Mülheim. Trotz weitestgehender Lockerungen sind Mülheimer Kulturstätten auch in diesem Jahr stark belastet. Warum die Defizite weiter steigen.
Corona hat trotz deutlicher Lockerungen auch im dritten Jahr seine Spuren in den Mülheimer Kulturstätten hinterlassen – und belastet damit umso mehr den städtischen Haushalt. Denn weniger Kultur in der Stadt heißt nicht unbedingt weniger Kosten. Besonders beim Personal, dessen Aufwendungen laut Prognose des Kulturbüros von geplanten 6,9 auf 7,185 Millionen Euro (+4,1 Prozent) steigen werden. Das Defizit für das Jahr 2022 wird deshalb wohl 9,122 Millionen Euro betragen, das sind rund 400.000 Euro (+4,5 Prozent) mehr, als ohnehin kalkuliert wurde.
Vier Einrichtungen sind dabei besonders betroffen: die Bibliothek, das Stadtarchiv, die Begegnungsstätten sowie das Kunstmuseum. Letzteres kostete die Bürger schon 2021 rund 643.000 Euro – und dass, obwohl es seit Oktober 2018, vor vier Jahren, wegen Sanierungsarbeiten geschlossen hat und als „Museum Temporär“ im abgespeckten Betrieb fährt.
Kulturdezernentin zuversichtlich, dass Mülheims Kunstmuseum im Januar 2023 startet
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Kulturdezernentin Daniela Grobe zeigte sich im Kulturausschuss sehr zuversichtlich, dass es nach jahrelangen Verschiebungen „diesmal“ bei der anvisierten Öffnung im März 2023 bleiben wird. Doch für das laufende Jahr 2022 rechnet die Stadt mit einem Minus von 716.000 Euro – das sind noch einmal 43.000 Euro mehr, als bereits kalkuliert wurden.
Stark ins Kontor der Stadt schlagen ebenso die Begegnungsstätten mit einem zusätzlichen Minus von 53.000 Euro. Allerdings hatte die Stadt auch das Ergebnis für 2022 (minus 167.000 Euro) bereits sehr optimistisch weit unter dem des Vorjahres (minus 219.000 Euro) prognostiziert. Das erfüllte sich so bislang nicht. Die Gründe laut Bericht sind auch hier die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie.
Die mit Abstand größten Defizite allerdings fahren sowohl das Stadtarchiv ein mit voraussichtlich minus 797.000 Euro – noch einmal 132.000 Euro mehr, als eh schon kalkuliert wurde –, als auch die Bibliothek, die um 140.000 Euro schlechter abschneidet. Sie kommt auf ein Minus von rund drei Millionen Euro.
Was die Bilanz belastet: Ausbleibende Erträge, aber auch Personalkosten
Was hat zu den weiteren Finanzeinbrüchen geführt? Ein massiver Posten bei den Aufwendungen ist weiterhin das Personal und sogenannte Sonderzahlungen. So schlagen sie bei den Bibliotheken allein zusätzlich mit weiteren 133.000 Euro zu Buche. Hier weist die Stadt darauf hin, dass dieser Betrag durch Bundesmittel von 99.000 Euro abgefedert werde.
Doch ebenso wird das Stadtarchiv mit 151.500 Euro Personalkosten zusätzlich belastet, die mit 19.100 Euro Bundesmitteln reduziert werden. Und selbst beim Kunstmuseum kommen hier 42.500 Euro für das Personal oben drauf.
Zu optimistisch aber hat man wohl ebenso die Ertragsprognosen für 2022 angegeben. So rechnete man für das Museum mit 28.000 Besuchern – abgesehen von der ständigen Verschiebung des Öffnungstermins: Im Vorjahr waren es nur 885. Nach aktueller Einschätzung wird man aber hier rund 10.000 Besucher erreichen. Bei den Begegnungsstätten rechnete man mit rund 102.000 Besuchern (2021: 1686), es kamen bis Juni aber nur knapp ein Viertel davon.
Mülheims Kulturprognose hängt sich ans Prinzip Hoffnung
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Und auch die Ausleihen der Bibliothek schätzte man zu hoffnungsvoll ein. Statt der geplanten 684.250 hat man die Erwartung inzwischen auf ,nur’ 630.000 heruntergerechnet. Doch selbst damit wäre das gegenüber 2021 (182.072) mehr als eine Verdreifachung bei den Ausleihen.
„Es gibt keine Lockdowns mehr. Wir waren von der Hoffnung getrieben, es würde vielleicht ein annähernd ,normales’ Jahr“, erläutert Michael Bohnes, stellvertretender Leiter des Kulturbüros, das die Zahlen prognostizierte. Doch offenbar überwiege noch die Skepsis bei den Kulturbesuchern, ob man sich bei Veranstaltungen mit Corona infizieren könne, vermutet Bohnes.
Doch es gibt auch Grund zur Hoffnung: Deutlich besser als vermutet hat die Musikschule abgeschnitten: Ihre Erträge hat sie um rund 54.000 Euro gegenüber der Prognose verbessern können und auch deutlich gegenüber 2021. Bohnes darf hoffen, dass die Talsohle für die Kultur nun durchschritten ist. Und schließlich, so Bohnes, wolle man ja dort wieder hin, wo man 2019 noch vergleichsweise glänzte.