Mülheim. Ambitioniertes Liedgut will ein Mülheimer Chor gegen Krieg und Krisenstimmung setzen. Was das Motto „Turn the world around“ Besuchern verspricht.
Überall Krisen: Corona-, Ukraine-, Gas- und Strom- sowie Klimakrise – da tut es gut, wenn jemand die Stimme dagegen erhebt. Vor allem, wenn in diesem Fall mal nicht die Politik tönt, sondern ein Chor. Die Sängerinnen und Sänger der Friedrich-Wilhelms-Hütte wollen die Stimmung und die Verhältnisse noch einmal drehen – gesanglich und engagiert. „Turn the world around“ haben sie ihr Programm für die Freilichtbühne am Sonntag, 18. September, genannt: ein Singen, das befreien soll.
Denn für die rund 35 Chormitglieder um Leiter Stephan Arnold war schon lange vor dem Ukraine-Krieg und seinen Folgen „das Gefühl da, dass wir eine gesellschaftliche Teilung erleben“, sagt Arnold. Was damals noch auf die Bewahrung der Erde und Corona-Beschränkungen bezogen war – was auch die Aerosole verströmenden Chöre zu spüren bekamen – erhielt seit dem 24. Februar 2022 weitere Untertöne.
Frische Song-Ideen und auch nachdenkliche Töne würzen das Programm
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Mit frischen, auch nachdenklichen und sogar bisher ungehörten Lied-Experimenten wollen die Singenden allerdings dem Krisen-Blues einen anderen Dreh geben. Zwei Stücke aus der Ukraine haben sie im Gepäck, Lieder auf Suaheli, wobei sich Arnold schon auf ein musikalisches Wagnis freut, bei dem „kein schöner Land“ mit der afrikanischen Sprache verbunden wird.
Und sie scheuen auch nicht den Schritt, bei ihren ,Kollegen’ von Maybebop zu leihen – wenn es der Sache dient: „Das Lied vom Nicht-Verstehen spricht über brandaktuelle Themen“, sagt Arnold. Ganz bewusst habe man es gewählt, „weil man sich daran reiben kann“.
Was nun als „schwere Kost“ erscheint, findet seine Gegenstücke bei vielen Evergreens wie „Wonderful World“, das namensgebende wie hochenergiegeladene Stück „Turn the world around“ von Harry Belafonte und „I believe I can fly“. Wobei Letzteres im Chor durchaus umstritten war, denn US-Sänger R. Kelly ist wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden. Nach Abwägung entschied man sich dafür, „auch wenn der Sänger seinem eigenen Stück nicht gerecht wird, ist die Kernaussage von ,I believe’ gut“, argumentiert Arnold.
FWH-Chor will den Beweis antreten: Mülheim ist eine Chorstadt
Einige aufgeregte Vorfreude also liegt bei diesem ambitionierten Konzertprogramm in der Luft. Und nicht zuletzt „ist es auch eine Chance, unser Publikum wieder für unsere Musik zu begeistern und zu zeigen: Mülheim ist Chorstadt“, sagt die zweite Vorsitzende Nicole Dubnick.
Denn natürlich hat Corona die ohnehin schwierige Nachwuchs-Lage der Mülheimer Chöre noch verschärft. Der FWH-Chor 1929 hat sich in der Pandemie – wie mancher andere – mit „hybriden“ Proben beholfen, also solchen, bei denen manches Mitglied per digitaler Konferenz zugeschaltet war. So hat der Chor, der vor knapp 100 Jahren als reiner Männerchor der Hütte angefangen hat, nach dem Schritt in die Gleichberechtigung nun auch den ins Digitale gemacht.
Freilichtbühne hat in neue Technik für Chöre und Theater investiert
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Regler-Mann Peter-Michael Schüttler sieht viel Potenzial für Chöre an der Freilichtbühne: „In der Stadt fehlen Orte und Veranstaltungsformate für Chormusik.“ An der Freilichtbühne komme ein gemischtes Publikum zusammen, das ein breites Interesse an Chormusik, Klassik und Theater habe. Mit Hilfe der Brost-Stiftung habe man inzwischen für eine gute Technik gesorgt, die nicht nur den Rock bedienen könne. Im vergangenen Jahr füllte der FWH-Chor schon die Ränge. Die Freilichtbühne will in diesen Bereichen also ausbauen.
Tobias Kötzing, mit 29 Jahren der Jüngste im Reigen, hofft, dass das Sonntagskonzert nicht nur Menschen für die Musik, sondern auch für den Chor selbst begeistern kann. Die Empfehlung des studierten Musikers: „Mitsingen. Musik befreit einfach.“
Das Konzert „Turn the world around“ startet am Sonntag, 18.9., um 16.30 Uhr an der Freilichtbühne, Dimbeck 2a. Einlass ist ab 15 Uhr. Der Eintritt ist frei, der Hut geht wie immer herum.