Mülheim. Papierboote und Lichter sollen Mülheimer wach rütteln: Das Franziskushaus engagierte sich gegen Gewalt an Frauen. Was die Senioren dazu bewegte.
20 Papierboote haben die Bewohner und Mitarbeiter des Seniorenstifts Franziskushaus am Donnerstagabend zu Wasser gelassen. Mit einer Besonderheit: Neben den angestrahlten Bäumen vor dem Haus und dem leuchtenden Eingang, haben auch Teelichter in Schiffchen die Nacht orange erhellt. „Orange the World“ hieß es um Punkt 17 Uhr auch am Seniorenstift.
Ein „sichtbares Zeichen“ wollen auch ältere Bürger gegen Gewalt an Frauen und Mädchen setzten. Das hat das Franziskushaus am 25. November gezeigt, dem Internationalen Gedenktag für die Opfer von Übergriffen. Zum 40. Mal hatte die Organisation „Zonta Says No“ weltweit aufgerufen, an öffentlichen Wahrzeichen und Gebäuden orangene Lichter anzuknipsen. „Da können wir unsere Lichter nicht hell genug anmachen“, betont Katja Grün aus der Unternehmenskommunikation der Contilia Pflege und Betreuung GmbH.
Mülheimer Franziskushaus ist sich der Aktualität von Gewalt an Frauen bewusst
„Da war ich sofort bereit“, ist die Reaktion der Bewohnerin Hildegard Marquardt auf die geplante orangene Aktion. Sie und Gisela Bormann zeigen Einsatz, obwohl sie keine Gewalt in ihrem Leben erfahren haben. Viele wissen auch nichts vom Gedenktag, doch Bormann nennt es eine „gute Sache“: Schon früher hat sie für gelaufene Kilometer mit dem Sportverein Geld ans Frauenhaus gespendet, erinnert sie sich. „Nach außen hin ein sichtbares Zeichen zu setzen ist für jeden wichtig“, begründet Grün die Teilnahme. Deshalb heißt es selbst im Mülheimer Seniorenstift: Ein kleines Boot bewirkt Aufmerksamkeit. „Damit erreicht man Menschen“, sind sich auch die Mitarbeiter sicher.
„Es ist schlimm genug, dass wir auch heute noch darüber sprechen müssen“, so Grün. Menschenhandel, sexualisierte Gewalt und Geschlechtsverstümmelung ist immer noch Alltag für viele Frauen und Mädchen weltweit. Auch den Senioren liegt das aktuelle Problem am Herzen – manche nicken betroffen, als Grün die Gewalttaten aufzählt. Man höre es überall in den Medien, es betreffe einen dann, schildert Marquardt. Auch Bormann ist vor allem darauf aufmerksam gemacht worden, auf Mädchen und Kinder in ihrem Umfeld aufzupassen.
Franziskushaus: Ängste der Mülheimer Kriegsgeneration sitzen tief
Die Gewalt betrifft auch die Leben mancher Frauen, die im Seniorenstift in der Überzahl sind. „Natürlich ist das Thema. Die Frauen haben früher Gewalt erfahren. Das sind Ängste, die sitzen so tief drinnen, die sind immer noch präsent, wenn man nicht mehr viel machen kann“, erzählt Grün, die 20 Jahre lang die Senioren aus dem Franziskushaus betreut hat.
Bei den Frauen kommen Erinnerungen aus der Kriegszeit hoch: Es seien „viele schlimme Ereignisse“, die Bewohnerinnen verfolgen, so Pflegedienstleitung Petra Rupp. Betroffene Senioren werden entsprechend vorsichtig behandelt und gepflegt. Häufig erzählen auch Angehörige von den Lebenseinschnitten und den Ängsten, die geblieben sind.