Mülheim. In der Pandemie erschwerte das Home-Schooling das Erlernen von sozialen Kompetenzen. Die Mülheimer Grundschule Trootstraße holt das jetzt nach.
Im Klassenzimmer sitzen die Kinder in einem großen Halbkreis und beobachten gebannt, wie zwei junge Erwachsene das rosa Mäppchen einer jungen Frau vom Pult nehmen und es sich gegenseitig zuwerfen. Doch die junge Frau will das nicht, versucht, das Spiel zu unterbrechen und wird so wütend, dass sie ihre Freundin schubst und schüttelt. Dann ertönt ein Gong – das Schauspiel ist zu Ende.
Was ist in dieser Szene passiert und was könnte anders laufen? fragt Moderator Paul Pirker, Mitglied des theaterpädagogischen People’s Theater. Zahlreiche Kinderhände schnellen in die Höhe, die Dritt- und Viertklässler der Grundschule an der Trootstraße haben viel zu sagen.
Mülheimer Kinder haben Nachholbedarf im Miteinander
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Die rege Beteiligung erfreut auch Schulleiterin Diana Nelsen: „Soziales, gewaltfreies Lernen ist bei uns ein großes Thema.“ Das Projekt kommt nun schon zum zweiten Mal an die Grundschule in der Nähe des Stadtzentrums. „Wir merken, dass die Kinder nach Corona einen gewissen Nachholbedarf haben.“ Vor allem der Umgang miteinander muss neu erprobt werden. „Natürlich haben die Kinder nicht alles verlernt, aber gerade bei Streitigkeiten sehen wir Sprachlosigkeit. Manche wissen nicht mehr, wie sie mit Konflikten umgehen sollen.“
Die Schüler seien manchmal ängstlich und verunsichert. Kein Wunder, denn die Kinder hätten während der Pandemie kaum Zeit in der Schule und vor allem zu Hause bei ihren Familien verbracht, hält die Pädagogin fest.
Nach Corona fallen Gruppenarbeiten schwer
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Das kann auch Projektmitarbeiter Pirker bestätigen. „Den Kindern fällt es schwerer, in den Übungen Beispiele aus Freundschaften zu finden. Zum Beispiel bei der Übung zum respektvollen Umgang miteinander. Viele Beispiele beziehen sich auf Eltern oder Lehrer. Außerdem sind es die Kinder nicht mehr gewohnt, in Gruppen zu arbeiten.“ Besonders schwierig sei dies bei Projekten in der zweiten Klasse. „Die Kinder sind quasi online eingeschult worden“, so Pirker.
Durch gezielte Förderung soll nun das soziale Miteinander wieder leichter werden. Das People’s Theater aus Offenbach ist Preisträger des Hessischen Präventionspreises und wurde als einer der vielversprechendsten sozialen Vereine in Deutschland ausgezeichnet. Finanziert wird es aus Mitteln des Bundesfamilienministeriums und der Stadt Mülheim im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.
Konfliktlösung auf Augenhöhe
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Durch den erlebnispädagogischen Ansatz wird ein kreativer Raum geschaffen, in dem die Schülerinnen und Schüler üben und lernen, sich auf Augenhöhe über alltägliche Konflikte auszutauschen und gemeinsam nach Handlungsmustern für ein friedlicheres Zusammenleben zu suchen. Die ehrenamtlichen Schauspieler spielen eine Szene vor, die Kinder diskutieren und werden dann selbst nach vorne geholt, um Lösungsvorschläge nachzuspielen. Es folgt direktes Feedback aus der Klasse.
Am dritten Projekttag geht es um das Thema Respekt. „Was bedeutet es, Respekt zu haben?“, fragt Moderator Paul Pirker die Gruppe. „Nicht schlagen und nicht ärgern“, sagt Schülerin Sophia. Und keine Gegenstände von anderen nehmen, ohne zu fragen, fügt ein anderes Kind hinzu.
Wie sagt man richtig Nein?
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Allen ist schon einmal etwas gegen ihren Willen weggenommen worden, wie eine kurze Abfrage zeigt. Aber die meisten meinen, dass es nicht leicht ist, sich dagegen zu wehren. Kurzerhand übt die Klasse, deutlich Nein zu sagen. „Nicht zu laut, aber auch nicht zu nett“, sagt Ida. Ragnah am liebsten: „Bitte nein, ich möchte das nicht.“
„Aber hört man immer auf, wenn jemand Stopp sagt“, fragt der Trainer. Nein, lautet die einhellige Antwort. „Aber möchte man selbst, dass das Nein akzeptiert wird?“ – diesmal folgt ein einstimmiges Ja. „Ihr merkt doch selbst, dass das nicht zusammenpasst, oder?“, fragt Pirker grinsend. Die Kinder lachen zustimmend. Die Botschaft von heute ist angekommen.