Mülheim. . Die Mülheimer Friedrich-Wilhelms-Hütte steckt in der Krise und plant einen Abbau von 170 Stellen sowie Lohneinbußen für die verbleibende Belegschaft.

Die Mülheimer Friedrich-Wilhelms-Hütte sieht in der fortwährenden wirtschaftlichen Krise keine Chance zur Kehrtwende: Im 205. Jahr des Bestehens plant die Geschäftsführung einen Abbau von 170 Stellen, fast ein Drittel der Belegschaft wäre betroffen. Darüber hinaus sollen sich verbliebene Mitarbeiter auf Jahre mit einem Lohnverzicht zufriedengeben.

Diese konkreten Planungen, die noch in diesem Jahr umgesetzt werden sollen, präsentierte die Geschäftsführung am Dienstagmittag in einer Mitarbeiterversammlung. Demnach sollen 146 Facharbeiter aus dem Stahlguss, der mangels Aufträgen bereits seit Mai vergangenen Jahres Kurzarbeit fährt, die Hütte verlassen. Zusätzlich sollen 21 Bürojobs wegfallen. Mit dem Betriebsrat und der IG Metall will der Arbeitgeber über einen Haustarifvertrag für 400 verbleibende Mitarbeiter in Eisen- und Stahlguss verhandeln. Die Geschäftsführung fordert unter anderem eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 39,5 Stunden, den Verzicht auf übertarifliche, aber auch tarifliche Lohnbestandteile. Ein erster Austausch von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ist nach Informationen dieser Zeitung bereits für den kommenden Montag in Vorbereitung. Die Geschäftsführung strebt eine zügige Lösung an.

Vierbaum: Keine Alternative zum radikalen Schnitt

Mark Vierbaum, Geschäftsführer für Technik und Vertrieb bei der Hütte, sieht keine Alternative zu einem solch radikalen Schnitt. Der Stahlguss kämpfe mit „einem extremen Abschwung“ in der Ausrüstung der Öl- und Gasförderung, im Schienenfahrzeugbau und im Bergbausektor. Seit 2011 sei die Stahlguss-Produktion in Europa um mehr als ein Drittel gesunken. Der Preisdruck sei auch durch Billigkonkurrenz aus Polen, Spanien, Tschechien und der Türkei enorm. Für 2016 erwartet die Geschäftsführung, dass der Stahlguss in die roten Zahlen rutscht.

Die schreibt der Eisenguss in schwerem Marktumfeld nun schon seit fünf Jahren. Er hat sich laut Vierbaum zuletzt im Vergleich zur Branche aber gut geschlagen und an Umsatz zugelegt. So soll die Mannschaftsstärke im Eisenguss nahezu komplett erhalten bleiben. Allerdings sollen auch hier Stellen verloren gehen bei der Zusammenführung von bislang autark operierenden Abteilungen von Stahl- und Eisenguss. Geplant sind ein gemeinsames Auftragszentrum und eine Verschmelzung von Qualitätsstellen und Modellbaubetrieben.

„Das ist schon eine brutale Form die da dargeboten wird.“ So reagierte gestern Mülheims IG-Metall-Chef Volker Becker-Nühlen auf die Ankündigung der Friedrich-Wilhelms-Hütte, 170 Stellen streichen und für die verbleibende Belegschaft einen Haustarifvertrag mit gravierenden Einschnitten aushandeln zu wollen.

IG Metall und Betriebsrat müssen schnell eine Position finden

Becker-Nühlen war am Dienstagmittag als Gast zur Mitarbeiterversammlung geladen worden. Erstmals erfuhr auch er, wie radikal der Schnitt sein soll. „Wir müssen nun erst einmal eine Position der Arbeitnehmerseite dazu entwickeln“, sagte Becker-Nühlen am Abend im Gespräch mit dieser Zeitung. Viel Zeit bleibt nicht, schon am Montag soll der erste Austausch mit dem Arbeitgeberverband und der Hütten-Geschäftsführung stattfinden. Auch betont Becker-Nühlen, dass „in der Tat eine ernste Situation im Betrieb“ vorherrsche. Anderswo bangen Gießereien schon um ihre Existenz. „Der Dramatik muss man sich stellen“, sagt der Gewerkschafter. Gleichwohl gelte es, alles zu tun, um Beschäftigung im Betrieb zu halten und in den anstehenden Verhandlungen das Bestmögliche für die Belegschaft zu erreichen.

Hütten-Geschäftsführer Mark Vierbaum drückt den Existenzkampf am Markt so aus: „Es wird eine Konsolidierung unter deutschen und europäischen Großgießereien geben müssen.“ Gleichwohl ist er von einer Zukunft der Hütte, wenn auch in der Produktion deutlich gedrosselt, überzeugt: „Diejenigen, die herausragende Leistungen bieten können, und dazu zählen wir mit unseren weltweiten Standards, werden mindestens auf kleinerem Niveau weiter existieren können.“ Die Hütte will ihre Mannschaft im Stahlguss nun um 146 auf dann nur noch 159 Mitarbeiter reduzieren – das wäre ein Einschnitt wie lange nicht mehr. Vierbaum legt aber Wert auf die Feststellung, dass „hier keiner überreagiert“. Die strukturelle Anpassung jetzt sei alternativlos, um den Fortbestand zu sichern.

Geschäftsführer: Für Sozialplan ist das Budget angespannt

Den Stellenabbau, sagt Vierbaum, gelte es über beide Gesellschaften, also Eisenguss inbegriffen, zu organisieren. Heißt: Ein Sozialplan soll für die Mitarbeiter des gesamten Standortes her. Die Geschäftsführung habe das Ziel, betroffenen Mitarbeitern „ein faires Angebot“ zu machen. Allerdings sei „das Budget innerhalb der Guss-Gruppe angespannt“.

Auch in anderen Mülheimer Großbetrieben ist die Sorge um Arbeitsplatzabbau bekanntlich groß. Die Streichung von mehreren Hundert Arbeitsplätzen hält etwa Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann in einem aktuellen Interview der Braunschweiger Zeitung für unausweichlich. Betroffen sei auch das Mülheimer Werk von Mannesmann Grobblech. 200 Stellen stehen dort nach Angaben des Betriebsrates zur Disposition.