Mülheim. Mehr als 50 Jahre liegt die Ruine der Mülheimer Ibing-Brauerei im Dornröschenschlaf. Jetzt tut sich was. Wir haben mit dem Eigentümer gesprochen.
Nach den Fällarbeiten ist der mehr als 50 Jahre andauernde Dornröschenschlaf der lange Zeit zugewucherten Brauerei-Ruine am Heuweg offen sichtbar. Das Gelände könnte attraktiven Wohnraum bieten. Die Eigentümerin nahm nun Stellung zu ihren Planungen.
Geschichte der Brauerei Ibing
Zwei Söhne einer Hattinger Tuchfabrikanten-Familie, Friedrich und Richard Ibing, gründeten die Ibing-Brauerei 1863 in Mülheim. Dafür erwarben sie vom Steinbruchbesitzer Friedrich Osberghaus am Kassenberg zwei Grundstücke. Zu der dort erbauten Brauerei gehörte ein Felsenkeller, der fast 80 Meter weit in den Berg geschlagen war. Nur wenige Jahre später zog die Brauerei zu dem Ort um, wo heute die Ruine von mehr als 100 Jahren Braugeschichte zeugt.
1955 verkaufte die Familie Ibing die Brauerei, sie wechselte daraufhin mehrfach die Besitzer. Die letzte Eigentümerin, Schwabenbräu aus Düsseldorf, stellte schließlich am 18. Dezember 1967 die Brauerei-Produktion ein. Im Februar 1968 war die Ibing-Brauerei Geschichte.
Die Westfalia Immobilienverwaltung GmbH, eine Tochtergesellschaft der Duisburger Conle-Gruppe, ist Eigentümerin des Areals zwischen Heuweg und Alter Straße, das gut 6100 Quadratmeter Fläche misst. Das Unternehmen teilte auf Anfrage schriftlich mit, dass die Fällarbeiten zuletzt genehmigt gewesen seien. „Bei den gefällten Bäumen handelte es sich um gefährdungsbedingt notwendige Baumfällarbeiten“, hieß es. Die Arbeiten seien „im genehmigten Umfang“ und im geplanten Zeitrahmen abgeschlossen worden. Einen vom Mülheimer Umweltamt verhängten Fällstopp habe es nicht gegeben.
Vor einem Abriss ist ein Artenschutzgutachten zu erstellen
Abrissarbeiten, so teilt es die Westfalia Immobilienverwaltung mit, seien im Zuge der Fällungen noch gar nicht geplant gewesen. Gleichwohl habe man einen Abriss der einsturzgefährdeten Reste der Ibing-Brauerei schon im August 2020 bei der Stadt angezeigt. Bevor man abreißen könne, sei noch ein Artenschutzgutachten zu erstellen. Man sei dazu im engen Austausch mit dem Umweltamt.
Dass nach 50 Jahren des Verfalls nun der Abriss geplant ist, begründet die Eigentümerin mit ungebeten Gästen, die sich immer wieder Zutritt zum Gelände verschafft haben. „Wir beobachten mit Sorge, dass trotz eindeutiger Hinweisschilder und vollumfänglichen Absperrungen es immer wieder zu unerlaubten Grundstücksbetretungen kommt“, so das Unternehmen mit Verweis etwa auf die in der Ruine zuletzt entdeckte Cannabis-Plantage. Auch Hobbyfotografen hatten den „Lost Place“ (verlassenen Ort) schon aufgesucht und im Internet präsentiert.
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Eigentümer zieht Vermarktung des Geländes über Erbbaurecht in Betracht
Die Pläne für einen Abriss der Ruine seien präventiv zu sehen, aber noch kein Signal für eine zeitnahe bauliche Entwicklung auf dem Grundstück, heißt es seitens der Conle-Tochter. Aktuell verfolge man hierfür keine konkreten Pläne. Allerdings deutete die Westfalia Immobilienverwaltung doch an, was die Zukunft bringen könnte: „Da sich der Eigentümer zur Entspannung der aktuellen Wohnungsnot in der Verantwortung sieht, zieht er insbesondere eine Verpachtung auf Erbbaurechtsbasis in Betracht.“
Mülheims Bauverwaltung sind auch keine näheren Planungen zum Ibing-Gelände bekannt. Ein Bauantrag liege nicht vor, so Axel Booß als Leiter des Bauordnungsamtes. Baudezernent Peter Vermeulen sagte im Gespräch mit dieser Redaktion, dass der Eigentümer auf dem Areal nach Paragraf 34 bauen könne, sich also nur an der Bebauung im näheren Umfeld zu orientieren hätte. Ein Bebauungsplanverfahren sei nicht nötig.
Mülheims Bauverwaltung sieht schon lange großes Potenzial der Ibing-Fläche
Die städtische Bauverwaltung sieht schon lange großes Potenzial in einer Reaktivierung der Fläche als Wohnbauland; lange Zeit hatte die nahe gelegene Industrienutzung zwischen Ruhr und Kassenberg (Lederfabrik Lindgens) eine Entwicklung gehemmt. Mit der Wohnbau-Entwicklung auf dem Lindgens-Areal dürfte der Wert der Ibing-Fläche noch mal zulegen. Anfang 2020 lagen die Bodenrichtwerte im direkten Umfeld bei 320 Euro je Quadratmeter (mit ein- bis zweigeschossiger Bebauung) und 420 Euro je Quadratmeter (mehrgeschossig).