumt Fabian Prehn ein, der das Café leitet: „Wir sind gestartet, als immer noch Corona war und durch den Krieg die Preise für Lebensmittel gestiegen sind. Da haben wir die Zurückhaltung der Leute schon gemerkt.“
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Peu à peu aber hätten Anwohner aus der Nachbarschaft, Besucher des Wohnstifts und Patienten der umliegenden Praxen das Angebot entdeckt. „Inzwischen haben wir uns etabliert und können einige Stammkunden begrüßen“, blickt Prehn zuversichtlich ins neue Jahr. Sollte das leerstehende ehemalige Telekom-Gebäude zur Flüchtlingsunterkunft werden, wie es das Land NRW erwägt, hätte der Café-Chef nichts dagegen – im Gegenteil: „Es könnte positiv für uns sein, wenn viele Leute kämen. Da kommen ja nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Beschäftigte“, blickt Prehn in die Zukunft und kündigt an, dass die Speisekarte noch etwas herzhafter werden soll und im Sommer vor dem Café eine Terrasse mit mehr Plätzen als bisher entstehen wird.
Dolce Vita an der Zeppelinstraße: Trattoria eröffnete in Holthausen
Etwas weiter Richtung Innenstadt ist ein neues Restaurant entstanden – oder vielmehr neu belebt worden: An der Zeppelinstraße serviert nun die Trattoria „Leon“, wo einst das „Paparazzi“ auftischte. Nachdem das Lokal mit dem großen, zur Straße liegenden Wintergarten mehrere Jahre geschlossen war, hat Inhaber Foued Ismail die Räume im Herbst aus dem Dornröschenschlaf geholt. Seitdem weht dort ein Hauch „Bella Italia“ mit Antipasti, Insalata, Pasta und Pizza, aber auch Fleisch- und Fischgerichten.
„Wir sind mit dem Start zufrieden“, fasst Foued Ismail die ersten Monate des Betriebs zusammen. Gerade um Weihnachten und Silvester sei das Lokal gut besucht gewesen. Aus den Reaktionen seiner Kundschaft hat der Gastronom erfahren, dass die Menschen im Viertel rund um die Zeppelinstraße froh seien, dass sie nun wieder ein Restaurant vorfinden.
Wie der neuer Wirt des Ratskellers in der Mülheimer Innenstadt gestartet ist
Weiter geht’s auch in der Innenstadt – beim altehrwürdigen Ratskeller: Dort hat Dennis Kleischmann im Frühling die gastronomische Leitung von Janet und Jörg Thon übernommen, die das traditionsreiche Restaurant nach beinahe 30 Jahren an ihren Mitarbeiter abgegeben haben. Blickt der 25-Jährige auf seine ersten Monate als Restaurantchef zurück, sagt er: „Die Leute geben überlegter ihr Geld aus angesichts der hohen Lebenshaltungskosten.“
Mit deutlichen Mehrkosten und schwankenden Lebensmittelpreisen kämpft auch der junge Gastronom, seit er den Ratskeller übernommen hat: „Kosteten fünf Kilo Tomaten kürzlich noch 14 Euro, liegen die jetzt schon bei 19 Euro. Der Preis für Rindfleisch hat sich verdoppelt – das kann ich nicht an die Kundschaft weitergeben.“ Die Folge: Dennis Kleischmann hat das Rinderfilet von der Karte genommen.
