Mülheim. .

Ob Herzchen, Totenköpfe oder Rosen: Tattoos sind so beliebt wie nie. Im Fernsehen werden sie rauf und runter dokumentiert, die Tattoobranche feiert den Boom. Das klassische „Arschgeweih“ ist aber out.

Es ist schmerzhaft, es bleibt für immer und es ist beliebt wie noch nie: Das Tattoo. Im Fernsehen rauf und runter dokumentiert, feiert die Tattoobranche momentan ihre Hochzeit. Die Mülheimerin Andrea Lukner ist mit ihrem Tattoostudio „AL Tattoo“ bis Ende nächsten Jahres ausgebucht. Von Trends bis zu Kuriositäten hat sie schon alles gesehen.

Anfang des Jahrtausends blinzelte es aus vielen Jeans. Einige dachten es wäre ein blauer Fleck, andere wussten über den ansteckenden Trend: Das so genannte Arschgeweih war geboren. Ein schwarzes „Trible“, das zumeist den weiblichen Steiß schmückte. „Damals kamen auf zehn Termine drei, die ein Steißtattoo wollten“, erinnert sich Andrea Lukner. „Heute tätowieren wir ähnliches vielleicht noch einmal im Jahr.“

Kreativität

Im Laufe der letzten Jahre hat sich die Tätowierbranche stark entwickelt. „Die Tattoos werden immer besser, aber auch die Forderungen der Kunden sind gestiegen“, weiß die 38-Jährige. Mit immer ausgefalleneren Motiven und einer Großzahl an Menschenporträts ist Kreativität gefragt. Auch die Größe der dauerhaften Körperbilder habe sich enorm verändert: „Wir tätowieren immer größere Flächen des Körpers“, erklärt Lukner.

Klare Trends im AL Tattoo-Studio: Blumen, japanische Zeichen und Sterne. „Die Leute lassen sich einfach stechen, was ihnen am besten gefällt“, erklärt die Mülheimerin – und zur Zeit gefällt es vielen. Den Grund dafür sieht Andrea Lukner in der akuten Medienpräsenz. „Ein Tattoo wird nicht mehr als total verrückt abgewertet. Es ist gesellschaftsfähig geworden.“ Selbst die Schweizer Bankangestellten dürfen sich während der Arbeit mit tätowierten Armen zeigen – besagt zumindest ein Gerücht in der Szene.

Schöne Bilder hin oder her – doch was ist mit den Schmerzen? Unter der Nadel sitzt Oliver Beneke aus Moers. Der 42-Jährige lässt sich einen Totenkopf tätowieren. Ein paar Schweißperlen hier, ein schmerzverzerrtes Gesicht dort – aber Indianer kennen doch keinen Schmerz, oder? „Angenehm ist was anderes, aber ich habe auch schon schlimmere Stellen erlebt“, so Beneke. Ganz vorne im Rennen seien dabei der innere und äußere Ellenbogen und jegliche Stelle rund ums Knie. Aua.

Teufelin mit Flügeln

Am anderen Ende des Schmerzes sitzt Andrea Lukner. Mit einem Zeitaufwand von drei Stunden sei der Totenschädel ein schnelles Unterfangen. „Das größte Tattoo, welches ich gestochen habe, war eine Teufelin mit Flügeln über den gesamten Rücken.“ Mit 20 Stunden unter der Nadel und 2000 Euro zählt es zu ihren Top Ten.

Doch am Kuriosesten empfindet die gelernte Goldschmiedin Jugendliche, die sich die kompletten Arme tätowieren lassen oder – ganz beliebt – die Pärchen, die sich gegenseitig ihren Namen verewigen. „Natürlich bleibt das jedem selbst überlassen, doch ich hake nach und gebe Zeit zum Überlegen – sonst darf ich in zwei Jahren das Ganze wieder übertätowieren“, weiß Lukner aus Erfahrung.

Bis Ende 2011 gibt es keine Termine mehr bei Andrea Lukner. Mit insgesamt vier Mitarbeitern läuft der Laden gut. „Mülheim ist von der Tattookundschaft zwar ein bisschen tot, aber das restliche Ruhrgebiet findet zu uns.“ Expandieren will Andrea Lukner auch. „Ein Mitarbeiter mehr soll mithelfen, die Warteliste zu verkürzen.“ Doch den richtigen Nachwuchs zu finden sei schwer. „Meine Anforderungen sind sehr hoch“, schmunzelt Andrea Lukner. „Denn der hohe Standard ist schließlich unser Geschäft.“