Mülheim. .
Ernst Rasche ist ein Bildhauer, der überall im Stadtgebiet deutlich erkennbaren Spuren hinterlassen hat. Am augenfälligsten und zentral ist wohl die formschöne dunkle Kugel auf der Schloßstraße.
Und wenn im Kunstmuseum aktuell die Ausstellung „Jagd auf die Moderne. Verbotene Künste im Dritten Reich“ läuft, ist der Mülheimer Bildhauer Ernst Rasche ein Beispiel dafür, was der Krieg an der Kunst und den Künstlern verbrochen hat, wie er zum Stillstand führte, die Entwicklung zur Moderne blockierte. Und auch, wie er wohl so manche Künstlerlaufbahn lahm legte – oder Menschen in ihrer Persönlichkeit brach.
Sich brechen zu lassen – das ist nicht die Natur von Ernst Rasche, schon gar nicht, was seine Profession als Bildhauer monumentaler Skulpturen aus Stein, Holz und Metall angeht. Seine Plastiken stehen an 140 Orten in ganz Deutschland. Öffentliche Aufträge, Brunnen, Kirchengestaltung und Freizeitparks – von Amrum über Kassel bis Hof an der Saale, „größtenteils monumentale Arbeiten“, sagt Rasche. Er ist 85 Jahre alt.
Raum für Gedanken und Tiefe
Wenngleich der Krieg mit seinen einschneidenden Erlebnissen Verletzungen bei ihm hinterlassen hat. Daraus resultiert sein Lebens- und Gestaltungswille und der eindringliche Wunsch nach einer humanen Gesellschaft. Als 17-Jähriger wurde er 1944 noch eingezogen, wurde dreimal verwundet und geriet in russische Gefangenschaft. Erst nach dem Krieg begann er 1947 das Studium an der Akademie der Künste in Düsseldorf. Die existenziellen Erfahrungen haben ihn nachdenklich, demütig und dankbar gemacht. „Ich habe das große Glück, noch leben zu können und die Welt ein bisschen zu verändern.“ Dafür sei er als Künstler angetreten. Und so kommt es, dass er in seinen Arbeiten immer die Menschen mit einbezieht, „die geistige und die philosophisch-theologische Entwicklung sind mir wichtig“, sagt Rasche.
Menschliche Bezüge haben seine durchkomponierten Werke, lassen Raum für Gedanken und Tiefe, vereinen sich oft in einer harmonischen, runden, geschmeidigen und exakt ausbalancierten freien Form. Mit der Aussage im Hintergrund, „die jeder für sich selbst finden kann“. Man müsse eine Plastik „begreifen und erfassen können“. Begreifbar im wahrsten Wortsinn: „Ich streichle gern die Dinge.“ Tasten – greifen – erspüren: Diesem Dreiklang folgten auch die blinden Kinder, die ihn kürzlich im Atelier besuchten. Und es sei schon erstaunlich gewesen, wie diese blinden Kinder dunkles und helles Material unterscheiden konnten.
Bild einer humanen Welt
Ehrfurcht und Glauben, das sind zwei starke Triebfedern für Rasches Schaffen. Und seine Kunst ist gelebte Ökumene. Seine Botschaften fließen in die Kirchenkunst mit ein. Zahlreiche sakrale Räume wurden von ihm deutschlandweit gestaltet. Die evangelische Petrikirche hat er von den Fenstern über die Altarinsel bis zum Chorgestühl und die katholische Kirche St. Mariae Geburt nebenan hat er ebenfalls fast komplett ausgestattet. Das jüdische Mahnmal auf dem Judenfriedhof stammt von ihm, wie auch der Brunnen im Kloster Saarn. Sein Bild einer humanen Welt hat Rasche in den katholischen Kirchenvorstand eingebracht.
Für sein Engagement und seine Kunst im Kirchenraum wurde Rasche von Papst Johannes Paul II. ausgezeichnet.
Neben weiteren Ehrungen hat Rasche übrigens den ersten Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft der Stadt Mülheim erhalten, „zusammen mit Heinrich Siepmann und Carl Altena“, erinnert er sich. Zu den ehemaligen Weggefährten gehörten auch Helmut Lankhorst und Daniel Traub, die alle bereits verstorben sind.
Ruhrpreisträger für Kunst und Wissenschaft
Von den Zeiten, als die Städte noch Geld für Kunst im Öffentliche Raum hatten, „davon habe ich profitiert“, sagt Rasche, „aber selbst, als noch Geld da war, waren immer enge Grenzen gesetzt“. Und trotz harter Arbeit, „habe ich kein üppiges Leben geführt.“ Zwei Söhne, einer davon Architekt in Billerbeck, der andere freier Bühnenbildner in Berlin, und zwei Enkelkinder hat Rasche. Seine ebenfalls sehr kreative Ehefrau ist vor einigen Jahren gestorben. Seit eh und je hat Rasche sein Atelier in der Altstadt an der Teinerstraße. Und er fühlt sich wohl dort. „Ich lebe gerne hier – obwohl, manchmal könnte es in der Altstadt ein bisschen lebendiger sein.“ Schulklassen kommen hin und wieder zum Atelierbesuch – bringen für ihn Freude und Inspiration mit.
Und schließlich gibt’s auch „eine gute Nachbarschaft“. Mit Transparenz für beide Seiten durch die großen, gläsernen Atelierfenster. Und Rasche wäre nicht Rasche, ginge es bei ihm künstlerisch nicht weiter – mittlerweile ein bisschen kleiner: „Ich mache das, was mir Freude macht“, sagt der Künstler, darunter „viel Grafik und kleinere Modelle, die sich in große Formen umsetzen lassen.“