Mülheim. Schreck für Mülheimer Mieter: Medl drohte, die Gasheizung kalt zu stellen. Der Hauseigentümer hatte lange nicht mehr gezahlt. Kein Einzelfall.

Schreiben der Medl sorgten vor wenigen Tagen für große Unruhe in einem Mietshaus am Muhrenkamp. Am Freitag lagen sie in den Briefkästen - schon am Dienstag sollte im Haus das Gas abgedreht werden. Die betroffenen Mieter traf diese Nachricht völlig überraschend.

Sieben Mietparteien wohnen im Haus. Der Energieversorger Medl teilte ihnen einzeln mit: „Trotz wiederholter Schreiben kommt der Eigentümer des Objektes (...) seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nach. Wir sehen uns daher gezwungen, die Gasbelieferung ab dem 8. Februar 2022 einzustellen. Zur Vermeidung dieser Maßnahme empfehlen wir Ihnen, Kontakt zu Ihrem Eigentümer aufzunehmen.“

Gas soll abgestellt werden - Schreiben erschreckte Mülheimer Mieter

Ein junger Mann, der den Brief bekam und erschrocken war über die Aussicht einer winterkalten Wohnung, lief ratsuchend zum Parteibüro der Linken am Dickswall. „Er war ganz aufgewühlt“, sagt Kreissprecherin Andrea Mobini. „Alle Mieter im Haus haben das Schreiben bekommen.“

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Die Medl machte ihre Drohung letztlich nicht wahr. Am Dienstag liefen die Gasheizungen noch, am Abend gab es dann Entwarnung. Der junge Mann habe ihr mitgeteilt, das Ganze sei wohl „ein Fehler der Verwaltung“ gewesen, berichtet Mobini. Nur: Welcher Verwaltung?

Laut Medl zahlte der Hauseigentümer fünf Monate keine Abschläge

Jedenfalls verdiene nicht die Medl den Schwarzen Peter, versichert deren Vertriebsleiter Jan Hoffmann. Sondern der Hauseigentümer, ein Immobilienfonds mit Sitz im Ausland, sei seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Den Vertrag über die Gasversorgung, erläutert Hoffmann, schließen die Eigentümer mit dem Energieversorger und müssen entsprechende Abschläge zahlen, die sie sich dann per Nebenkostenabrechnung bei den Mieterinnen und Mietern zurückholen.

So auch in diesem Fall. Die Hausbewohner zahlen ihre monatliche Miete, doch der Eigentümer zahlte die Abschläge nicht. Nach Auskunft der Medl über fünf Monate. Die Mieter wussten nichts davon.

Mehrfach sei die zuständige Immobilienverwaltung, WVB Centuria mit Hauptsitz in Berlin, angemahnt worden, sagt Vertriebschef Jan Hoffmann. „Am 28. Januar haben wir erneut an die Hausverwaltung geschrieben: Es wird kalt. Eine Reaktion erfolgte nicht.“

Sperrkassierer stand schon vor der Haustür

Der Sperrkassierer der Medl habe sogar schon vor der Haustür gestanden, berichtet Hoffmann, zeigte dann aber ein warmes Herz - als er sah, dass die Kälte ein Mehrfamilienhaus treffen würde. Man habe zunächst darauf verzichtet, den Gashahn zuzudrehen, betont Hoffmann, „aus reiner Nettigkeit“.

Die Medl informierte die Bewohner, dass der Eigentümer nicht zahlt. „Wir wollten über die Mieter Druck auf die Hausverwaltung ausüben. Und genau das haben wir auch erreicht.“ Mehrere Betroffene riefen offenbar in Berlin an, der Medl wurde daraufhin Zahlung versprochen, „daher haben wir von der Sperrung abgesehen“.

Dass die Hausbewohner von der Drohung der Medl wenig begeistert waren, kann Hoffmann nachvollziehen. „Doch wir sind für böses Blut der falsche Adressat - eher die Hausverwaltung in Berlin.“

Hausverwaltung: Rechnung wurde nicht rechtzeitig zugestellt

Die Geschäftsführerin der WVB Centuria, Marion Vollmer, kontert und teilt auf Anfrage mit: „Der Versorger Medl hat die Rechnung/Abschlagspläne leider nicht an uns zugestellt.“ Bereits am 24. Januar habe man um Übersendung gebeten, um die Versorgung des Hauses am Muhrenkamp sicherzustellen. Medl habe jedoch erst am 8. Februar Kontakt aufgenommen und die notwendigen Rechnungen geschickt, heißt es bei WVB Centuria.

Die Rechnungen seien am selben Tag bezahlt worden. „Die zukünftigen Zahlungspläne liegen nunmehr vor und werden fristgerecht gezahlt“, verspricht die Geschäftsführerin. „Die entstandenen Unannehmlichkeiten unserer Mieter bedauern wir.“

Mieterbund-Fachanwältin: „Erleben solche Fälle leider häufiger“

Der Ärger am Muhrenkamp ist kein Einzelfall, das bestätigt Sonja Herzberg, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie Vorstandsmitglied beim Mieterbund Rhein-Ruhr. „Dass eine Versorgungssperre angedroht, aber dann doch noch kurzfristig gezahlt wird, erleben wir leider häufig. Dass tatsächlich abgesperrt wird, ist zum Glück selten.“

Medl warnt meist drei Tage vorher

Das Medl-Schreiben an die Mieter am Muhrenkamp datiert von Freitag, den 4. Februar 2022. Nach Auskunft der Medl wurde es noch am selben Tag vor Ort in die Briefkästen geworfen.Bereits am Dienstag, 8. Februar, sollte das Gas abgestellt werden, falls der Vermieter nicht noch kurzfristig zahlt.Laut Medl ist dies keine besonders kurze Frist: Eine drohende Sperrung werde „in der Regel drei Tage vorher angekündigt“, heißt es dort.

Problem - aus Sicht der Mieter - sei, dass es keinen öffentlichen Versorgungsauftrag gibt. De facto darf also abgesperrt werden. Wenn die Androhung kommt, könnten Mieter sich zusammenschließen, ausgleichen und gegenüber dem Vermieter mit ihren laufenden Mietzahlungen aufrechnen, erläutert Herzberg. Vorausgesetzt, der Energieversorger spielt mit.

Notfalls gebe es noch die Möglichkeit, beim Amtsgericht eine einstweilige Verfügung zu erwirken und die Versorgung auf diesem Wege zu erzwingen. „Zuvor muss man aber den Vermieter noch einmal auffordern, die Versorgung herzustellen“, so die Anwältin.

Gassperren durch die Medl: „Niedrige dreistellige Zahl“ pro Jahr

Dass das Gas tatsächlich abgesperrt wird, kommt nach Aussage der Medl relativ selten vor. Vertriebsleiter Jan Hoffmann nennt keine genaue Zahl, spricht nur von einem „niedrigen dreistelligen Wert“ bei knapp 30.000 Gaskunden in Mülheim insgesamt. Im vergangenen Jahr seien es eher weniger Sperrungen geworden.

Doch die Befürchtung ist begründet, dass solche Fälle in Zukunft häufiger vorkommen. Die Energiepreise, insbesondere die Gaspreise, sind extrem gestiegen, was auch in Mülheim schon viele Menschen in Schwierigkeiten gebracht hat.