Mülheim. Eine umfangreiche Neuordnung des Mülheimer ÖPNV ab kommenden Sommer ist fix. Worüber es im Rat der Stadt dennoch Unstimmigkeiten gab.

Als Timo Spors noch einmal final die Vorteile des neuen Mülheimer Nahverkehrsplans aufzählte, bekam seine vorbereitete Rede phasenweise beinahe den Charakter einer Regierungserklärung. Der 24-Jährige von den Grünen gehörte seit Beginn an zu den ersten Befürwortern der kompletten Neuordnung des hiesigen ÖPNV, die am Donnerstag mit Stimmen von CDU, Grünen und AfD beschlossen wurde. Die SPD enthielt sich, die FDP, die MBI, die Partei und die beiden fraktionslosen Stadtverordneten stimmten dagegen.

„Die Quadratur des Kreises kann möglich sein“, wählte der Mathematikstudent Spors in seiner vorbereiteten Rede ein Phänomen aus der Geometrie. Seiner Meinung nach bringe der Nahverkehrsplan „viele Verbesserungen für die Fahrgäste mit sich“ und sei darüber hinaus ein Einstieg in die Verkehrswende.

Worin CDU und Grüne die Vorteile des neuen Mülheimer ÖPNV sehen

Spors sparte dann auch nicht an Beispielen des künftigen Nahverkehrs: Ein Siebeneinhalb-Minuten-Takt zwischen Saarn und Innenstadt in den Morgenstunden, ein Shuttlebus über die Nordbrücke zwischen City und Hafen, Taktverbesserungen im Speldorfer Südwesten und Dümptener Norden, ein stadtteilübergreifendes Ringbussystem über die Linien 129 und 139, spürbar bessere Anbindungen des Rumbachtals und der Heimaterde, eine Direktverbindung von Raadt an die Innenstadt, eine bessere Anbindung Selbecks an Saarn über die 753 oder die Verbindung Mintards mit Kettwig.

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Prominentestes Opfer des neuen Nahverkehrsplans bleibt freilich der sogenannte Kahlenberg-Ast der Bahnlinie 104. Für Siegfried Rauhut, den mobilitätspolitischen Sprecher der CDU, liege aber trotzdem ein „solider, in sich stimmiger Netzplan vor“. Er sieht die stärkere Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger, die größere Nachfrageorientierung, die bedarfsgenaueren Taktzeiten, die signifikante Reduzierung der Parallelverkehre und Leerfahrten sowie die Stärkung des Schienenverkehrs durch Busse als Zubringer als die großen Pluspunkte des Nahverkehrsplans an.

Unsere vorherige Berichterstattung zum Nahverkehrsplan:

Daher ließen die beiden Fraktionsparteien auch keinen Zweifel daran, in der letzten Ratssitzung des Jahres die finale Entscheidung treffen zu wollen, nachdem die SPD zunächst um eine weitere Aufschiebung bemüht war. Die letzte Fassung mit „substanziellen Änderungen“ sei den Parteien erst 48 Stunden vor der Ratssitzung zugegangen, bemängelte Daniel Mühlenfeld.

War die Begeisterung über den neuen Nahverkehrsplan anzumerken: Timo Spors von den Mülheimer Grünen.
War die Begeisterung über den neuen Nahverkehrsplan anzumerken: Timo Spors von den Mülheimer Grünen. © WAZ | Dennis Vollmer

Beispielsweise lagen die lange geforderten Liniensteckbriefe – anders als noch im Mobilitätsausschuss zwei Wochen zuvor angekündigt – nun doch vor. Zudem seien einige von den Sozialdemokraten gestellten Fragen zum Teil seit Wochen nicht beantwortet worden.

Kämmerer und Schwarz-Grün drängten auf eine Entscheidung

Stadtkämmerer Frank Mendack drängte hingegen auf eine Entscheidung, weil seiner Meinung nach ansonsten die aufgestellten Haushaltsziele verpasst würden. „Laut unseren Informationen ist die Ruhrbahn gar nicht in der Lage, die Umsetzungen bis zur Fahrplanänderungen im Sommer zu gewährleisten“, entgegnete Mühlenfeld.

„Es gibt wenig Themen, die länger und intensiver diskutiert worden sind, es gab also für viele Punkte reichlich Raum zu diskutieren und hinreichend Gelegenheit dazu, sich eine Meinung zu bilden“, entgegnete Grünen-Fraktionschef Tim Giesbert. Als Reaktion zogen seine Partei und die CDU einen zunächst für wesentlich später geplanten Begleitantrag vor.

Welche Punkte CDU und Grüne auf den letzten Metern noch ergänzten

„Auf den letzten Metern wollen wir aus einem guten Plan einen noch besseren machen“, begründete Rauhut diese 13 Punkte umfassende Einbringung von Schwarz-Grün. So soll etwa die neue Linie M2 in Speldorf bis zur Hochfelder Straße oder Richtung des Speldorfer Betriebshofs verlängert werden. Auf der Linien 139 soll eine Haltestelle „Ruhrstrand“ eingerichtet und mit der Stadt Essen über eine Verlängerung des 134ers zum S-Bahnhof Kettwig verhandelt werden.

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Verlängerungen im Nachtnetz sind ebenso Teil des Begleitantrages wie die Einrichtung einer Mobilstation am Evangelischen Krankenhaus und die Anbindung der geplanten Parkstadt ans ÖPNV-Netz – gegebenenfalls sogar per Schienenanbindung.

Schwarz-Grün lehnt Einzelabstimmungen über den Begleitantrag ab

Für Unstimmigkeiten im Rat sorgte die Tatsache, dass die CDU und Grüne ihre 13 Antragspunkte nur en bloc abgestimmt wissen wollten. Damit bekam die Opposition keine Gelegenheit, gegen einzelne Ideen zu argumentieren – oder ihnen gar zuzustimmen, denn für den ein oder anderen Punkt erhob die SPD einen Urheberrechtsanspruch. „Es ist immer erstaunlich, wenn Parteien Angst davor haben, ihre Anliegen einzeln durchzudrücken“, meinte FDP-Chef Peter Beitz.

Die Liberalen lehnten den Nahverkehrsplan ebenso ab wie Cevat Bicici für „Wir aus Mülheim“. Mit dem vorgelegten Angebot werde man „keinen Autofahrer dazu bringen, auf sein Auto zu verzichten“, so Bicici.

SPD-Anträge abgelehnt – Mülheimer Sozialdemokraten enthalten sich

Die Enthaltung der SPD hatte am Ende – wie Daniel Mühlenfeld offenbarte – eher formale als inhaltliche Gründe. „Wir hätten uns punktuell über weitere Verbesserungen gefreut“, sagte Mühlenfeld, doch sämtliche ergänzenden Anträge der Sozialdemokraten wurden abgelehnt.

Timo Spors dachte da bereits an den nächsten Nahverkehrsplan, „der uns alle früher als viele denken, erwarten wird“. Schon im neuen Jahr werde sich die Koalition mit der Aktualisierung des Klimaschutzkonzeptes beschäftigen und darin auch beziffern, welchen Beitrag der ÖPNV dazu leisten muss.