Mülheim. Der Krieg in der Ukraine, die Klima- und Energiekrise: Mülheim und seine Partnerstädte teilen viele Themen. Jetzt feierten sie ihre Freundschaft.
In der Hochphase der Pandemie war’s schwierig, Freundschaften zu pflegen. Längst aber wagen die Menschen wieder Treffen mit lieben Bekannten. Und so erlebten auch Mülheims Städtepartnerschaften mit Tours und Kouvola am Wochenende eine wunderbare Auffrischung. Zwei Delegationen waren zu Gast. Und berichteten unter anderem davon, was der Krieg zwischen Russland und der Ukraine für sie bedeutet.
Auch wenn die Besucher von weither angereist waren, zeigten die Gespräche schnell: Die Themen und die Nöte sind an allen drei Orten ähnlich. Die Krise in der Ukraine treibt die Europäer besonders um, aber auch die Sorge vor den gestiegenen Preisen für Lebensmittel und Energie, die Klimaveränderung. „Wir sind in der Krise vereint“, so Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) bei einem Pressegespräch am Montag.
Verteidigungspolitik hat in Mülheims finnischer Partnerstadt einen hohen Stellenwert
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Marita Toikka, die Oberbürgermeisterin von Kouvola, hatte zuvor berichtet, dass der Angriffskrieg Russlands im angrenzenden Staat Finnland omnipräsent ist. Man sei seit der Unabhängigkeit vom Nachbarn im Jahr 1917 stets wachsam gewesen, nun aber habe die Verteidigungspolitik noch an Bedeutung gewonnen. „Uns Finnen lag immer viel an guter Zusammenarbeit mit den Russen. Doch wir haben auch immer unsere Neutralität betont.“
Das Militär sei allgegenwärtig in Kouvola. Laut Toikka ist Mülheims Partnerstadt „eine große Garnisonsstadt“. Jedes Jahr absolvieren dort 4000 junge Soldaten ihre Grundausbildung und auch Spezialeinheiten wie Fallschirmjäger sind in der Stadt mit gut 80.000 Einwohnern ansässig. „Angst vor einem Angriff der russischen Armee hat bei uns aber niemand“, betonte die Oberbürgermeisterin. Man sei froh, dass der finnische Staat den Menschen in der schwierigen Situation helfe: Es gebe verschiedentlich finanzielle Unterstützung, darunter Steuererleichterungen.
In Mülheims französischer Partnerstadt suchen bisher 1000 Ukraine-Flüchtlinge Schutz
Ganz ähnlich also wie in Deutschland. Oder in Frankreich. Elise Pereira-Nunes, stellvertretende Bürgermeisterin in Tours, berichtete beim Pressegespräch auch von den ukrainischen Flüchtlingen, die in Tours ankommen. „Wir suchen nach guten Lösungen für sie.“ Rund 1000 Neuankömmlinge müssen in der Stadt, in der etwa 137.000 Einwohner zu Hause sind, versorgt werden. In Kouvola sind mittlerweile etwa 400 hilfebedürftige Ukrainer angekommen – in Mülheim, als größter der drei Städt, sind es knapp 2000. „Der Druck ist überall der gleiche“, so OB Buchholz. „Darüber haben wir in den vergangenen Tagen auch immer wieder gesprochen.“ Pereira-Nunes sieht einen „großen Bedarf“ der Europäer nach Zusammenarbeit – „um zu leben und zu überleben“.
Auch weniger dramatische, dennoch drängende Themen standen am Wochenende auf der Agenda: So ging es um die Digitalisierung der Schulen. Da sei man in Kouvola wohl deutlich weiter, merkte Marita Toikka an, und könne Mülheim sicher wertvolle Tipps geben. Im Gegenzug kündigte OB Buchholz an, bei einem bald anstehenden Besuch in Finnland einen Fachmann von Siemens mitzubringen, der Ratschläge für den Kraftwerksbau und Knowhow zum Thema erneuerbare Energien beisteuern könne. Auch Jugendprojekte zwischen den Städten soll es wieder verstärkt geben. Buchholz kündigte an, Schuldezernent David Lüngen ins Boot zu holen. Möglicherweise könne man mit Stiftungen kooperieren, „denn natürlich ist jeder Austausch auch eine Frage des Geldes“.
Die Städtepartnerschaft zu Tours besteht seit 60 Jahren, die zu Kouvola seit 50 Jahren
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Anlass für das internationale Treffen waren zwei runde Geburtstage: Die Städtepartnerschaft zu Tours besteht seit 60 Jahren, die zu Kouvola seit 50 Jahren. Am vergangenen Freitag waren die Delegationen angereist; ein abwechslungsreiches Programm erwartete sie. Unter anderem erfuhren die Besucher von Umweltdezernent Felix Blasch einiges über den Radschnellweg RS 1. Sie konnten den Flugsimulator am Flughafen Essen/Mülheim testen und Luftschiff Theo bestaunen. Es ging zu den „Weißen Nächten“ im Raffelbergpark, zum Drachenbootrennen und zur Festgala am Sonntagabend in der Stadthalle.
„Spätestens in zwei Jahren, wenn der neue Luftschiffhangar fertig ist“, so Marc Buchholz zu seinen Gästen, „laden wir Sie wieder zu uns ein.“ In der Zwischenzeit will Mülheims Stadtoberhaupt, der Tours bereits bereist hat, auch den Freunden in Finnland einen Besuch abstatten. Er sei aktuell ein „superglücklicher Oberbürgermeister“, denn nach langen zweieinhalb Jahren Pandemie habe man endlich wieder zusammenkommen und die Freundschaft feiern können.
Ein großes Herz für die Freunde in Finnland und Frankreich
Länger habe man darüber nachgedacht, so Mülheims OB Marc Buchholz, was für Gastgeschenke man den Freunden aus Tours und Kouvola machen kann. Letztlich entschied sich die Verwaltung für eine in den Mülheimer Fliedner Werkstätten gefertigte Uhr aus Holz mit den Wappen der Partnerstädte. „Weil es an der Zeit war, unsere Freundschaft zu erneuern.“
Außerdem überreichte man den Vertretern aus Frankreich und Finnland Bilder mit einem großen Herzen – entstanden bei einer Aktion des Frankfurter Künstlers Mike Kuhlmann mit Mülheimer Schulkindern. Die Jungen und Mädchen sollten Liebesbilder für ihre Stadt malen. Vielleicht, so der OB, könne dies auch eine Idee für die Kinder in Tours und Kouvola sein.