Mülheim. Zwei Jahre herrscht Stillstand am wuchtigen Rohbau eines Terrassenhauses in bester Ruhrlage Mülheims. Warum es partout nicht weitergehen mag.
Rien ne va plus? Tatsächlich geht seit langer Zeit nichts mehr am Rohbau des Terrassenhauses in bester Ruhrlage am Kassenberg. Die Käufer der Eigentumswohnungen hätten längst einziehen sollen, hängen aber seit Langem in der Luft. Im Hintergrund tobt offenbar eine heftige Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern der Bauherren-Firma.
Es ist ein Desaster um den Luxusbau am Mülheimer Kassenberg. Ein Terrassenhaus, in den Hang gebaut, das nun schon seit 2020 im Dornröschenschlaf liegt und als Mängel-Rohbau darauf wartet, von Bauarbeitern wachgeküsst zu werden.
2020 hatte die Stadt Mülheim zwischenzeitlich einen Baustopp verhängt
Ende Juni 2020 hatte die Baustelle am Kassenberg erstmals Schlagzeilen produziert. Kurzerhand hatte die städtische Bauaufsicht die Arbeiten stoppen lassen. Die Behörde hatte festgestellt, dass der Bauherr „von der erteilten Baugenehmigung in der Ausführung teilweise abgewichen ist“, hieß es seinerzeit. So schwerwiegend gar, dass die MVR Immobilien GmbH als Bauherrin eine neue Baugenehmigung einholen musste. Es ging um Abstandsflächen zum Nachbargrundstück, um gravierende Abweichungen beim Bau der Tiefgarage.
Drei Monate später sei jene Baugenehmigung aber erteilt worden, stellt der Leiter der Bauaufsicht, Axel Booß, aktuell noch mal fest. Eigentlich könnten die Arbeiten seither wieder aufgenommen sein. Das Bild, das sich Passanten, aber auch den ohnehin kritisch auf das Bauvorhaben blickenden Nachbarn bietet, ist jedoch ein anderes: Es tut sich rein gar nichts. Nicht mehr lange, dann steht die Baustelle seit zwei Jahren still. Viele Bürgerinnen und Bürger beklagen einen „Schandfleck“ in prominenter Lage an der Ruhr.
In der Bauherren-Firma tobt ein Machtkampf: Streit um Geschäftsführung
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„Warum nicht gebaut wird, kann nur der Bauherr beantworten“, sagte Bauaufseher Booß bereits im Herbst 2021 und wiederholt es auch heute. Hier allerdings wird’s kompliziert: Jene MVR Immobilien spricht längst nicht mehr mit einer Stimme. Im Hintergrund tobt ein Kampf zwischen den zwei Gesellschaftern, der Ende vergangenen Jahres gar darin gipfelte, dass Geschäftsführer Fernando M. Marques von dem einen Gesellschafter (Dirk von Rauchhaupt aus Bottrop) im November zunächst abgesetzt, wenige Wochen später vom anderen, dem Mehrheitsgesellschafter (Oguzhan Can aus Bochum), aber wieder eingesetzt wurde.
Zwischen den Stühlen und der Lage offensichtlich hilflos ausgesetzt: die Käufer der 13 Luxuswohnungen. Eine Käuferin ist Tanja Stein aus Bottrop. Sie berichtet, im November 2017 ihren Kaufvertrag für eine 82 Quadratmeter große Wohnung und 34 Quadratmeter Balkon mit Ruhrblick in dem Versprechen unterschrieben zu haben, im Dezember 2018 einziehen zu können.
Käuferin einer Wohnung: „Das ist vielleicht unser Weltuntergang“
Mehr als drei Jahre summieren sich bei Tanja Stein die Kosten der Bereitstellungszinsen für ihren aufgenommenen Kredit nach eigener Aussage schon auf einen fünfstelligen Euro-Betrag. Ihr erträumtes neues Zuhause aber steht immer noch im Rohbau da – ohne Aussicht auf Fertigstellung. Die erste Kaufpreisrate habe sie pünktlich gezahlt, erzählt die Käuferin. Die zweite habe sie wie andere Betroffene einbehalten. Weil ein beauftragter Gutachter massive Mängel am Rohbau festgestellt habe, sich die aktuelle MVR-Geschäftsführung der Sache aber nicht annehme.
Stein will aber die Hoffnung nicht aufgeben. Sie selbst habe das Glück, ihre angestammte Mietwohnung noch zu haben. Es gebe aber auch Käufer im Rentenalter, die für den Umzug ins Terrassenhaus ihre Einfamilienhäuser verkauft hätten und jetzt in Ferien- oder Mietwohnungen ausharrten, all ihre Möbel: eingelagert auf unbestimmte Zeit.
Minderheitsgesellschafter würde gerne helfen – sieht sich aber ausgebremst
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Dirk von Rauchhaupt ist der Minderheitsgesellschafter der MVR. Mit ihm zusammen würden Stein und andere Käufer gerne aus misslicher Lage heraussteuern. Von Rauchhaupt, der die Can Immobilien 2019 mit 60 Prozent in seine Gesellschaft hatte einsteigen lassen und kurz darauf die Geschäftsführung einbüßte, bestätigt das auf Anfrage. Nur sieht er sich ausgebremst, so lange er nicht als Geschäftsführer die Zügel in die Hand nehmen könne, was der Bochumer Mitgesellschafter verweigere.
Die Käufer der Eigentumswohnungen sollen gar in Erwägung gezogen haben, das Terrassenhaus mit ihren Rücklagen zu übernehmen und auf eigene Faust weiterzubauen. Dagegen spreche aber, dass einige Käufer bereits fest entschlossen seien, ihre Wohnungskäufe rückabzuwickeln. Auch die Baupreise sind zwischenzeitlich fast ins Unermessliche gestiegen.
Geschäftsführung bleibt Stellungnahme bis dato schuldig
Und was sagt die MVR-Geschäftsführung? Fernando M. Marques war für diese Redaktion bislang nicht zu sprechen, Oguzhan Can ebenso nicht. Für die Can Immobilien kündigte seine Frau Ebru Can vergangene Woche gegenüber der Redaktion eine zeitnahe Stellungnahme an, blieb diese aber bis zum Mittwoch schuldig.
Pläne für das Nachbargrundstück
Für das Nachbargrundstück zur brachliegenden Baustelle gibt es mittlerweile auch Baupläne, die reifen. Schon im vergangenen Jahr habe ein Investor einen Bauantrag bei der Stadt gestellt, so der Leiter der Bauaufsicht, Axel Booß, auf Nachfrage.
Geplant sei der Neubau einer betreuten Wohneinrichtung (als dauerhafte Pflegeeinrichtung) mit 30 Bewohnerplätzen.
Der entsprechende Bauantrag ist laut Booß „intensiv auch im Gestaltungsbeirat diskutiert und folgend abgeändert worden“. Aktuell werde das Vorhaben brandschutztechnisch umgeplant. Eine Baugenehmigung stehe entsprechend noch aus. Sollte sie erteilt werden, so werde das Bauvorhaben nicht beeinträchtigt sein durch den Bau-Stillstand am Terrassenhaus nebenan, so Booß.