Mülheim. 150 Kunstwerke gehen auf seine Kappe, etliche stehen im öffentlichen Raum. Der Bildhauer prägt Mülheim wie kaum ein anderer. Wer ist es?
Der Bildhauer Ernst Rasche hat sichtbare Spuren im Stadtbild hinterlassen. Im positiven Sinne: 1951 wurde er mit der Ausstellung seiner Holzskulptur „Mutter und Kind“ in Mülheim erstmals sichtbar. 1955 konnte er mit seiner Skulptur „Geborgenheit“, die bis heute in der Luisenschule steht, erstmals im Auftrag seiner Heimatstadt sein Können unter Beweis stellen. Die vielleicht prominenteste seiner insgesamt 150 Kunstwerke, die er landesweit im öffentlichen Raum geschaffen hat, ist seine 1973 auf der Schloßstraße entstandene Brunnenlandschaft aus Granitstein, die mit einem Kopfsteinpflasterteppich einen Säulenbrunnen mit einer Kugel verbindet.
Sie war vor 50 Jahren Sinnbild einer modernen Stadtplanung, die unter anderem darin zum Ausdruck kam, dass man die bis dahin befahrene Schloßstraße 1974 zu einer Fußgängerzone machte. Aber auch andernorts kann man den Werken des 1962 ausgezeichneten Ruhrpreisträgers und Mitgründers der Arbeitsgemeinschaft Mülheimer Künstler begegnen.
Kaum ein anderer Künstler prägte Mülheim so sichtbar
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Den Kreuzweg und die Altarwand von St. Mariae Geburt, letztere zeigt das himmlische Jerusalem, hat der am 24. November 1926 geborene und am 4. Februar 2018 verstorbene Bildhauer ebenso geschaffen, wie die Chorfenster der Petrikirche, die Müga-Brücken-Skulptur über der Bergstraße, das Mahnmal auf dem Jüdischen Friedhof, den Brunnen vor dem Ratskeller oder das Frauenensemble auf dem Bertha-Krupp-Platz in der Heimaterde. Rasche hatte das große Glück, dass der Höhepunkt seiner künstlerischen Schaffenskraft in eine Zeit fiel, in der die öffentliche Hand noch Geld für Kunst am Bau hatte und es auch ausgab, um damit auch ihre Wiederauferstehung aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs zu feiern.
Zu seinem 90. Geburtstag, den Ernst Rasche im November 2016 feiern konnte, haben seine Kinder eine lesens- und betrachtenswerte zweibändige Dokumentation seines Lebenswerkes herausgegeben, das bei einer Ernst-Rasche-Matinee im Lehmbruck-Museum der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Rasches Elternhaus stand an der Teinerstraße in Mülheims Altstadt
Rasches Elternhaus stand an der Zeppelinstraße. Der Vater war Steinbildhauer. Später lebte und arbeitete er mit seiner Familie, seine Frau Elisabeth, die ihm 1954 das Ja-Wort gegeben hat, war Goldschmiedin, in seinem Haus- und Atelier an der Teinerstraße, also in unmittelbarer Nähe der Petri- und der Marienkirche, in denen er ebenso gebetet wie sichtbar gearbeitet hat, wie in der neuen Kapelle des St. Marien-Hospitals.
Der Mülheimer Kunsthistoriker Dr. Gerhard Ribbrock, der bis zu seiner Pensionierung stellvertretender Leiter des städtischen Kunstmuseums war, hat Rasches Lebenswerk an dessen 90. Geburtstag als „ein Beispiel gebauter Ökumene“ gewürdigt. Der christliche Glaube war für den Künstler, der sein Bildhauerhandwerk schon in der Werkstatt seines Vaters gelernt und später, nach Krieg, Verwundung und Gefangenschaft an der Kunstakademie Düsseldorf professionalisiert hat, zeitlebens ein wichtiger Halt und eine zentrale Inspiration. Wort und Bild bildeten für ihn zwei Seiten derselben Medaille. An der Kunstakademie in Düsseldorf gehörte neben Professor Josef Enseling der 1893 in Saarn geborene Otto Pankok zu seinen Lehrern.
2011 erhielt Rasche den Ehrenring der Stadt
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Seinem christlichen Glauben blieb Rasche auch in den 1930er und 1940er Jahren als Mitglied der Pfarrjugend von St. Mariae Geburt treu, als das unter dem NS-Regime gesellschaftlich schlecht angesehen war. Die katholische Jugendgruppe des Pastors Johannes Heinrichsbauer, zu der auch Ernst Rasche gehörte, traf sich damals in der Krypta unter dem Altarraum der 1929 eingeweihten Marienkirche an der Althofstraße.
Als ihm die Stadt Mülheim 2011 ihren Ehrenring verlieh, sagte Rasche in seiner Dankesrede: „Der Antrieb und die Gabe, mich schöpferisch auszudrücken, hat mein Leben reich gemacht. Aus der Gabe des schöpferischen Tuns und der damit verbundenen Freude und Begeisterung habe ich auch immer eine Verpflichtung abgeleitet, die Verpflichtung, mich zurück- und meine Mitmenschen in den Dialog hineinzunehmen, sie teilhaben zu lassen an meiner Freude und meiner Dankbarkeit gegenüber meinem Schöpfer.“
Im gleichen Jahr sagte er in einem Gespräch mit dieser Zeitung: „Es ist ein schönes Gefühl, heute an meinen Kunstwerken vorbeigehen zu können und zu wissen, dass sie von der Öffentlichkeit auch angenommen werden, auch wenn der Zustand unserer Innenstadt betrüblich ist, auch weil die Hauseigentümer der Innenstadt zu lange zu hohen Mieten verlangt haben und es versäumten, sich rechtzeitig zusammenzusetzen und ein gemeinsames Konzept für die Innenstadt zu entwickeln. Aber man darf trotzdem nicht alle schlechtreden. Das ist eine Durststrecke, die wir überstehen müssen. Wir brauchen visionäre Ideen und Entscheidungen, damit sich unsere Stadt weiterentwickeln kann.“