Mülheim. Im Naturbad Mülheim ist die Saison vorbei, und der wichtigste Mann kündigt. Die Betreiber sagen: „Für uns ist das dramatisch.“ So geht es weiter.
Die Sommersaison 2022 war nicht sensationell für das Naturbad Styrum, aber sie war recht gut. Knapp über 50.000 Badegäste haben die zahlreichen sonnigen, heißen Tage dort verbracht. Das ist ein Vielfaches mehr als im Katastrophen-Jahr 2021, doch deutlich weniger als 2018, dessen Rekord von nahezu 93.000 Besuchern immer noch herausragt. Damals gab es noch nicht die Personalengpässe, die jüngst das Fassungsvermögen des beliebten Schwimmbads limitierten.
Nun steht das Naturbad vor einer Zäsur. Denn dies war definitiv die letzte Saison mit Dustin Radde als Leiter. Nach zehn Jahren kündigt er, steigt er vom Turm, und obwohl er immer noch keine 30 ist, endet tatsächlich eine Ära. Radde sieht das genauso: „Mein Herz blutet etwas“, sagt er, „das kann ich nicht leugnen. Aber ich stehe in der Übergangszeit weiter als Ansprechpartner zur Verfügung.“
Naturbad Mülheim „aus der Krise herausgefahren“
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Für die Pia-Stiftung, die das Naturbad seit 2012 betreibt, ist Raddes Weggang ein schwerer Verlust. „Für uns ist das dramatisch“, sagt Vorstand Frank Schellberg. Doch er versteht, dass ein 29-Jähriger neue berufliche Herausforderungen sucht. Vor allem sei er Dustin Radde dankbar, „sehr dankbar, dass er das Bad aus der Krise herausgefahren und Wege gefunden hat, es vernünftig zu betreiben“. Er spricht von einer „zehnjährigen Lebensaufgabe“, die der junge Mann hier geleistet habe und nun hinter sich lässt.
Denn der Betrieb des Naturbades, dessen Wasser mit Hilfe von Schilfpflanzen in separaten Becken gereinigt wird, ist mit der Arbeit in einem normalen Schwimmbad kaum zu vergleichen. „Viele Dinge sind wesentlich anstrengender“, erklärt Frank Schellberg. Auch Dustin Radde, damals 19, der seine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann frisch beendet hatte, musste langsam hineinwachsen, vieles ausprobieren, Rückschläge verkraften, nächtlichem Vandalismus die Stirn bieten. Häufig hat er im Wohnwagen übernachtet, der auf dem Gelände steht, nicht zuletzt, um Eindringlinge abzuschrecken.
Dabei wirkt er wie jemand, der auch in konfrontativen, heiklen Situationen stets die Ruhe behält. Etwa im Juli 2021, als das Ruhr-Hochwasser das Naturbad akut bedrohte und Schäden anrichtete. Auch dies ist bezeichnend für das Styrumer Freibad: Es kommt ohne Trillerpfeifen am Beckenrand und ohne Sicherheitsleute am Kassenhäuschen aus. Das Team schreitet frühzeitig ein, ehe Dinge eskalieren.
Nachhaltiges Bad wurde zum Erkennungszeichen für Mülheim
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Radde sei es auch zu verdanken, dass die gesamte Naturbad-Mannschaft wie eine Familie zusammengewachsen sei: Alle packen mit an, jeder identifiziert sich mit dem Bad. „Inzwischen ist das Naturbad über die Stadtgrenzen hinaus ein Erkennungszeichen für Mülheim geworden“, meint Frank Schellberg. „Und als nachhaltiges Bad passt es in diese Zeit.“ Die Stimmen, die das frühere Chlorbad zurückfordern, seien leiser und weniger geworden. „Einige wird man nie überzeugen können.“
Dustin Radde gibt den Dank zurück, spricht von einer „sehr spannenden Zeit“, dankt seinem Arbeitgeber für die Rückendeckung, die er stets gespürt habe, lobt sein „unfassbar tolles Team“. Er lässt zugleich durchblicken, dass die vergangenen beiden Jahre, bedingt auch durch Corona, besonders fordernd waren. Bis Ende Februar 2023 bleibt er im Naturbad noch tätig. Und dann? „Erst mal Urlaub.“ Eine neue Beschäftigung habe er noch nicht, allenfalls erste Ideen.
Gesucht wird jemand mit „Leidenschaft“ fürs Naturbad
Die Pia-Stiftung sucht jetzt einen Fachangestellten, eine Fachangestellte für Bäderbetriebe. Die Person müsse nicht zwingend die Leitung des Naturbads übernehmen, erklärt Pia-Vorstand Frank Schellberg, sondern könnte sich auch auf die Aufsicht konzentrieren. Zwei langjährige Mitarbeiter seien vorbereitet, den technischen Betrieb des Bades weiterzuführen. Eine Voraussetzung jedoch müsse der oder die Neue erfüllen: „Es muss jemand sein, der Lust hat auf das Naturbad, der mit Leidenschaft dran geht.“