Mülheim. Licht aus im beliebten Livemusik-Keller: Der Hopfen-Sack-Wirt hat dem Mülheimer Jazzclub gekündigt. Endgültig, sagt er. Der Verein hofft noch.
Der Mülheimer Jazzclub organisiert an diesem Samstag ein großes Konzert. Die Dutch Swing College Band ist zu Gast, sie spielt im Restaurant Caruso in der Stadthalle. „Das wird bestimmt ein toller Abend“, frohlockt der Club auf seiner Facebook-Seite. In die Vorfreude mischen sich bei langjährigen Vereinsmitgliedern aber auch Frust und Trauer.
Seit März 2020 gab es keine Veranstaltung mehr im Hopfen-Sack-Keller, dem angestammten Domizil des Clubs, dem Wohnzimmer der traditionellen Mülheimer Jazzszene. Erst zwang Corona zur Pause, nun finden die Musikfans und der Betreiber des Hopfen-Sack keinen gemeinsamen Nenner mehr. Beide Seiten nennen diese Entwicklung „traurig“. Doch nach einem Jazz-Comeback sieht es an der Kalkstraße momentan nicht aus.
Mülheimer Jazzclub darf den Hopfen-Sack-Keller nicht mehr bespielen
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Dabei steht der Kellerraum, in dem über viele Jahre freitags Livemusik stattfand, weiterhin komplett eingerichtet zur Verfügung - mit Technik, Bühne, den dicht gehängten Plakaten und Bildern an den Wänden. „Alles ist noch drin“, sagt Manfred Mons, erster Vorsitzender des Mülheimer Jazzclubs. „Wir könnten sofort weitermachen.“
Sogar den Schlüssel zum Keller hätten sie noch. Dabei wurde nach Ansicht von Hamid Delic, Pächter des Hotels und Restaurants Hopfen-Sack, der Vertrag mit dem Jazzclub zum 31. Dezember 2021 durch ihn schriftlich gekündigt. Mons bestreitet, dass das Schreiben vom 18. Oktober 2021 die formellen Anforderungen an eine Kündigung erfüllt, zumal diese nur mit sechsmonatiger Frist ausgesprochen werden könnte. Der Wirt habe lediglich erklärt, dass er die Zusammenarbeit beenden wolle. Bislang, so Mons weiter, habe sich der Jazzclub laut Vertrag mit monatlich 400 Euro an den Kosten beteiligt - ausgenommen die Sommerferien.
Verein: Gastronom hat gekündigt und möchte deutlich mehr Geld
Nun habe Hamid Delic seine finanziellen Forderungen nach der Coronapause deutlich erhöht: „Er wollte erheblich mehr Geld haben, was wir als Verein aber nicht bedienen können.“ Mehrfache Einigungsversuche seien bislang erfolglos geblieben. Warum der Gastronom die Jazzer vor die Tür setzen wolle, könne er nicht verstehen, so Mons: „Wenn an jedem Freitag ein Club mit 70, 80 Leuten kommt, müsste doch jeder Wirt darüber jubeln.“
Im Jahr 2019 sind laut Statistik des Mülheimer Jazzclubs zu jeder Veranstaltung im Schnitt 75 Besucher und Besucherinnen gekommen. Gäste, die trinken, teilweise essen. Nicht selten hätten auch auswärtige Musiker Hotelzimmer im Hopfen-Sack gebucht. „Wenn ein Gastronom daraus nichts machen kann, ist das traurig.“
Der Mülheimer Jazzclub, 1989 gegründet, war anfangs einige Jahre im Schifferhaus ansässig, seit 1994 aber durchgehend im Hopfen-Sack, der zunächst von Familie Riese betrieben wurde, der die Immobilie auch gehört. Seit 2011 hat Hamid Delic den Hopfen-Sack gepachtet, er führt Hotel und Restaurant mit Unterstützung seiner Ehefrau und seines Sohnes.