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Zudem hält Kleischmann sein Team an, Energie zu sparen, wo es nur geht: „Wir machen Quellen, die Strom fressen, etwa die Geräte in der Küche, so spät an wie möglich und früh wieder aus. Da läuft eine Fritteuse dann zum Beispiel nicht die ganze Zeit auf Volllast.“ Auf Eis legen musste der Gastronom seine Planung, den Dienstag als zweiten Ruhetag zu streichen und wieder an sechs Tagen in der Woche zu öffnen. „Das ist aufgrund von Personalmangel noch nicht drin.“
Gäste wissen Wiener Schmäh in der Mülheimer Altstadt zu schätzen
Österreichische Gemütlichkeit und Leckereien aus dem Nachbarland haben im vergangenen Sommer in der Mülheimer Altstadt Einzug gehalten. Andreas Rockenbauer hat an der Wertgasse das „Wiener Gasthaus“ eröffnet. Lässt der gebürtige Wiener sein erstes halbes Jahr in den Räumen des ehemaligen „Uerige Treffs“ Revue passieren, sagt er: „Es funktioniert gut, die Leute kommen wieder.“ Seine österreichischen Spezialitäten wie Kaasspatz’n, Kaiserschmarrn und – natürlich – Wiener Schnitzel kämen gut an, Zurückhaltung angesichts leerer Portemonnaies könne er bei seinen Gästen nicht erkennen: „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Leute am Essen sparen.“
Die gestiegenen Lebensmittelpreise habe er bei der Planung der Speisekarte längst einkalkuliert. Mit dem Umsatz sei er zufrieden, sagt Rockenbauer – „das erfüllt meine Prognosen“. Das Angebot auf der Karte sei noch überschaubar, aber ausbaufähig, kündigt der Wirt an, sobald das Team aufgestockt sei. Auch im Wiener Gasthaus würde man sich über weiteres Personal freuen.
Mülheimerin beweist Mut zu extravaganter Mode und zum Standort Schloßstraße
„Mit einem wunderbaren Gefühl in die Winterpause“ gegangen ist das Team des Eiscafés Bonetto, das im vergangenen Frühjahr an der Paul-Kosmalla-Straße unweit des Heißener Kreisverkehrs seine Türen geöffnet hatte. Die erste Saison scheint für die Betreiber der Eisdiele im ehemaligen Ladenlokal von Zweirad Spree mehr als zufriedenstellend gelaufen zu sein, auf ihrer Facebookseite bedanken sie sich „von ganzem Herzen, dass das Eiscafé so gut angenommen wurde und wir so viele liebe Menschen kennenlernen durften“.
Einige Stammkunden gewonnen hat bereits auch die Boutique „OMG!!“, die im Spätherbst auf der Schloßstraße eröffnet hat. Inhaberin Tina Luthra war mit einem ehernen Ziel an den Start gegangen: „Ich wünsche mir, dass die Damen, die hier einkaufen, das OMG-Gefühl kriegen – dieses Gefühl von ,Oh mein Gott – ich fühle mich toll’.“
Der Zulauf gebe ihr recht, dass Mülheimerinnen genau darauf Lust haben und die extravagante Mode, die flippigen Accessoires sowie das Angebot an kreativen Dekorations-Artikel zu schätzen wissen, wenngleich die Geschäftsfrau einräumt: „Jetzt, wo es im Forum kaum noch was gibt, ist auf der Schloßstraße noch weniger Laufkundschaft unterwegs. Aber dass Mülheim ein schwieriges Pflaster ist, haben wir vorher gewusst. Die Leute kommen ja nicht auf die Idee, dass man auf einmal in der Stadtmitte gut shoppen kann.“ Dass ihre Boutique einen Grund dafür liefern kann, davon ist Tina Luthra überzeugt: „Unserem Mülheim hat so etwas gefehlt.“
Plötzlich standen Planschbecken an Mülheimer Straßenecken
Für überraschte Blicke sorgten Anfang September vergangenen Jahres Dutzende blaue Planschbecken mit gelben Quietscheenten, die plötzlich an Straßenkreuzungen und auf Bürgersteigen im Stadtgebiet standen. Über Nacht waren die kleinen Pools, die eigentlich Kindern im Garten Abkühlung und Spielspaß liefern, an belebten Punkten aufgetaucht.
Auf diese außergewöhnliche Art und beinahe unübersehbar hatte das belgische Sanitärunternehmen X2O für die Eröffnung seines ersten Showrooms in Deutschland geworben, der seit Herbst in der ehemaligen Filiale des Modemarktes Adler am Heifeskamp sitzt. Die neue Adresse habe sich bereits ausgezahlt, resümiert Vivien Lehmann, Marketing-Koordinatorin von X2O: „Durch die Lage direkt an der Autobahn haben wir auch Kunden aus Duisburg, Oberhausen und Essen.“ Die Kundenfrequenz habe das belgische Unternehmen darin bestätigt, nach Deutschland zu expandieren. In diesem Jahr soll eine weitere Filiale in NRW eröffnet werden, kündigt Vivien Lehmann an – der Mülheimer Showroom habe für einen guten Einstand gesorgt.