Oberhausen. Eine Frau, die von ihrem Partner misshandelt wird, braucht Mut für einen Neuanfang. Das Frauenhaus bietet seit 40 Jahren Schutz und Hilfe.
Am Anfang war man(n) sich nicht sicher, ob es in Oberhausen überhaupt einen Bedarf für eine Einrichtung gibt, in der Frauen Schutz vor ihren gewalttätigen Ehemännern oder Partnern finden können. Aber immerhin: Die Stadt stellte 1979 ein Abbruchhaus zu Verfügung, um das Ganze mal zu testen. Damit war Oberhausen eine der ersten Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die ein Frauenhaus hatten. Zuvor, 1977, hatte sich der Verein „Frauen helfen Frauen“ gegründet, der auch heute noch der Träger der „autonomen“, also verbandsunabhängigen Einrichtung ist.
Unterstützung ist groß
Nun, 40 Jahre später, zweifelt wohl niemand mehr ernsthaft die Notwendigkeit eines Frauenhauses an. „Früher hatten wir das Gefühl, dass wir die einzigen sind, die auf das Problem aufmerksam machen. Das hat sich sehr verändert, heute ist die Unterstützung groß“, sagt Dorothee Schenke, die bis Ende September dieses Jahres die Leiterin der Oberhausener Schutzstelle war.
Prügel sind Privatsache
30 Jahre hat die 65-Jährige dort gearbeitet. Wenn am 11. Oktober der 40. Geburtstag gefeiert wird, ist sie schon in Rente. Der gesellschaftliche Blick auf das Thema Gewalt gegen Frauen habe sich in den letzten Jahrzehnten verändert, hat Dorothee Schenke erfahren, früher sei ein prügelnder Ehemann Privatsache gewesen, „ganz viele Leute haben gedacht: ‘Das geht uns nichts an’, sagt die Sozialpädagogin. „Oder sie haben gedacht: ‘Die Frauen sind selbst schuld’“, ergänzt Suna Tanis-Huxohl, seit 2004 Mitarbeiterin im Frauenhaus. Die 49-Jährige hat Erziehungs-, Medien- und Politikwissenschaften in Düsseldorf studiert und ist jetzt die neue Leiterin des Frauenhauses.
Plätze reichen nicht aus
Der Bedarf steht also außer Frage, im Gegenteil: Die elf Plätze für Frauen und sieben für Kinder reichen bei weitem nicht aus, allein 2018 musste das Frauenhaus 165 Hilfe suchende Frauen wegen Überfüllung abweisen, 53 Frauen und 55 Kinder konnten dagegen im vergangenen Jahr dort unterkommen. Trotzdem das Frauenhaus ein fester Bestandteil der stadtgesellschaftlichen Fürsorge geworden ist – eine staatlich abgesicherte Leistung ist es deshalb noch lange nicht. Die Finanzierung steht auch im Jahr 2019 zu großen Teilen auf wackligen Füßen (siehe dazu auch die Infobox).
Normalen Alltag leben
Wenn die geschlagenen, verängstigten Frauen vor der Tür stehen, dann ist die oberste Priorität, „ihnen Schutz zu geben und das Gefühl zu geben, dass sie bei uns sicher sind“, erklärt Dorothee Schenke. Neben der Zusammenarbeit mit der Polizei, mit Ämtern und der ganz praktischen Hilfe für ein neues Leben ohne den gewalttätigen Ehemann (Konto eröffnen, Wohnung finden, Kinder betreuen), gehe es vor allem darum, im Frauenhaus „einen normalen Alltag zu leben“, die Frauen sollten eben mehr als ein Dach über den Kopf bekommen. Dazu gehört auch, morgens zusammen zu frühstücken. „Die Frauen sollen hier auf freundliche Menschen treffen, die ihnen Achtung und Aufmerksamkeit entgegen bringen“, sagt Schenke. Das sei ein wichtiger Aspekt für ihre (seelische) Stabilisierung.
Verwinkelt und abgewohnt
Dazu trägt auch bei, dass das Frauenhaus 2012 eine andere Immobilie bezogen hat: Auf 300 Quadratmetern gibt es mehr Platz und mehr Privatsphäre als in dem früheren Haus, das nach dem ersten Abbruchhaus von 1980/81 bis eben 2012 als Anlaufstelle diente. Verwinkelt, abgewohnt, eng war das. Teilweise mussten die traumatisierten Frauen sich in ein Doppelzimmer quetschen, sehr belastend für die Betroffenen.
