Mülheim. Wem gehört der öffentliche Raum? Nicht erst seit gestern fühlen sich junge Mülheimer wenig beteiligt. Im Jugendforum entwerfen sie Lösungen.

Es gibt zu wenig Platz und Angebote für junge Menschen in der sympathischen Stadt an der Ruhr. Besonders Jugendliche ab 14 Jahren finden im öffentlichen Raum wenig Möglichkeiten für Aktivitäten. Neu ist das Problem zwar nicht, doch nun hat sich das Mülheimer Jugendforum vorgenommen, den Mangel anzugehen. Besonders ein Aspekt mag manchen Erwachsenen überraschen.

Den macht Luisa am Mittwochabend in der Vier.Zentrale deutlich: Angsträume – denn offenbar fühlen sich auch Jugendliche im öffentlichen Raum gelegentlich nicht sicher. Die 16-Jährige schildert, wie „echt gruselig“ etwa die Situation an der U-Bahn-Haltestelle Eichbaum ist, besonders jetzt, wenn es früher dunkel wird. Die Sorge, dort belästigt oder gar angegriffen zu werden, beschäftigt sie. „Das schränkt total ein.“

Bedroht und abgezockt: Angsträume gibt es auch für Jugendliche

Auch anderswo, so berichten junge Leute, werden nicht nur ältere Menschen „bedroht und abgezockt“: an der Müga, am Hauptbahnhof, an Tiefgaragen. Einige Versuche gab es zum Beispiel, den öffentlichen Raum an der Eichbaum-U-Bahn zu beleben, anders zu gestalten. Nachhaltig wurde davon allerdings nichts.

Es ist aus Sicht der engagierten Jugendlichen beileibe nicht das einzige Projekt, das zur „Konzept-Leiche“ verkommen ist. Die meisten haben sie im 200-seitigen sogenannten Masterplan „Spielen und Bewegen“ der Stadt gefunden, der vor gut fünf Jahren öffentlich und beschlossen wurde. Für Philipp (27) ist das Jugendzentrum Stadtmitte darin ein prominentes Beispiel: Die Notwendigkeit, die Außenfläche zu erneuern, Angebote zum Spielen und Bewegen auszubauen, parkende Autos fernzuhalten, ist sogar zur „kurzfristigen Umsetzung“ festgelegt worden.

Auch eine vorbildliche Beteiligung von Jugendlichen habe es gegeben. Bis heute, so hat sich der 27-Jährige informiert, sei aber nichts geschehen – „im Gegenteil, es gibt sogar Bereiche, die inzwischen zum Spielen zu gefährlich geworden sind“.

Mit „Streifzügen“ und „Pop-Up-Aktionen“ wollen junge Leute Problemen auf den Grund gehen

Beide Themenkomplexe - Sicherheit und die Umsetzung des Masterplans - wollen die jungen Leute in den kommenden Monaten angehen, auf persönlichen „Streifzügen“ und mit „Pop-Up-Aktionen“ unter die Lupe nehmen. Anschließend will man die Öffentlichkeit und Politik damit konfrontieren.

Und dabei wird es längst nicht bleiben. Beim Brainstorming am Mittwochabend haben sie etliche Impulse gesammelt, von Detailfragen etwa der dringenden Erneuerung verschiedener Basketballkörbe auf Bolzplätzen der Stadt bis hin zum großen Ganzen, den fehlenden lokalen Angeboten etwa einer Skatebahn. An der Gesamtschule Saarn ist sie abgebaut worden, ohne dass ein Ersatz bereitgestellt wurde, kritisiert ein Jugendlicher. Positive Beispiele wie der Sportpark Styrum hingegen sollen sich möglichst in allen Stadtteilen verbreiten.

Von wegen Klischee: Konsum und Shoppen spielen für junge Leute eine untergeordnete Rolle

Was ist das Jugendforum?

Das Mülheimer Jugendforum ist ein Angebot der Partnerschaft für Demokratie Mülheim.

Die Partnerschaft wird seit Juni 2017 von der Stadt Mülheim gemeinsam mit dem Centrum für bürgerschaftliches Engagement e.V. (CBE) umgesetzt und ist Teil des bundesweiten Förderprogramms „Demokratie leben!“.

Ziel der Mülheimer Partnerschaft ist die Weiterentwicklung des demokratischen Gemeinwesens in der Kommune und die zielgerichtete Zusammenarbeit gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit.

2021 wird das Programm finanziell unterstützt von Westenergie und MEG. (Quelle: Jugendforum)

Eine wichtige Erkenntnis kristallisierte sich beim Ideenschmieden schnell heraus: Die Aspekte „Konsum“ und „Shoppen“ spielen bei den jungen Beteiligten nur eine untergeordnete Rolle. Hingegen standen Sport, Nahverkehr und Kultur in der Frage, wie öffentliche Räume jugendgerechter zu gestalten wären, ganz vorne auf der Agenda.

Wie fühlten sich die jungen Leute nach zwei Stunden Ideen sammeln und intensiver Debatte? „Motiviert – und ein bisschen müde“, antworteten die meisten mit zufriedenem Lächeln. Das Jugendforum will also Fahrt aufnehmen. Philipp, der schon einige Erfahrungen mit Jugendgremien und -runden machte, hat „große Hoffnung, dass sich hier eine Ideenschmiede und ein Raum entwickelt, in dem sich Jugendliche äußern können“.

In den Jahren zuvor sei es oft darum gegangen, Geld für Projekte zu vergeben, weniger darum, Dinge zu entwickeln. Der neue Ansatz sei vor allem der neuen Leitung von Michelle Blase zu verdanken, die das Jugendforum dafür offen halte. Im Dezember treffen sich die jungen Leute zum ersten Streifzug und weihnachtlichen Ausklang. Wer noch mitmachen will, wendet sich an: michelle.blase@cbe-mh.de