Ruhrgebiet. Karl-Heinz Füßner hat ein US-Militärfahrzeug von 1944. Er fährt damit zu historischen Stätten und fotografiert ihn da. „Das ist pure Erholung.“
Das alte Auto springt nicht an, der Motor orgelt und orgelt und - orgelt. Nichts. „Mein Auto sagt, es will heute nicht raus, aber es gibt ja Tricks“, sagt Karl-Heinz Füßner. Faltet die Motorklappe hoch, nestelt, hantiert, macht und tut darunter, bis das Fahrzeug an diesem kalten Nachmittag sich doch noch erbarmt und aus der Scheune in die Sonne rollt. Ein Dodge WC 51, Baujahr 1944, und wie er nach Deutschland kam, steht Weiß auf Tarngrün an der Seite: „From U.S. Port Agency, War Shipping N.Y.“ Der war im Krieg.
Füßner und sein 77-jähriges, restauriertes Auto könnten demnächst vor Ihnen herfahren. Denn der 53-Jährige aus Senden hat in der sowieso überschaubaren deutschen Militärauto-Gemeinde ein Hobby ganz für sich allein.
„Da steht der Montgomery - und da stehe ich“
Jetzt wird es leider etwas kompliziert: Er sucht auf alten Fotos Gebäude, die 1945 schon standen und vor denen alliierte Truppen oder Fahrzeuge fotografiert wurden - und wenn es das Gebäude noch gibt, fährt er dorthin und fotografiert seinen sogenannnten „Big Jeep“ entsprechend. „Ich habe jetzt schon wieder Häuser in Haltern gefunden.“
In Haltern ist er geboren, ahnte aber nicht, dass die Amerikaner in einem Haus in der Römerstraße Hitlers anfänglichen Vizekanzler Franz von Papen vernahmen - Foto. „Sogar das Geländer ist noch da.“ An Schloss Nordkirchen fährt ein Panzer vorbei - Foto. GIs bei der Lambertikirche in Münster - Foto. „Die stehen da kurz vor der Kneipe Großer Kiepenkerl.“ Der britische Oberbefehlshaber Montgomery steht vor einem Haus in Coesfeld - Foto. Füßner hält sein Tablet hin. „Da steht der Montgomery - und da stehe ich.“
Ein allgemeines Interesse an alten Autos und Geschichte hatte Füßner schon immer
Spätestens jetzt muss man einstreuen: Der Mann ist kein Militarist, und „bekloppt“ dürfen ihn auch nur engste Freunde wegen seines motorisierten Steckenpferdes nennen. „Schreiben Sie da rein, dass ich kein Reichsdeutscher und kein Nazi bin. Die Amerikaner haben meine Heimat befreit nach unserer finstersten Zeit.“ Füßner arbeitet in einem Autohaus in Lünen, hat sich aber auch für alte Autos schon immer interessiert; für die Weltkriegsgeschichte sowieso, und 2019 hat sich beides verbunden mit dem Kauf des Wagens.
Konkret folgt er den Spuren der 17. US-Luftlandedivision, bei der sein Jeep wohl mitgefahren ist. Die griff im März 1945 bei Wesel über den Rhein hinweg an, befreite das Münsterland und schwenkte dann nach Süden ein, drückte auf den Ruhrkessel. Bochum, Dortmund, Essen, Mülheim.
Mit Gewehrhalterung an der Fahrerseite und einem Tarnnetz oben drauf
„Ich grase noch das Münsterland ab und fahre dann Richtung Ruhrgebiet. In Hamm gibt es auch schöne Stellen.“ Dabei ist die Recherche einfach, die jedem Ortstermin vorhergeht: Sie folgt etwa bei Google dem Muster „Herne 1945 Bilder“ Aber auch Lokalzeitungen sind eine Fundgrube, wenn sie zu runden Jubiläen des lokalen Kriegsendes wieder die alten Bilder drucken. Ansonsten ist Füßner vernetzt in Oldtimer- und Facebook-Gruppen mit anverwandten Hobbys, das hilft bei der speziellen Häusersuche.
Natürlich rollt er da auf einem Hingucker: altes Militärfahrzeug mit Gewehrhalterung auf der Fahrerseite, Tarnnetz und historischer Coca-Cola-Holzkiste hinten drauf, aber auch einem gültigen deutschen Nummernschild („LH-FD 20H“, H für „Historisch) und selbstverständlich der TÜV-Plakette.
Auch interessant
Ohne Servolenkung, mit Zwischengas und dem maximalen Tempo 70 steuert er seine Ziele an. Alles, was schneller wäre, schüttelt ihn zu sehr durch, denn Fahrkomfort stand nicht direkt im Mittelpunkt der Konstruktion. Die eigentlich auch ausgelegt ist für „Max Speed 30 MPH“ - noch so eine Aufschrift. Und das soll Spaß machen? „Man fährt ein altes Auto und hat ein Ziel, das macht den Spaß aus. Das ist für mich pure Erholung.“
„Mein Auto will in die Normandie, da war es schon“
„Molly“ nennt er den Jeep, vom Vorbesitzer steht noch „Bitch“ dran, „Schlampe“, aber das mag er nicht. Die konkrete Geschichte des Fahrzeugs verliert sich vor dem vorherigen Besitzer, der den Jeep nur zwei Jahre besaß. Unbeantwortet auch die Frage, ob er schon bei der Invasion in der Normandie im Juni 1944 dabei war - manche Truppenteile der späteren 17. Division kämpften dort, andere kamen später nach.
„Mein Auto will in die Normandie, da war es schon“, glaubt Füßner jedenfalls. Für den 6. Juni 2024, den 80. Jahrestag, ist unter anderem eine große Oldtimer-Parade angesagt, drei Jahre müsste Molly dazu noch durchhalten. Und wenn sie doch nicht will? Gibt es ja Tricks.