Die Wohnsituation hat sich deutlich verbessert: Das neue Frauenhaus hat der Trägerverein gekauft, die Abtragung sei auch nicht teurer, als die Miete für das alte Haus vorher. Was schwieriger geworden ist, sei die Bürokratie, berichten Schenke und Tanis-Huxohl. Ausweispapiere und Geburtsurkunden beibringen, Anträge stellen, „vieles ist komplizierter geworden“ und sei nicht mehr durch einen einfachen Anruf zu erledigen. Auch seien die Probleme der Frauen komplexer (Schulden zum Beispiel). Und eine Frau, die weinend und mit einem blauen Auge vor einem sitzt, mit Formularen zu malträtieren, halten beide Frauenhaus-Mitarbeiterinnen für mehr als unglücklich. Da die Einrichtung aber auf Kostenerstattung angewiesen ist (zum Beispiel vom Jobcenter für die Unterkunft), kommen die Mitarbeiterinnen um das Prozedere nicht herum. „Es ist unverständlich, dass Opfer Miete zahlen oder Leistungen beantragen müssen, damit ihnen geholfen wird“, sagt Tanis-Huxohl.
Ohne Netzwerke
Geändert hat sich auch die Klientel: Kamen früher mehr deutsche und in den 1990er Jahren auch viele türkischstämmige Frauen, so sind es aktuell viele geflüchtete Frauen aus Syrien, Afghanistan, Irak. Für die Mitarbeiterinnen ist die Entwicklung nachvollziehbar: Im Unterschied zu deutschen oder türkischstämmigen Frauen in der dritten Generation, die hier oft Netzwerke haben oder Angehörige, die sie auffangen, sind Geflüchtete hier ganz allein. „Wir sind die letzte Station, hier kommt keine gerne hin, weil es so schön ist“, verdeutlicht Dorothee Schenke die Notlage.
Zwei Todesfälle hatte das Frauenhaus in den 40 Jahren seines Bestehens zu verkraften. In beiden Fällen waren die Frauen in die Wohnung zurückgegangen, weil sie etwas holen wollten und sind dann von den jeweiligen Männern umgebracht worden. „Wir sagen den Frauen immer, dass sie in der Trennungsphase keinen Kontakt zu den Männern aufnehmen sollen, das ist die gefährlichste Phase“, sagt Leiterin Suna Tanis-Huxohl. Ohnehin ergeben sich heute durch die digitalen Medien ganz andere Sicherheitsprobleme als noch vor zehn oder mehr Jahren. Durch Ortungs-Apps oder Aktivitäten in sozialen Medien wie Facebook oder Instagram seien die Frauen für ihre Männer auffindbar.
Smartphones nicht nutzen
Die Drohung der Männer „Ich finde dich überall, egal wohin du fliehst“, werde dann schreckliche Realität. Deshalb sollten die Frauen ihre Smartphones eigentlich gar nicht nutzen, wenn sie ihrem zu Hause entkommen sind. Gleichzeitig sind die digitalen Geräte oft die einzige Verbindung zu Freunden, Bekannten, der Welt. Immer mal wieder stehen brüllende Männer vor der Tür, „dann rufen wir die Polizei“.
Feier mit Unterstützern
Zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft der autonomen Frauenhäuser kämpft das Oberhausener Frauenhaus für eine grundständige Finanzierung durch Land und Bund. Zwar übernimmt das Land rund 65 Prozent der Personalkosten für die 4,5 Stellen, aber noch immer im Status einer Förderung.
Ein Teil der Kosten wird über Einzelfälle beglichen, wenn die Frauen zum Beispiel beim Jobcenter anspruchsberechtigt sind. Bis die Anträge beschieden sind, können Wochen vergehen. Nicht nur in diesen Fällen, sondern auch bei nicht anspruchsberechtigten Hilfesuchenden geht das Frauenhaus oft in Vorleistung. Im Schnitt bleiben die Frauen heute länger als früher im Frauenhaus, rund sechs Monate. Grund für dei längere Verweildauer ist auch der zunehmende Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Spenden sind eine wichtige Säule zur Finanzierung. Deshalb feiert das Frauenhaus am 11. Oktober im Zentrum Altenberg mit seinen Unterstützern aus Politik, Organisationen, Wirtschaft und aus dem Rathaus.
Von der einstigen Wagenburg-Mentalität ist das Frauenhaus abgerückt, „wir sind offener geworden“, sagt die neue Leiterin Suna Tanis-Huxohl. Darunter dürfe die Sicherheit der Frauen aber nicht leiden. So gerne sie ihre Arbeit über die 30 Jahre gemacht hat, „ich habe oft nachts wach gelegen“, sagt Dorothee Schenke rückblickend. „Das war sehr belastend. Vor allem zu erkennen: Wo können wir helfen, wo sind unsere Grenzen.“