Mülheim. In Mülheim sind 31 Prozent der Einwohner über 60 Jahre. Die Stadt hat längst die Bedürfnisse einer immer älter werdenden Bürgerschaft im Fokus.

Mülheim steht ganz oben bei den Kommunen/Kreisen mit der ältesten Bevölkerung in NRW: 45,7 Jahre ist ein Mülheimer Bürger, eine Bürgerin, im Schnitt alt, stellte kürzlich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) fest. Damit liegt Mülheim unter dem Landesschnitt mit 44,3 Jahren. Nur der Kreis Mettmann (46) und der Ennepe-Ruhr-Kreis (46,3) haben eine „ältere“ Bevölkerung. 14.104 Mülheimer sind älter als 80 Jahre; 30,7 Prozent der Einwohnerschaft sind 60 plus. Die Zahlen vom Amt für Stadtforschung und Statistik stammen aus dem Jahr 2020. Doch schon seit 2008 hat die Stadtverwaltung die Bedürfnisse einer immer älter werdenden Bürgerschaft im Fokus.

Ein „Handlungskonzept für eine generationengerechte Stadt“ hatte sich die Stadt damals schon gegeben, erinnert Sozialplaner Jörg Marx, der die Entwicklung von Anfang an im Sozialamt begleitet hat. Älteren, hochaltrigen und vor allem alleinstehenden Bürgerinnen und Bürgern sollte künftig mehr Beratung und Unterstützung im Alltag, in der eigenen Wohnung zuteilwerden. Die Senioren- und Wohnberatung richtete sich damals neu aus und ist längst auch Anlaufstelle für Angehörige. Pflegestützpunkte (zur Hilfe und Beratung für alle pflegerischen und sozialen Unterstützungs- und Hilfsangebote) wurden miteinbezogen, als sich damals aus Nachbarn, Dienstleistern, sozialen Organisationen und anderen ein „Netzwerk der Generationen“ in den Stadtteilen gründete.

Viele Mülheimer wissen nichts von ihrem Anspruch auf Wohngeld oder Grundsicherung

Die besonderen sozialen Bedürfnisse einer älter werdenden Gesellschaft wurden dabei von Anfang an „nicht als Problem, sondern als Herausforderung“ gesehen, das betont Jörg Marx bis heute. Denn Altenhilfe versteht er als „Hilfe, die dazu dient, dass man in Würde und gern in Mülheim alt werden kann“. Ältere Menschen würden oft erfahren, „dass sie nicht mehr so ernst genommen werden wie Berufstätige. Das darf sich eine Gesellschaft nicht leisten“, ist Jörg Marx überzeugt. „Die Menschen haben ja einen Anspruch auf zusätzliche Hilfen, die ihr Leben erleichtern.“ Viele wüssten gar nichts von ihrem Anspruch auf Wohngeld oder Grundsicherung.

Was damals mit Workshops in den Stadtteilen begann, ist längst zu einem Netzwerk mit vielen Kontakten untereinander gewachsen, so Marx. Ein Netzwerk, das Begegnungen ermöglicht und Unterstützung schafft. Ein Schwerpunkt ist dabei das möglichst lange, selbstständige Wohnen, ein zweiter die Gesundheit und der Zugang zu Pflegeleistungen. Die Teilhabe an Kultur, Bildung und anderen Freizeitaktivitäten gehört für Jörg Marx ebenfalls unverzichtbar dazu.

Beratung zu Hause, ob und wie in der eigenen Wohnung im Alter gelebt werden kann

Die Förderung der Wohnberatung ist ein Beispiel für das städtische Engagement, das Jörg Marx zuerst nennt. Ob und wie in der eigenen Wohnung auch im Alter gelebt werden kann, darüber berät ein städtischer Mitarbeiter persönlich zu Hause. Tipps für die Finanzierung möglicher Umbauten gibt es auch, betont Marx. Ein zweites, ebenso wichtiges Beispiel: Die Förderung der Nachbarschaft, etwa mit Begegnungsstätten, Nachbarschaftscafés. „Wir arbeiten auch eng mit den Wohnungsbaugesellschaften zusammen“, so Jörg Marx.

Bei den Themen Gesundheit und Pflege ist der Anspruch der Stadt, „mehr als nur Heimbetten zu zählen“, betont Sozialplaner Marx. „Wir setzen uns für eine menschenwürdige Pflege ein. Da ist unsere Heimaufsicht sehr gefordert.“ Die Heimaufsicht wirke auch als Berater der Altenpflegeeinrichtungen, nehme die gesamte Pflege in den Blick. Der ratsuchende Bürger kann sich an den Pflegestützpunkt wenden. „Es geht darum, den Menschen auch die richtige Hilfe anzubieten“, betont Marx.

In Mülheim sind viele Hilfsangebote gut vernetzt

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Hier komme das Netzwerk ins Spiel. „In Mülheim“, ist Jörg Marx überzeugt, „sind wir sehr gut vernetzt“. Er hat ja auch den Vergleich mit anderen Kommunen, tauscht sich regelmäßig in der landesweiten „AG Seniorenbüros“ aus. Marx nennt als Beispiel etwa einen Bürger in Styrum, der nichts von einem Seniorenfahr- und -begleitdienst zum Hausarzt weiß. Der Nachbarschaftsverein Styrum helfe da weiter. Oder die Ehefrau, die mit ihrem demenzkranken Mann bei der Seniorenberatung in Saarn vom Angebot „Tanzen im Schloss“ der Alzheimer Gesellschaft hört und so etwas gemeinsam mit ihm unternehmen kann. Auch das könne gute Netzwerkarbeit leisten. Das Mülheimer Unterstützungsnetzwerk lebe von der Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen mit (bezahlten) Hauptamtlichen, betont Marx.

Ältere Menschen sind gut über Freizeitangebote zu erreichen

Ansprechpartner und Kontakte

Im Netzwerk „Nah & Fair – Kooperationsgemeinschaft bürgerorientierter haushaltsnaher Dienstleistungen Mülheim“ haben sich Betriebe unter anderem aus Handwerk und Pflege zusammengeschlossen, um Senioren und Familien zu versorgen. Kontakt über das Netzwerk der Generationen: 455-5012.

Kontakt zu städtischen Beratungsangeboten bekommt man über das Callcenter der Stadt: 455-0. Die Senioren-, Pflege- und Wohnberatung erreicht man so: 455-5007, -5057, -5058 sowie -5059. Fragen zur Pflege: Teamleitung Pflegemanagement, 455-3518.

Mülheims Sozialplaner Jörg Marx ist zu erreichen unter 455-5012 oder per E-Mail: joerg-marx@muelheim-ruhr.de.

Die Menschen kann man gut über freizeitbezogene Maßnahmen erreichen, wie Quartiersfeste. Als Beispiel nennt Marx auch die Stadtteilspaziergänge, die schon ein Selbstläufer seien. Auch Seniorenbegegnungsstätten bewegen sich im Bereich Freizeit und Kultur. Beispiele einer Zusammenarbeit mit Sportvereinen und Jugendfreizeiteinrichtungen gebe es auch schon.

Ein großes Zukunftsthema ist auch in der Seniorenarbeit die Digitalisierung: Wie kann man Älteren die digitale Teilhabe ermöglichen? Am Interesse der Mülheimer Senioren scheitert es jedenfalls nicht: „Die Anfrage nach Smartphone-Kursen wächst“, weiß Sozialplaner Jörg Marx.