Mülheim. Ein abgefahrenes Geschenk zum 60. Geburtstag: Mülheimer bekommt 60 Jahre altes Auto. Warum sogar das Zulassungsdatum etwas ganz Besonderes ist.

Zum 60. sollte es natürlich etwas ganz Besonderes sein. Über das Geschenk zum runden Geburtstag ihres Mannes hat Heide Ternieden eine Zeit lang gegrübelt, doch dann kam ihr die zündende Idee. Die Umsetzung allerdings lief zunächst alles andere als geschmiert. Wie dann doch noch der 60 Jahre alte Oldtimer pünktlich am Ehrentag vor der Haustür in Heißen landete.

Da steht er nun in der Einfahrt der Familie Ternieden in Heißen. Seine beigefarbene Karosserie ist blank poliert, die Chrom-Elemente blitzen, auf seiner Haube ziert den Oldtimer der goldene Schriftzug „Volvo“. Dass er eine rollende Rarität ist, wird auf den ersten Blick deutlich. Dass dieser Volvo P 121 Baujahr 1962 aber eine ganz besondere Geschichte mitbringt, das ahnen die wenigsten. Dabei hat Heide Ternieden Blut und Wasser geschwitzt, damit ihre Idee nicht auffliegt und die Überraschung gelingt.

Neben dem Oldtimer parkt ein Tesla in der Einfahrt des Mülheimer Paares

Abende lang hatte die 56-Jährige zuvor ihren Mann und ihren jüngeren Sohn dabei beobachtet, wie die beiden sich im Internet Oldtimer-Angebote anguckten, der eine dem anderen immer wieder den Handy-Bildschirm hinhielt mit einer Aussage wie: „Das ist ein tolles Auto!“ Und hin und wieder seufzte ihr Mann: „Hätte ich doch damals meinen Käfer behalten.“ Lange her – inzwischen ist Klaus Ternieden 60 Jahre alt und in der Einfahrt parkt – neben dem Oldtimer – ein Tesla. Unterschiedlicher könnten Autos wohl nicht sein.

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Ein alter Käfer also, oder aber der Klassiker Karmann Ghia – wenn das kein gelungenes Geschenk zum 60. wäre, dämmerte es Heide Ternieden. Gesagt, getan – Oldtimer findet man ja beinahe wie Sand am Meer im Internet. Also durchforstet die Mülheimerin einschlägige Portale – und merkt schnell: Käfer oder Karmann Ghia sind nicht zu bezahlen. Also sucht sie weiter und findet den Volvo P 121, der ausgerechnet auch noch Baujahr 1962 ist, genau wie ihr Mann. Beherzt nimmt Heide Ternieden Kontakt zu dem Verkäufer auf, macht einen Termin aus – einen Oldtimer kaufen, das macht die gestandene Controllerin doch mit links.

Volvo-Besitzer sagt Besichtigung ab: „Sie haben nicht die richtigen Fragen gestellt.“

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Denkt sie zumindest, bis der Volvo-Besitzer auf die Bremse tritt und den Termin absagt. Heide Ternieden ist verdattert, hatte sie doch ihre klare Kaufabsicht signalisiert. Der Verkäufer aber sagt: „Sie haben gar nicht die richtigen Fragen gestellt, sich überhaupt nicht nach dem Motor erkundigt. Und Sie wollen einen Oldtimer kaufen?“ Das saß und manövrierte die Heißenerin zunächst in eine Sackgasse. Ein Glück aber, dass es in Mülheim einen Oldtimer-Papst gibt, der zufälligerweise auch noch schräg gegenüber der Terniedens wohnt: Hartmut Mäurer, der seit Jahren den Saarner Oldtimer-Cup organisiert. „In meiner Verzweiflung hab ich Herrn Mäurer angerufen und gefragt, ob er helfen kann“, erzählt Heide Ternieden – heute kann sie darüber lachen.