Der Jazzclub bedauere die Entscheidung von Hamid Delic sehr. „Wir waren dort immer absolut zufrieden“, sagt Manfred Mons, auch die Küche sei sehr gut, die Preise seien in Ordnung. Rund 1300 Konzerte hat der Mülheimer Jazzclub seit seiner Gründung organisiert, mehr als tausend Veranstaltungen gab es allein im Hopfen-Sack, schätzt der Vereinsvorsitzende. „Dieser schöne Keller ist weit über Deutschland hinaus bekannt.“
Hopfen-Sack-Wirt: „Für uns lohnt es sich nicht“
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Gastronom Hamid Delic ist seinerseits hörbar verärgert über den Jazzclub-Vorstand: „Diese Leute verbreiten schlechte Nachrichten“, sagt er. Schließungsgerüchte, die einige Vereinsmitglieder aktuell streuen, weist er zum jetzigen Zeitpunkt zurück. Überall sei es in seiner Branche gerade schwierig. Doch im Hopfen-Sack bleibe vorerst alles, wie es ist, so der Pächter. Darüber hinaus widerspricht er dem Argument von Manfred Mons, der Jazzclub beschere ihm regelmäßig zahlreiche Gäste und gute Umsätze. „Wenn 60, 70 Leute kommen, müssen sie auch verzehren und können nicht den ganzen Abend bei einer Flasche Wasser sitzen. Für uns lohnt es sich so überhaupt nicht. Die Unkosten sind zu hoch.“
Dem Jazzclub habe er Angebote gemacht, etwa, den Keller für 1500 Euro pro Konzertabend zu mieten und die Bewirtung selber zu organisieren. Er kenne die Clubmitglieder und viele Stammgäste seit nunmehr elf Jahren. Dass er habe kündigen müssen, mache ihn „sehr traurig“. Aber die Entscheidung sei endgültig - „da gibt es keine Chance mehr“.
Eigentümer verweist auf gültigen Pachtvertrag und hält sich aus dem Streit heraus
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Eigentümer des Gebäudes ist weiterhin Familie Riese, genauer: deren Familienunternehmen Aspera Brauerei. Inhaber Jens Christoph Riese bedauert den Streit um den Jazzclub, möchte ihn aber nicht kommentieren, für keine der beiden Seiten Partei ergreifen. Riese erklärt nur: „Wir haben einen gültigen Pachtvertrag mit Herrn Delic, und der wird erfüllt.“ Laufzeit? Dazu wolle er sich nicht äußern.
Jazzkonzerte an wechselnden Orten in Mülheim
Die vergangenen Jahre haben auch dem Mülheimer Jazzclub zugesetzt, der seit 1989 besteht. Altersbedingt sei die Mitgliederzahl von ehemals rund 400 auf nun etwa 360 Personen gesunken, so der erste Vorsitzende Manfred Mons.
Nach mehr als zweieinhalbjähriger Corona-Zwangspause ist der Jazzclub Ende Oktober wieder mit Livekonzerten gestartet - an verschiedenen Orten, weil der Hopfen-Sack nicht mehr zur Verfügung steht.
Gespielt wurde am 27. Oktober im Haus Dimbeck und am 4. November in der „Verein Bar“ des SV Raadt. Ein drittes Konzert folgt am 3.12. im „Caruso“ in der Stadthalle Mülheim.
Das Tischtuch scheint also zerschnitten. Der Mülheimer Jazzclub schaue sich nach einer anderen festen Bleibe um, sagt Manfred Mons, gesteht aber auch, dass sie am allerliebsten in den alten Keller zurückkehren würden. „Für mich ist die Sache noch nicht abgehakt.“ Als alternative Location für Jazzveranstaltungen könnte er sich ansonsten die neue Luftschiffhalle gut vorstellen. Auf dem Flughafen Essen-Mülheim hat der Mülheimer Jazzclub auch sein 30-jähriges Bestehen gefeiert - im Juni 2019. Das waren, im Rückblick, noch sorglose Zeiten.