Mülheim. Der Abriss an der Mülheimer Ibing-Brauerei pausiert aktuell. Heimliche Fotos sollen zeigen, dass man dabei wenig behutsam vorging. Stimmt das?
Wie steht es um die schützenswerten Fledermäuse, die in der ehemaligen Ibing-Brauerei in Mülheim überwintern? Seit eine Tochtergesellschaft der Duisburger Conle-Gruppe mit dem Teilabriss auf dem Gelände am Heuweg begonnen hat, schauen Anwohner skeptisch auf das Vorgehen. Fotos, die der Redaktion zur Verfügung gestellt wurden, sollen nun zeigen, dass der Abriss weitaus weniger behutsam verlaufe, als es durch ein Artenschutzgutachten festgelegt worden ist.
Das hingegen ist in der Sache eindeutig: So darf während der Winterschlaf-Phase der Arten Braunes Langohr und Wasserfledermaus am östlichen Teil, der an der Alten Straße liegt, nur die obere Lage abgerissen werden, nicht aber die Keller. Das Artenschutzgutachten hatte deshalb eigentlich Abbrucharbeiten in der Sommerzeit vorgeschlagen. Nur alternativ könne ein Teilabriss möglich sein, weil der Keller als Quartier solange erhalten werden müsse, bis man die sensiblen Tiere umquartieren könne.
Fotos werfen Fragen auf nach einer möglichen Störung der Fledermäuse in Mülheim
Doch selbst oberirdisch müsse der Eigentümer behutsam vorgehen. Es bedürfe einer „Überprüfung möglicher Störungen um Arbeiten rechtzeitig anzupassen oder zu stoppen“, heißt es im Artenschutzgutachten. Die Kontrolle der Abbrucharbeiten müsse durch eine ökologische Baubegleitung erfolgen.
Genau das aber – die Störung der winterschlafenden Fledermäuse – sollen nun Fotos belegen, die an die Redaktion gingen. Seinen Namen will der Urheber nicht nennen, denn um die Fotos machen zu können, musste dieser auf das abgesperrte Gelände. Er befürchtet daher eine Anzeige.
Von der Alten Straße aus gesehen, sieht der östliche Teil hingegen fast aus wie immer: Die äußere Fassadenruine steht scheinbar unangetastet auf dem Hügel. Auch seitlich von der Kreuzung zum Heuweg sind vom Zaun aus oberirdisch noch Fassadenteile auszumachen.
Fielen schwere Wandteile auf die Kellerdecke in Mülheim?
Doch andere Wände der östlichen Ruine sind offenkundig nicht mehr vorhanden. Die Fotos sollen daher zeigen, dass Teile dieser Fassade teils in größeren Brocken nach innen und somit auf die Kellerdecke gefallen sind. Man sieht darauf Brocken und jede Menge loser Wandteile aufgetürmt im Inneren liegen, wo sie zum Teil Zugänge zum Keller ganz oder zu wesentlichen Teilen zugedeckt haben.
Ein behutsames Vorgehen kann der Beobachter der Baustelle daher nicht feststellen: „Die Wände hat ein Bagger eingerissen“, schildert er der Redaktion. Wenn – wie bei dieser Vorgehensweise üblich – schwere Wandteile auf die Kellerdecke gestürzt seien, sorge das für Erschütterungen, die die Fledermäuse in ihrem Winterschlaf stören könnten. Sie könnten sogar von ihren Deckenplätzen gefallen und daran gestorben sein, mutmaßt dieser besorgt.
Beobachter fürchtet, die Fledermäuse seien womöglich vergrämt oder verstorben
Hinzu komme, dass die Halde aus Schutt und Steinen nun die Zu- und Ausgänge des Kellers blockierten, schildert er und zeigt entsprechende Fotos von teils verdeckten Torbögen. Die Tiere könnten möglicherweise weder raus noch rein.
Fledermäuse im östlichen Teil
Rund sieben Fledermäuse und drei Arten hat das Gutachten zur ehemaligen Ibing-Brauerei ausfindig machen können. Das Braune Langohr, die Wasserfledermaus sind während der Winterzeit in den Kellern oder in den Mauern des östlichen Gebäudekomplexes beheimatet. Eine Wasserfledermaus konnte etwa in Spalten zwischen Putz und Mauerwerk nachgewiesen werden. Auch die Zwergfledermaus hat man während der Winterperiode dort gefunden.
Der Beobachter befürchtet, dass sich das Problem der schützenswerten Fledermäuse auf diese Weise erledigt haben könnte, weil sie am Ende der Abrissmaßnahmen nicht mehr nachweisbar sein könnten. Sie könnten nur mit hohem Aufwand oder durch besondere Maßnahmen in neue Quartiere gebracht werden oder sie müssten mit Erhalt des Kellers auf dem Gelände verbleiben.
Im Klartext hieße das aber eine Vergrämung der Tiere. Genau dies hatte die Untere Naturschutzbehörde der Stadt ausdrücklich in einem naturschutzrechtlichen Bescheid untersagt. Um die traurigen Befürchtungen allerdings zu belegen, müsste man schon in die Gewölbe schauen und die Winterquartiere kontrollieren. Das scheint aktuell kaum möglich.
Stadt Mülheim prüft Maßnahmen: „in der Tat einwandfrei“
Konfrontiert mit den Fotos und Aussagen des Beobachters bleibt die Stadt bei ihrer Aussage, die Baustelle verlaufe „in der Tat einwandfrei. Sowohl der Vertreter des Eigentümers sowie das von ihm beauftragte Büro Graevendal, welches die Ökologische Baubegleitung vollzieht, haben dies auf Nachfrage bestätigt“. Die auf den Fotos sichtbare Decke sei zudem nur der obere Teil. Die eigentliche, 1,7 Meter dicke Gewölbedecke liege noch darunter.
Die Baubegleitung soll dazu bereits in der vergangenen Woche Stellung bezogen und dabei eindeutig bestätigt haben, dass die Fledermäuse durch die bisherigen Arbeiten nicht in ihrer Winterruhe gestört worden seien. Auch die Kellerzugänge seien nach wie vor vorhanden. Denn ein weiterer Anwohner hatte ähnliche Bedenken vorgebracht.
Die Abrissbereiche seien laut Artenschutzprüfung definiert und der Abriss soweit durchführbar gewesen, wie eine Störung ausgeschlossen werden konnte, betont die Stadt. Dieser Punkt sei nun erreicht, so dass die Baustelle ruhe und die weiteren Abbrucharbeiten erst fortgeführt werden können, wenn die Tiere ihr Winterquartier verlassen haben.
So soll der Abriss der Ibing-Brauerei in Mülheim weitergehen
Erst dann dürfen die in den nahen Umfeld stehenden Aufbauten abgerissen und geräumt werden. Im Anschluss daran sollen die Winterquartiere bis Herbst 2022 in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde durch die beauftragte Ökologische Baubegleitung für die nächste Saison optimiert werden.
Dabei soll der Verlust von Quartierstrukturen durch fünf Cluster mit jeweils fünf Exemplaren von Fledermauskästen inklusive mindestens zehn Strukturmaßnahmen im Bestandsmauerwerk – etwa Bohrungen – bis Ende August umgesetzt werden. Wichtig für die Stadt ist es, dass dieser Teillebensraum für die nachgewiesenen Fledermausarten durch den Eigentümer dauerhaft erhalten bleiben muss.