Klaus Ternieden und seine Frau Heide mit dem 60 Jahre alten Volvo.
Klaus Ternieden und seine Frau Heide mit dem 60 Jahre alten Volvo. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Oldtimer-Kenner Mäurer nimmt also Kontakt zu dem Volvo-Besitzer auf – und stellt offenbar die richtigen Fragen. Die beiden Mülheimer dürfen – in geheimer Mission – nach Leverkusen kommen, um das Fahrzeug zu besichtigen. „Ich habe schon Hunderte solcher Gespräche geführt, aber dieser Fall war schon speziell“, blickt der Oldtimer-Cup-Moderator zurück. Gleichwohl werden sie sich einig, Mäurer befindet den Oldtimer für gut, Heide Ternieden möchte das Auto für ihren Mann kaufen. Bargeld will der Mann haben – wie um Himmels willen soll sie solch einen Betrag vom Konto holen, ohne dass ihr Mann stutzig wird? Ihre Schwester springt ein und streckt das Geld vor. Damit war auch die nächste Hürde zum Traumauto genommen, konnte der Volvo also nach Mülheim kommen.

Alle halten dicht, bis der Oldtimer am Geburtstag endlich vor der Tür steht

Doch wohin? Bis zum Geburtstag von Klaus Ternieden ist es da noch ein halbes Jahr hin. Auch hier weiß Hartmut Mäurer Rat und organisiert einen Stellplatz in der Alten Dreherei, in der sich regelmäßig der Oldtimer-Stammtisch trifft. Bloß noch den Wagen anmelden, dann ist alles in trockenen Tüchern, denkt sich Heide Ternieden und geht zum Bürgeramt. „Das war kompliziert, irgendwann haben vier, fünf Leute über den schwedischen Papieren gesessen. Ich hab gesagt, ich gehe hier nicht weg, bis dieses Auto angemeldet ist“, hat die Mülheimerin die Stadtmitarbeiter unmissverständlich wissen lassen. Es hat geklappt, irgendwann – auch wenn das Auto nun auf ihren Namen läuft. „Diese Kröte muss mein Mann schlucken“, sagt die 56-Jährige und grinst.

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Jetzt mussten nur noch alle, die eingeweiht waren in die Geburtstagsüberraschung, ein halbes Jahr lang dichthalten: ihre beiden Söhne, die Schwester – und Hartmut Mäurer. „Das durfte auch in der Nachbarschaft niemand wissen, sonst wäre das längst rausgekommen“, sagt der. Alle haben geschwiegen, nichts ist zu Klaus Ternieden gelangt, was auf den Oldtimer hätte hindeuten können. Wie aber sollte das in Optik und Klang auffällige Gefährt kurz vor dem Ehrentag in die Siedlung gelangen, ohne dass das Geburtstagskind es mitbekommt?

Erst als das Geburtstagskind das Nummernschild sieht, ist klar: „Das Auto ist für mich“

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Eine der leichtesten Übungen für das eingeschworene Team Heide Ternieden/Hartmut Mäurer: Sie schickt ihren Mann mit dem Hund raus, Mäurer holt den Wagen aus der Alten Dreherei, seine Frau steht Schmiere, ob Nachbar Ternieden nicht gerade vom Hundespaziergang zurückkommt – ungesehen verschwindet der Volvo in Mäurers Garage. „Ich hab mich wohl gewundert, dass der Wagen von Herrn Mäurer ein paar Tage draußen stand“, erinnert sich Klaus Ternieden.

Und als dann an seinem Geburtstag der Volvo P 121 – geschmückt mit Schleife und Girlanden – in seiner Einfahrt parkt, seine Frau ihn nach draußen dirigiert und nachdrücklich sagt: „Da hat doch jemand gehupt – geh doch mal gucken!“, da denkt der Jubilar: „Wie nett, Herr Mäurer hat mir zum Geburtstag ein altes Auto besorgt, mit dem ich mal einen Tag lang fahren darf.“ Dann erst registriert er das Kennzeichen: MH-KT 41H. Alter Schwede! Der 4.1. ist sein Geburtsdatum – und übrigens auch das Zulassungsdatum des Volvos. Zufall? Heide Ternieden zuckt mit den Schultern und strahlt übers ganze Gesicht. Überraschung geglückt.

Ehrensache, dass Terniedens bei so viel Einsatz von Hartmut Mäurer am Sonntag, 7. August, mit ihrer rollenden Rarität beim Saarner Oldtimer-Cup dabei sind und das Publikum teilhaben lassen an ihrer abgefahrenen Geschichte.