Mülheim. Auch wenn bald viele Coronavorschriften fallen: Für Mülheimer Kitas gibt’s noch keine Entwarnung. Wie die Träger und die Leitungen damit umgehen.

Am 20. März sollen die allermeisten Corona-Beschränkungen wegfallen; eine gewisse Euphorie macht sich breit im Land. Laut NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) aber gibt’s keinen Grund für allzu viel Zuversicht: Die Omikron-Variante werde weiterhin zu massiven Personalausfällen in Kitas führen und im Einzelfall sogar zu Schließungen, warnte er jüngst. Schön ist diese Aussicht nicht, keine Frage. Und die Mülheimer Kita-Träger wollen das Szenario auch unbedingt verhindern. Doch eine solche Nachricht kann sie kaum noch schrecken, zeigt die Nachfrage dieser Redaktion. Zu Beginn des dritten Coronajahres gehören schwerwiegende Entscheidungen wie diese fast zur Normalität.

Zum Glück geht’s nur selten um Schließungen ganzer Einrichtungen. Am schwersten getroffen hat es bislang den Kita Zweckverband im Bistum Essen, Träger von 15 Einrichtungen vor Ort. Er musste in den vergangenen Monaten vier Kindergärten vorübergehend schließen, zwischen sieben und zehn Tage. Zudem gab es im Januar einen Fall an der Auerstraße, in einer städtischen Einrichtung: Die „Menschenskinder“ mussten einige Tage zu Hause verharren. Auch die von einer Elterninitiative betriebene „Villa Stöpsel“ am Oppspring in Holthausen blieb damals für eine Woche dicht. „Wir hatten auf einen Schlag fünf infizierte Mitarbeiter und 22 infizierte Kinder“, so Leiterin Silke Baumert. Da blieb keine Wahl.

„Die Situation ist nach wie vor angespannt“, sagt Mülheims Jugendamtsleiterin

Zumeist aber haben die Kita-Leitungen Optionen. An jedem Morgen analysieren sie die Zahlen, fragen: Wer ist infiziert, in Quarantäne, erkrankt? Aus welcher Gruppe? Lässt sich etwas umverteilen? Wer kann sich vielleicht freitesten? Wenn zu viel Personal entfällt, werden Betreuungszeiten reduziert oder einzelne Gruppen geschlossen. „Die Situation ist nach wie vor angespannt“, sagt Jugendamtsleiterin Lydia Schallwig. Aber man helfe sich untereinander, finde individuelle Lösungen.

Solange es eben geht, versucht man, die Gruppen und Einrichtungen nicht miteinander zu mischen. Doch die Stadt als Trägerin von 37 Kitas schickt notfalls auch Mitarbeiterinnen in andere Kitas, wenn Not herrscht. „Wir wollen Schließungen unbedingt verhindern; wir wissen, wie sehr sie die Familien belasten. Da gehen wir lieber das Risiko ein, dass jemand aus einer anderen Kita eine Infektion einschleppt.“

Nur noch mit massiv Überstunden läuft der Betrieb in den Kindertagesstätten

Testen alle Eltern zuverlässig? Personal bleibt skeptisch

Silke Baumert, die auch Stöpsel-Vorstand ist, erkennt aktuell einen leichten Rückgang der Coronafälle in den drei zum Verein gehörenden Kitas. „Man kann langsam dran glauben, dass es irgendwann besser wird.“ Am Freitag habe man sich sogar getraut, mit den Kindern Karneval zu feiern. „Vielleicht sehen wir Corona bald nur noch an wie alle anderen Infektionskrankheiten.“ Das wünsche sie sich, verstehe aber auch, „wenn jemand Ängste hat, weil zum Beispiel Vorerkrankungen vorliegen“.Beim Personal gebe es die Sorge, dass positive Fälle nicht rechtzeitig erkannt werden – „weil es keine Testpflicht im Kitabereich gibt“. Man könne nicht kontrollieren, ob sich wirklich alle Eltern an die Regeln halten, tatsächlich mindestens dreimal wöchentlich testen und die Kinder nur bei negativem Ergebnis in die Betreuung geben. Baumert fände es gut, wenn in Kitas PCR-Lollitests verpflichtend wären. Wie sich die Lockerungen ab 20. März auf den Alltag auswirken, ist noch völlig unklar. Bei Stöpsel sind die Erwartungen laut Baumert sehr unterschiedlich: „Es gibt Mitarbeiter, die voller Sorge auf diese Zeit blicken. Andere wiederum freuen sich auf die Lockerungen und mehr Normalität.“

Bei Stöpsel ist man deutlich vorsichtiger, „wir arbeiten nicht mehr gruppenübergreifend, haben keinerlei Austausch mehr, bieten keine AGs mehr an“, so Baumert. Bei der Graf-Recke-Stiftung, die vor Ort drei Kitas betreibt, arbeitet man zwar noch gruppenübergreifend, „aber unter den Einrichtungen tauschen wir das Personal auf keinen Fall aus“, sagt Pressesprecher Roelf Bleeker. Um in den Kitas Arche, Muhrenkamp und Sonnenblume noch klarzukommen, sei „Mehrarbeit fürs Personal nicht zu verhindern“. Auch wenn die Bereitschaft zu Überstunden generell hoch sei und Geduld noch vorhanden: „Die Lage ist zwangsläufig angespannt.“ Bislang sei man aber immerhin um komplette Schließungen herumgekommen.

Ausfälle aber gab’s auch bei Graf Recke reichlich, und damit den dringenden Bedarf, die Eltern darauf vorzubereiten: „Die Kommunikation mit ihnen ist wichtig“, betont Bleeker. Zum Glück zeigten die meisten Väter und Mütter „großes Verständnis“, wenn es mal unangenehm werde. „Aber das hängt natürlich immer davon ab, wie sehr es sie trifft.“ Der Kita-Zweckverband hat vor einiger Zeit alle Eltern angeschrieben, „um den Dialog aufrechtzuerhalten, Verständnis zu schaffen“, so Lina Strafer, Referentin für Kommunikation.

„Wir kennen den Druck, unter dem die Eltern stehen, ihre Ohnmacht, Angst, Frustration“

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Laut Lydia Schallwig geht es nicht immer freundlich zu in diesen Gesprächen: „Es gibt auch böse Worte und Drohungen. Wir versuchen, professionell damit umzugehen; wir kennen ja den Druck, unter dem die Eltern stehen, ihre Ohnmacht, Angst und Frustration.“ Kritik landet meist bei der Kita-Leitung oder auch bei Fachberatern des Amtes für Kinder, Jugend und Schule. „Die Gespräche können eine Herausforderung sein, aber zum Glück sind sie die meisten Ansprechpartner kommunikationsstark. Sie sprechen ja auch in Nicht-Corona-Zeiten viel mit den Eltern. Und so können sie einiges auffangen.“ Nur wenige Ausraster beschwerten die Stimmung nachhaltig. „Viele Eltern entschuldigen sich hinterher sogar“, weiß Schallwig.