Mülheim. Gut Ding will Weile haben: Als letztes Bundesland öffnet NRW wieder die Tattoo-Studios. Welche Hygieneauflagen für Tätowierer und Kunden gelten.

Es summt und brummt wieder im AL Tattoo-Studio in der Innenstadt. Die Musik tönt aus den Lautsprechern und Tätowiererin Andrea Lukner quatscht mit ihrem Kunden Alex, während die Nadeln ihrer Tattoomaschine seinen Unterarm bearbeiten. Es ist ruhig. Alex ist der dritte Kunde der Ladeninhaberin, seit sie ihren Laden am Montag wieder geöffnet hat. Es waren lange neun Wochen.

„Ich bin natürlich froh, dass wir endlich wieder öffnen dürfen“, erklärt Andrea Lukner durch ihren Mundschutz Die Landesregierung hat am vergangenen Dienstag, 19. Mai, die Schutzverordnung erneut angepasst. In dieser Rutsche nun auch endlich dabei: Tattoo-Studios. Auch hier gelten nun mehr Hygienemaßnahmen als vor der Corona-Zeit. NRW ist das letzte Bundesland, in dem Tätowierer ihren Beruf wieder aufnehmen dürfen.

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Hohe Hygieneauflagen sind Standard in Tattoo-Studios

Darüber hatte sich die Tattoo-Szene deutschlandweit erzürnt. „Natürlich war ich sauer“, sagt die 48-Jährige, die das Studio seit 2008 betreibt. „Aber nur, weil andere Bundesländer und Branchen relativ schnell wieder gelockert haben, nur wir blieben irgendwie auf der Strecke.“ In Hessen, Sachsen und dem Saarland darf beispielsweise schon seit dem 4. Mai wieder gestochen werden. „Wir haben uns schon gewundert, schließlich war Herr Laschet ziemlich zügig. Außer bei uns. Warum, versteht keiner.“

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Zudem: Die Tattoo-Branche versteht sich als Verfechter von hohen Hygienestandards. Deshalb ist auch der Maßnahmenkatalog der Regierung keine große Umstellung für die Mülheimer Tattoo-Künstlerin. Handschuhe und mit Plastik eingedeckte Arbeitsplätze sind in den Studios seit jeher vorgeschrieben. Das soll vor der so genannten Kreuzkontamination schützen, damit keine Bakterien von Tätowierer oder Kunde an den Oberflächen haften bleiben. „Das wird nach jedem Kunden komplett gewechselt.“

Arbeit mit Mundschutz, Brille und Plastikschürze

Andrea Lukner leitet das AL Tattoo-Studio in Mülheim seit 2008.
Andrea Lukner leitet das AL Tattoo-Studio in Mülheim seit 2008. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Plastikschürze für den Körper und die Schutzbrille sind aber neu. Das soll die Tätowierer vor den Aerosolen schützen, die eine Infektion mit dem Coronavirus auslösen können. Auch einen Mundschutz trug die Tätowiererin schon vor Corona teilweise bei ihrer Arbeit, wenn sie beispielsweise erkältet war. Jetzt ist der aber Pflicht – für Kunde und Tätowierer. Plexiglasscheiben am Tresen im Eingangsbereich und zusätzliche Desinfektionsspender an der Tür ergänzen das Ladenbild.

„Also mich stört das relativ wenig“, sagt auch Kunde Alex. Der 37-Jährige Mülheimer gehört zu Andrea Lukners Stammkunden. „Mein Termin wurde natürlich verschoben, aber ich freue mich einfach, dass es jetzt klappt. Auch der Mundschutz gehört ja mittlerweile irgendwie dazu. Und im Supermarkt-Getümmel nervt er mich mehr. Hier bewegt man sich ja nicht so viel.“

Keine längeren Wartezeiten für Kunden

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Die Ladeninhaberin stößt bei ihren Kunden auf viel Verständnis, sagt sie. „Ich habe mich letzte Woche natürlich sofort ans Telefon gehangen, um die ausgefallenen Termine zu koordinieren. Das wird auch noch ein paar Tage Zeit in Anspruch nehmen.“ Viel nach hinten verlegt sich aber nicht – für einen Termin bei AL Tattoo warten die Kunden im Durchschnitt zwei bis drei Monate. „Ich werde ein wenig mehr arbeiten, um das wieder aufzuholen. Aber ich habe auch schon vorher zwischen 50 und 60 Stunden pro Woche gearbeitet. So viel Luft nach oben gibt es da sowieso nicht mehr.“

Die Hygienemaßnahmen in der Pandemie kann die Körperkünstlerin nachvollziehen. Flächendesinfektion und Vorsicht ist ihr tägliches Brot. Deshalb sind die Geschäftszeiten eingeschränkt, Beratung und Motivbesprechungen finden über Telefon oder Mail statt. „Die Größen für die Entwürfe messe ich zuhause an meinem Mann ab“, schmunzelt sie.

Andrea Lukner hat die Soforthilfe des Landes ebenfalls in Anspruch genommen. „Bei mir lief das glücklicherweise ohne Probleme. Das hat mich über einen Monat gerettet. Den zweiten Monat hätte ich ohne meine Rücklagen aber nicht überstanden.“