Mülheim. Eine gute Seele vom Hans-Böckler-Platz: Beate Gottwald organisiert Nachbarschaftstreffs und leitet einen Chor. In der Corona-Zeit gibt es Kuchen.
Eine gute Nachbarschaft ist Gold wert. Das steht für Beate Gottwald außer Frage. Sie ist eine der guten Seelen am Hans-Böckler-Platz. Insgesamt 200 Parteien passen in die Hausnummer sieben, die Rentnerin kennt „locker die Hälfte“. Seit 22 Jahren lebt sie in dem Plattenbau am Hauptbahnhof. „Ich bin hier total zufrieden“, sagt sie.
Und genau dieses Gefühl möchte sie weitertragen. „Ich kann mir das einfach nicht vorstellen, im Alter nur noch stumpfsinnig vor mich hinzudümpeln.“ Gesagt, getan. Als sie in Rente geht, hat sie das Bedürfnis, weiterhin aktiv zu bleiben und wird Teil der Mülheimer Lotsen. Als Bindeglied zu Ämtern aber auch als Vermittlerin für Sport- oder Tanzangebote ist sie Ansprechpartnerin für Senioren, um ihnen das Leben zu erleichtern. „Das habe ich gerne gemacht, aber irgendwann wurde das nicht mehr so gut angenommen.“
Seniorin organisiert Nachbarschaftstreff und einen Chor
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Deshalb entschloss sich die ehemalige Friseurin, einen Nachbarschaftstreff zu organisieren. Unten im Haus ist die „Tenne“, ein ehemaliges Restaurant, das nun für die Treffen genutzt werden kann. Einmal im Monat treffen sich dort bis zu 15 Frauen und Männer. „Viele der Treffs sind nur für Bewohner, meiner ist offen“, sagt Gottwald.
Dann gibt es Kuchen und gute Gespräche. Die 70-Jährige organisiert die Treffen alleine, backt, kocht Kaffee, überlegt sich kleine Aktionen. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt. „Eigentlich ist der Treff für alle Bewohner gedacht, doch es kommen nur die älteren Menschen. Ich kann das schon verstehen, worüber will man sich auch mit Senioren groß unterhalten. Aber schade ist es trotzdem.“
„Leider wollen nur wenige Leute Verantwortung übernehmen“
Doch die Seniorin gibt nicht auf. Aus dem monatlichen Treff entsteht eine weitere Gruppe. Der „HBP-Jugendchor“ trifft sich alle zwei Wochen, dann wird geklönt und gesungen. Volkslieder. „Die älteste Dame ist 93“, schmunzelt die Bewohnerin über den Chornamen. Auf einem Sommerfest am Hans-Böckler-Platz hatte die Gruppe sogar schon einen Auftritt. „Ich gehe den Leuten aber auch auf die Nerven, spreche sie im Aufzug oder im Wasch-Salon an, ob sie nicht mitmachen wollen“, erzählt sie.
Aktiv sei sie, „und auch ein bisschen dominant“. Nikolausfeiern, Mittsommernachtsfeste und Grillpartys hat sie schon mitorganisiert. „Meistens alleine. Leider wollen wenige Leute Verantwortung übernehmen. Das ist es mir trotzdem wert.“ Trotz Corona lässt sie nicht locker. Auch wenn Nachbarschaftstreffen und Chorproben ausfallen, lässt sie sich etwas für ihre Leidensgenossen einfallen.
Auch in der Corona-Zeit gibt’s Kuchen für die Nachbarn
„Wir durften alle das Haus nicht verlassen, ganze sechs Wochen war ich nicht draußen“, sagt sie. Die Lösung: Backen. „Ich mache das gerne, also habe ich Kuchen gebacken, auf einzelne Teller gepackt und bin dann die 20 Etagen abgefahren, um meinen Leuten ein Stück vorbeizubringen.“ Außerdem macht sie Aushänge: Appelliert im Namen der Älteren im Haus an die Jungen, beim Einkaufen zu helfen und mahnt die Älteren, Hilfe anzunehmen, statt noch selbst nach draußen zu gehen.
„Das klappt hier im Haus eigentlich generell ganz gut, viele jüngere Nachbarn gehen öfters mal für den Rentner nebenan mit einkaufen. Deshalb ist mein Aufruf auch vielleicht nicht ganz so gut angenommen worden.“ Die Jungen, meint sie, hätten sich zuhauf gemeldet, aber die Älteren hätten das nur selten angenommen. „Mir fiel das auch schwer, weil ich noch relativ agil bin. Dann das Stück Freiheit aufzugeben, war hart. Aber es musste sein.“
Smartphones gegen die Isolation
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Damit das Grüppchen um Beate Gottwald überhaupt noch miteinander kommunizieren kann, überredet sie viele der älteren Herrschaften, sich doch mal ein Smartphone anzuschaffen. „Die Kinder haben das nicht geschafft, ich schon“, schmunzelt sie. Jetzt werden bei WhatsApp fleißig Bildchen hin- und hergeschickt. „Alle warten darauf, dass es wieder losgeht“, freut sich die Seniorin. „Ich kann es auch kaum erwarten, wieder weiterzumachen.“