Mülheim. Die Mülheimer Tätowierkünstlerin Andrea Lukner hat ein kleines Propellerflugzeug - und ein großes Herz für Kinder, denen es nicht so gut geht.

Drei Jungs stromerten letztens über den Flughafen Essen-Mülheim: Taylor (14), Philipp (12) und Vincent (8). Alle in warmen Jacken und mit signalgelben Warnwesten. Einer mit Höhenangst, aber mutig genug, sie zu überwinden für diese einmalige Chance: Rundflug über das Ruhrgebiet.

Es sind Jungs, für die Fliegen eigentlich ein viel zu teurer Spaß ist. Einer von ihnen hat kürzlich seine Mutter verloren. Der Mülheimer Verein Rolli Rockers Sprösslinge, eine Initiative, die Kinder und Familien in Not hilft, hat das Trio unter seine Fittiche genommen.

Mülheimer Tätowierkünstlerin ist auch Hobbypilotin

Der Ausflug in die Luft sollte ein Geschenk sein. Und Vereinsgründer Bernd Nierhaus hatte den Tipp bekommen, mal bei Andrea Lukner nachzufragen, die ein kleines Flugzeug hat und ein großes Herz. „Der Pilot, mit dem wir früher schon mal eine ähnliche Aktion gemacht haben, hat seine Maschine verkauft“, berichtet Nierhaus, „aber er hat uns Frau Lukner empfohlen.“

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Die Mülheimerin, hauptberuflich Tätowierkünstlerin, fliegt seit fast sieben Jahren mit ihrer Propellermaschine durch die Gegend, einer Piper Cherokee. Darin finden vier Personen Platz, und das ist gut, denn Andrea Lukner lässt gerne Leute zusteigen, denen sie damit eine Freude machen kann. Im September warf sie beispielsweise den Motor an für eine Aktion der „Stiftung Kinderträume“, die sich um Kinder kümmert, die krank sind oder aus bedürftigen Familien kommen. Andrea Lukner ließ einige von ihnen ins Cockpit steigen. So was spricht sich herum.

Viersitziger Oldtimer hat eine Reichweite von 1800 Kilometern

Die 49-Jährige liebt das Fliegen seit ihrer ersten Schnupperrunde, zu der sie sich vor elf, zwölf Jahren aufschwang, noch passiv, als Passagierin. Ihre Prüfung als Pilotin bestand sie Ende 2014 und erwarb wenig später für rund 40.000 Euro eine gebrauchte Piper, „einen Oldtimer, der nicht an Wert verlieren wird“, wie sie betont. „Al Force One“ nennt sie die Piper und schwärmt: „Es ist das optimale Flugzeug, weil es eine hohe Zuladung erlaubt und eine große Reichweite hat, 1800 Kilometer.“ So weit reisen Andrea Lukner und ihr ebenso flugzeugbegeisterter Mann aber normalerweise nicht, eher steuern sie Fehmarn oder Helgoland an.

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Auch als Fan des Mülheimer Airports gibt sich Andrea Lukner offen zu erkennen. So ist sie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Flughafen und Ökologie (AGFÖ) und engagiert sich in der Initiative „Wir bleiben Flughafen“, die für den Weiterbetrieb über 2034 hinaus eintritt. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Tätowierkünstlerin und Schmuckdesignerin, und diese Leidenschaft, die sie zum Beruf gemacht hat, ist deutlich älter als ihr Faible fürs Fliegen.

Gelernte Goldschmiedin: „Ein anständiger Beruf“

1993 habe sie erstmals eine Tätowiermaschine in die Hand genommen, berichtet die Mülheimerin. Ihr Studio AL Tattoo am Löhberg gilt in der Szene als hochklassige Adresse. Trotz Corona habe sie momentan reichlich zu tun, berichtet Lukner, doch die Pandemie erschwert ihre Arbeit erheblich, und die Sorge vor einem neuen Lockdown begleitet sie täglich.

Andrea Lukner konzentriert bei der Arbeit. Sie betreibt seit vielen Jahren ihr eigenes Studio AL Tattoo in der Mülheimer Innenstadt, ist zugleich Goldschmiedemeisterin und Schmuckdesignerin.
Andrea Lukner konzentriert bei der Arbeit. Sie betreibt seit vielen Jahren ihr eigenes Studio AL Tattoo in der Mülheimer Innenstadt, ist zugleich Goldschmiedemeisterin und Schmuckdesignerin. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Monatelang suchte sie eine Piercerin oder einen Piercer zur Verstärkung, doch Fachpersonal ist hier - wie in vielen anderen Bereichen - schwer zu finden. Und vorerst hat sie die Stellenausschreibung auch zurückgezogen: „Angesichts der steigenden Zahlen lasse ich von einer Neueinstellung lieber erst mal die Finger.“ Als junge Frau hat Andrea Lukner auch Goldschmiedin gelernt, „einen anständigen Beruf“, wie sie selber sagt, sie trägt sogar einen Meistertitel. Sich nur aufs Tätowieren zu konzentrieren, war ihr immer „zu heikel“.

Sie selber trägt Tattoos „vom Knöchel bis zur Achselhöhle“

Aus diesem Grund trägt sie selber zwar Körperkunst „vom Knöchel bis zur Achselhöhle“, doch ihre Arme sind nur dezent tätowiert. „Ich habe mich da immer zurückgehalten“, erklärt sie, „weil ich dachte, wenn es irgendwann mit dem Tattoo-Studio nicht mehr läuft und ich ins Goldschmiedehandwerk zurückkehre, könnten ausufernde Tattoos eventuell anstößig wirken.“ Allmählich könnte sie diese Befürchtung wohl beiseite schieben.

WDR-Doku in der Warteschleife

Das WDR-Fernsehen hat eine Doku produziert mit dem Titel „Der Himmel über NRW“. Gedreht wurde unter anderem am Flughafen Essen/Mülheim.

Das Fernsehteam begleitete auch Hobbypilotin Andrea Lukner mit ihrer Privatmaschine „Al Force One“.

Ausgestrahlt wurde der Beitrag aber noch nicht - ein geplanter Sendetermin Mitte Juli wurde verschoben, ein neuer steht noch nicht fest.

Den spätherbstlichen Flug mit den drei Jungs hat Andrea Lukner übrigens genossen. „Die waren ganz lustig.“ Sie nahm allerdings durchaus gemischte Gefühle wahr. Nachdem sie dem Trio den Duisburger Hafen von oben gezeigt hatte, sollte es zur Schalke-Arena gehen, doch nach einer halben Stunde kam von einem hinteren Sitz die Frage: „Wie lange fliegen wir noch?“ Dass einer der Jungs unter Höhenangst leidet - jetzt merkte die Pilotin es auch und setzte zur Landung an. Der Flug soll ja allen in guter Erinnerung bleiben.

Vor dem Start auf dem Flughafen Essen-Mülheim checkten die Jungs die kleine Propellermaschine von Hobbypilotin Andrea Lukner.  
Vor dem Start auf dem Flughafen Essen-Mülheim checkten die Jungs die kleine Propellermaschine von Hobbypilotin Andrea Lukner.   © Ralf Kutscher/Rolli Rockers Sprösslinge