Mülheim. . Die Saison geht zu Ende: Fast 93 000 Besucher kamen ins Styrumer Naturbad. Interview mit Betriebsleiter Dustin Radde über den heißen Sommer.
Seit gut sechs Jahren leitet Dustin Radde das Naturbad in Styrum, aber so einen Sommer hat er dort noch nicht erlebt. Fast 93 000 Besucher stehen in der Bilanz. Nun sind die letzten Freibadtage für 2018 angebrochen, der gelernte Sport- und Fitness-Kaufmann, ein ausgebildeter Rettungsschwimmer, kann endlich selber an Urlaub denken.
Freuen Sie sich, dass der arbeitsreiche Sommer jetzt zu Ende ist?
Ja und nein. Es war für uns eine anstrengende Saison. Seit wir das Bad betreiben, haben wir so einen Sommer noch nicht erlebt. Andererseits sind wir froh, dass alles gut gegangen ist, alle hier heil rausgekommen sind.
Mussten Sie und Ihre Kollegen oft ins Wasser springen?
Neun Mal mussten wir eingreifen und Leute vor dem Ertrinken retten. Es ist erschreckend, wie viele Nichtschwimmer sich ins Schwimmerbecken trauen. Auch die Eltern passen oft nicht auf.
Nichtschwimmer springen vom Siebeneinhalber
In anderen Bädern passiert es sogar, dass Nichtschwimmer vom Sprungturm hüpfen. Haben Sie so etwas auch schon erlebt?
Ja, hier ist sogar mal jemand vom Siebeneinhalber gesprungen, der gar nicht schwimmen konnte. Aber wenn alle Freunde dabei stehen, will man sich keine Blöße geben. Viele Leute überschätzen sich auch, es kommt vor, dass Elf- oder Zwölfjährige es nur bis zur Mitte des Beckens schaffen.
Häufig hört man, dass immer weniger Kinder und Jugendliche schwimmen können. Wie sehen Sie das?
Ja, die Tendenz geht immer weiter nach unten, leider Gottes. Seit 2012 arbeite ich hier und kann das beobachten. Zum Teil sind auch Kinder, die Seepferdchen haben, nicht in der Lage, eine Bahn zu schwimmen.
Vorne am Kassenhäuschen steht ein Schild: „Das Mitführen von Shishas ist aufgrund des zu hohen Verletzungsrisikos nicht gestattet“. Das war im Sommer 2017 noch anders.
Ja, wir haben es früher toleriert, aber es ist einiges passiert. Zum Beispiel sind Kinder in Kohlen getreten. Daher haben wir uns entschlossen, Shishas zu verbieten, und sind gut damit gefahren.
Wasserpfeifen sind seit diesem Jahr verboten
Ohne große Kämpfe mit Wasserpfeifen-Fans?
Anfangs haben Leute versucht, die Sachen heimlich mitzubringen, aber wenn sie nicht einsichtig waren, mussten sie im Zweifel auch das Gelände verlassen. Ausnahmen haben wir nicht geduldet, und dabei werden wir auch bleiben.
Gibt es Personen, die im Naturbad Hausverbot haben?
Ja, das kommt vor, wenn wir Leute immer wieder auf das Gleiche hinweisen müssen. Zum Beispiel, dass man an bestimmten Stellen nicht ins Wasser springen darf. Meist sind es Tagesverweise. Die Liste derjenigen, die dauerhaft draußen bleiben müssen, ist kurz. Und den meisten geben wir die Chance, sich im nächsten Jahr erneut zu beweisen.
Gab es in diesem Sommer Tage, an denen sie wegen Überfüllung die Kasse schließen mussten?
Nein. Wir hatten an einigen Tagen zwar weit über 4000 Badegäste, sogar 5000 waren mal da, aber die Grenze liegt bei 6000 Besuchern. Dann ist es für alle Beteiligten tatsächlich nicht mehr schön.
„Die Stimmung im Bad war wirklich gut“
Was war denn besonders schön in dieser Saison?
Dass unterm Strich alles glatt gelaufen ist. Die Stimmung im Bad war wirklich gut.
Wie warm war das Wasser an den heißesten Tagen?
Knapp über 26 Grad. Da haben wir dann alle Kanäle geöffnet, um Frischwasser zuzuführen. Alles, was über 27, 28 Grad geht, ist kritisch, denn dann vermehren sich die Algen extrem schnell. Ende Juli mussten wir ja für einige Tage schließen, weil der Verdacht bestand, dass die Werte nicht stimmen. Was zum Glück nicht so war.
Jedes Schwimmbad hat ja Sammelkisten, für all die Dinge, die Leute vergessen. Was machen Sie mit den Fundsachen, wenn das Freibad Ende September schließt?
Der Großteil der Sachen wird abgeholt. Den Rest spenden oder entsorgen wir. Was wertvoll ist, kommt ins Fundbüro. Und die Handtücher geben wir an eine Stiftung, die sich um hilflose Igel kümmert.
Skurriles Fundstück: ein Gebiss im Sprungbecken
Haben Sie auch schon kuriose Dinge im Freibad gefunden?
Ja, zum Beispiel Brillen mit erheblicher Stärke, so dass man sich fragt, wie die Besitzer nach Hause gefunden haben. Und einmal haben wir im Sprungbecken ein Gebiss entdeckt, das war ganz lustig.
Das Bad schließt am 30. September. Was machen Sie im Oktober?
Sicher ein paar Tage Urlaub. Wohin, weiß ich noch nicht. Dahin, wo es warm ist. Aber hier im Naturbad gibt es das ganze Jahr etwas zu tun. Wir reinigen die Becken, bis der erste Frost kommt. Nach der Saison müssen auch die Schilfbecken gerodet werden, da wird jede Hand gebraucht. Und Ende Januar beginnt schon wieder die Vorbereitung auf die nächste Saison.
Wird das Aufpassen am Beckenrand nicht manchmal langweilig, wenn wenig Besucher da sind?
Nein, die Routine bleibt bestehen, die Aufgabe ist die selbe, ganz egal, ob hundert Leute schwimmen oder nur einer.
>> DIE FREIBAD-SAISON IN ZAHLEN
Mit fast 93 000 Gästen, darunter etwa 12 000 Besucher des Ruhr Reggae Summer, kann das Naturbad einen Rekordsommer verbuchen. So viele Leute kamen noch nie, seit die Pia-Stiftung 2012 das Bad übernahm.
Die bisherige Bestmarke wurde im Styrumer Freibad 2016 erreicht: rund 65 000 Besucher inklusive Festivalpublikum. Im Vorjahr lag man bei 53 300 Gästen.
Eine Saisonbilanz gibt es jetzt auch aus dem Friedrich-Wennmann-Bad, das jeweils die Zeit vom 15. Mai bis 15. September betrachtet: Insgesamt 65 500 Besucher meldet der Mülheimer Sport-Service.
Hier ist der Sprung gegenüber den Vorjahren weniger groß: Im Sommer 2017 wurden in Heißen knapp 60 100 Badegäste gezählt, davor etwa 60 000 Leute.