Mülheim. Mülheims Gesundheitsdezernentin wirbt für Kinderimpfung. Eine anonyme Elterngruppe beschwert sich beim OB, wagt sich aber nicht aus der Deckung.

Mit einem klaren Impfappell ist die Mülheimer Gesundheitsdezernentin Dr. Daniela Grobe an alle Familien herangetreten. Mit ihrem Elternbrief vom 24. Januar möchte sie alle, die noch zaudern, von der „Sinnhaftigkeit“ der Kinderimpfung überzeugen.

Grobe verweist auf die massiv gestiegenen Infektionszahlen seit Ende der Winterferien und bemüht sich, die bekannten Vorbehalte gegen das Impfen argumentativ zu entkräften. „Je mehr Menschen, damit auch je mehr Kinder geimpft sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Pandemie schneller hinter uns lassen können“, schreibt die Dezernentin.

„Besorgte Eltern“ beschweren sich schriftlich beim Mülheimer OB

Gegenwind von impfkritischer Seite war zu erwarten. Beschwerden halten sich aber - angesichts der Gesamtzahl von Familien mit Fünf- bis Elfjährigen - bislang in Grenzen. So ging ein kritisches Schreiben bei Oberbürgermeister Marc Buchholz ein, verfasst von einem „Zusammenschluss besorgter Eltern und Erziehungsberechtigten aus Mülheim“, wie es heißt. Angeblich unterstützen mehr als 30 Familien das Schreiben, das auch öffentlich verbreitet wurde. Doch keine einzige Person tritt namentlich in Erscheinung.

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Die Verfasser kritisieren den Elternbrief der Dezernentin. Er werbe eindeutig für die Kinderimpfung „und löst so zusätzlichen Druck bei dieser doch so schweren Entscheidung aus“, heißt es. Zudem widerspreche er eindeutig der Stiko-Empfehlung für Fünf- bis Elfjährige, die bislang nur bei Kindern mit Vorerkrankungen zur Immunisierung rät.

Angeblicher Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz

Werbung für die Corona-Schutzimpfung, wie die Gesundheitsdezernentin sie mache, verbiete das Heilmittelwerbegesetz, argumentieren die anonymen Eltern. Außerdem versuchen sie, einige „offensichtliche Falschinformationen“ im Elternbrief mit Hilfe zahlreicher Gegenthesen, Zitate und Links zu widerlegen. Ein Fragenkatalog sei an den OB sowie an Gesundheitsdezernentin Dr. Grobe und Schuldezernent David Lüngen gegangen, mit der Bitte um Antworten bis zum 11. Februar.

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Eine Sprecherin der Gruppe, die der Redaktion namentlich bekannt ist, erklärte, die kritische Anfrage sei im Namen von über 30 Familien formuliert worden, die sich über soziale Medien zusammengeschlossen hätten. Viele Eltern von Grundschulkindern seien darunter, aber auch von älteren Kindern an weiterführenden Schulen.

Die Frage, warum niemand namentlich dazu steht, beantwortet die Sprecherin so: „Die Eltern haben einfach Sorge, dass herauskommt, wer sich über den Brief beklagt hat, und dass ihr Kind in der Schule darauf angesprochen wird. Das möchten sie vermeiden.“

Kinder-Impfung im großen Stil

Die Stadt Mülheim hat am 17. Dezember des vergangenen Jahres im großen Stil mit Kinderimpfungen für Fünf- bis Elfjährige begonnen. Allein am ersten Wochenende wurden fast 1000 Mädchen und Jungen immunisiert.

Mittlerweile wurden rund 4000 Kinder allein an städtischen Stellen geimpft - 2300 haben ihre erste Impfung bekommen, 1700 ihre zweite Impfung. Daneben impfen auch niedergelassene Kinderärzte.

Die Kinder-Impfstelle der Stadt Mülheim öffnet weiter an einzelnen Tagen im Technikum auf dem ehemaligen Tengelmanngelände. Nächster Termin ist Samstag, 19. Februar, von 10 bis 16 Uhr.

Boosterimpfungen sind momentan für Kinder unter zwölf Jahren nicht vorgesehen.

Stadt Mülheim wird anonymes Schreiben nicht beantworten

Eine offizielle Antwort wird die Gruppe allerdings nicht bekommen. „Wir gehen auf anonyme Schreiben grundsätzlich nicht ein“, erklärte Stadtsprecher Volker Wiebels am Montag, in Abstimmung mit dem OB und der Gesundheitsdezernentin. Wer eine Antwort wünsche, könne die Verantwortlichen der Stadt gerne kontaktieren, müsse aber identifizierbar sein.

So werde Frau Dr. Grobe zwei andere Schreiben zu ihrem Impfappell beantworten - ebenfalls von Mülheimer Eltern, die sich beschweren. „Diese Briefe sind aber nicht öffentlich“, betont Wiebels.

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Der Elternbrief der Gesundheitsdezernentin wurde am 26. Januar nach Auskunft der Stadt per Mail an alle Mülheimer Schulleitungen und alle Schulpflegschaftsvorsitzenden gesendet - versehen mit der Bitte, das Schreiben „gerne an die Eltern weiterzuleiten“. Verpflichtend war dies nicht, und nicht alle Schulen haben es getan.

So erklärt der Leiter einer großen Mülheimer Schule, der die entsprechende Mail in der täglichen Flut unzähliger Corona-Mitteilungen fand, sie hätten den Elternbrief noch nicht verteilt. Keineswegs wegen inhaltlicher Bedenken, doch es laufen gerade Schulanmeldungen: „Wir müssen so vieles andere organisieren.“