Mülheim. Ende 2023 sollen die Bauarbeiten am Mülheimer MPI für Chemische Energiekonversion beendet sein. Zum Zehnjährigen blickten die Chefs nach vorn.
Zwei Festzelte auf dem jüngst wiedereröffneten Parkplatz, ein Bierwagen, grüne und graue Luftballons mit dem neuen Logo und jede Menge fröhliche Gesichter: Wer am Donnerstag am Mülheimer Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion vorbeikam, ahnte gleich: Da ist etwas Besonderes im Gange. Das MPI feierte seinen zehnten Geburtstag. Viele weitere werden folgen, so die Redner. Es gibt auf Jahre hinaus viel zu tun. Die Energiewende verlangt nach Antworten – auch und gerade von den Experten aus Mülheim.
Rund 280 Mitarbeiter zählt das als „CEC“ bekannte Institut aktuell. Ihnen dankte das Führungstrio besonders. Bis vor kurzem war Prof. Robert Schlögl geschäftsführender Direktor, nun hat Prof. Walter Leitner übernommen. Dritte im Bunde ist Prof. Serena de Beer. Schlögl, der der CEC von Anfang an vorstand, geht Ende des Jahres in Ruhestand. Noch aber brennt er ganz und gar für seine Chemie und erzählte – ebenso wie die beiden Mitstreiter – mit Leidenschaft von aktuellen Projekten. Auch an die Zeit, als die erste Idee zum neuen Institut entstand, erinnerte der 68-Jährige: Mit Prof. Ferdi Schüth vom MPI für Kohlenforschung habe er zusammengesessen und dieser habe durchaus Skepsis geäußert. Die Diskussion mit dem Kollegen aber habe ihn inspiriert und motiviert. „Ich dachte: Doch! Genau so machen wir das . . .“
Prof. Ferdi Schüth nennt Zusammenarbeit der zwei Mülheimer Institute „wunderbar“
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Schüths Zweifel sind lange vom Tisch: „Das Institut hat weltweit eine hohe wissenschaftliche Sichtbarkeit erreicht“, hieß es in seinem Gratulationsvortrag. Es gebe „eine wunderbare Zusammenarbeit“ der beiden Institute auf dem Kahlenberg, man stelle sich vielen Problemen gemeinsam. Und er wisse: „Der CEC steht eine tolle Zukunft bevor.“ Auch personell bleibe es spannend, da in naher Zukunft die Berufung zweier neuer Direktoren bevorsteht.
Zum einen muss Ersatz gefunden werden für Prof. Schlögl, zum anderen verfolgt das Institut weiter den Plan, eine vierte Direktorenstelle zu besetzen und den Mitarbeiterstamm auf 400 auszuweiten. Wie Schlögl am Rande erklärte, werden sich in sechs Wochen in Mülheim mehrere Kandidaten vorstellen. Es existiere „eine Liste von rund zehn Leuten, die in Betracht kommen“. Wenn alles gut laufe, könne im Oktober ein erster Berufungsantrag gestellt werden. „Das Verfahren anschließend dauert etwa ein Jahr.“ Sprich, im Herbst 2023 könnte der vierte Direktor oder die vierte Direktorin am MPI beginnen.
Seit Anfang der Woche ziehen Mitarbeiter ins neue Bürogebäude des MPI CEC
Von den 2017 begonnenen Bauarbeiten wird die neue Führungskraft wohl nicht mehr viel mitbekommen. Laut der Technischen Betriebsleiterin Kerstin Neurieder wird das Großvorhaben, das sich um mehrere Jahre verzögert hat und deutlich teurer geworden ist als geplant, Ende 2023 abgeschlossen sein. Seit Anfang dieser Woche ziehen Mitarbeiter ins neue Bürogebäude. In etwa zwei Wochen soll auch das benachbarte Laborgebäude bezogen werden. Laut Leitner „freuen sich alle auf die neue Umgebung, sie stehen in den Startlöchern“.
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In den vergangenen zehn Jahren sei das Institut systematisch aufgebaut worden, seien gute Grundlagen gelegt worden. „Nun folgt der nächste Schritt, quasi die Teenager-Zeit.“ In dieser werde es etwa wichtig, „die Communities innerhalb der Katalyseforschung zusammenzubringen“, so Schlögl. Um die anstehenden Herausforderungen bewältigen zu können, müsse man Brücken bauen und global denken und handeln. „Das tun die Leute, die in Berlin Entscheidungen treffen, leider nicht immer.“ Schlögls Dank ging auch an die Geldgeber, die schon an den Erfolg der Mülheimer Einrichtung geglaubt hätten, bevor man überhaupt etwas habe vorweisen können: „Wir hoffen, dass wir ihnen viel zurückgeben können.“
Mülheimer Experte hält aktuelle Sanktionen gegen Russland nicht für ausreichend
In einem kurzen Interview nach der offiziellen Veranstaltung nahm Schlögl noch Stellung zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Er lobte die deutsche Regierung, die mit einer nie dagewesenen Situation konfrontiert sei, „sie macht eine tolle Arbeit“. Und dennoch müsse man sagen, dass die aktuellen wirtschaftlichen Sanktionen nicht das rechte Mittel der Wahl seien. „Wir können das Problem nicht mit Sanktionen lösen, die uns selbst nicht wehtun.“ Man schädige damit sicher viele Menschen in Russland, „aber nicht jene, die die Verantwortung tragen“.
Es sei „richtig und wichtig, sich von der einseitigen Energie zu lösen“. Eine Rolle rückwärts aber, die beispielsweise zur vermeintlich billigen Braunkohle zurückführe, sei das falsche Zeichen. Man müsse konsequent umsatteln, die Energiewende endlich vollziehen. „Hier in Deutschland haben wir wissenschaftlich und ökonomisch die Möglichkeit dafür, hochwertige Technologie zu entwickeln und erproben.“ Genau dies geschehe an der CEC, „von der Grundlagenforschung bis zum 100-Millionen-Euro-Projekt“ habe man sich dabei „einen verlässlichen Ruf“ erarbeitet. „Wir halten, was wir versprechen.“
Schlögl: „Der Ausstieg aus der Energieabhängigkeit ist handhabbar“
Für Schlögl, der jüngst Mitautor eines Hintergrundpapiers des Wasserstoff-Leitprojekts TransHyDE zur nationalen Energieversorgung war, ist der Ausstieg aus den Verträgen mit Russland „handhabbar“. Doch es werde nicht einfach: „Es braucht Anstrengungen von allen, die mit Energie zu tun haben.“
Die Bedrohung durch den Klimawandel sei „dramatisch“ und alles, was bisher dagegen getan werde, nicht ausreichend. „Wir müssen aufhören, rumzueiern und endlich etwas tun.“ Ohne tiefergehende Eingriffe ins Leben aller Menschen werde das nicht funktionieren. Die Katastrophe in der Ukraine rüttele viele wach, „der Krieg reißt die Deutschen aus ihrer Lethargie“. Die Politik aber spiele die Klima-Situation noch zu oft herunter, sei im Umgang mit der Bevölkerung nicht immer ehrlich. Dennoch: „Die Menschheit wird das packen – es gibt ja keine Alternative.“