Mülheim. Ein Feuerwerk in der Petrikirche! Junge Mülheimer Sängerschaft begeistert am Wochenende mit Engelbert Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“.
Schon deutlich vor Beginn der Aufführung ist der Zuschauerraum der Mülheimer Petrikirche fast voll besetzt. Was bei dieser außergewöhnlichen Veranstaltung überall verteilte Stühle und Hocker bedeutet; der sonst so große Kirchenraum ist extrem verkleinert. Nebelschwaden prägen die mysteriöse, geheimnisvoll-düstere Stimmung.
Mit riesigen, weißen Leinentüchern ist ein künstlich geschaffener Aufführungs- und Zuschauerraum in einem entstanden, denn die jungen Akteure bewegen sich überall, schreiten, tanzen und singen vor, hinter und neben den Zuschauern, die deshalb ihren Mund-Nasen-Schutz aufbehalten. Mal tauchen aus raffiniert angebrachten Gucklöchern in den Tüchern singende Köpfe auf, verschwinden ebenso schnell auch wieder. Wohl dem, der einen Hocker abbekommen hat, denn um das gesamte Geschehen mitzubekommen, ist Rundumblick gefordert.
Regieteam schuf mit einfachen Mitteln ein atemberaubendes Bühnenbild
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Das erfindungsreiche Regieteam Lidy Mouw und Rona Nekes schuf mit einfachen Mitteln ein atemberaubendes Bühnenbild, das immer wieder für Ahs und Ohs sorgte. „Guck mal“, sagen Eltern und Kinder gleichermaßen, wenn ein neues Lichtspiel direkt neben ihnen stattfindet oder ein faszinierendes Schattenspiel hinter den Leinentüchern sichtbar wird.
Am meisten aber begeistert die junge Sängerschaft, die unfassbar souverän agiert, parallel noch selbst gefertigte Requisiten ins faszinierend sparsame Bühnenbild einbindet, für grandiose Lichtspielüberraschungen sorgt – und dabei gleichzeitig tonsicher und einfühlsam singt.
Gebannt verfolgt gerade das junge Auditorium die Märchenhandlung
Gebannt verfolgt gerade das junge Auditorium die Märchenhandlung, lässt sich mitreißen bei den zum Teil erst durch Humperdincks Oper bekannt gewordenen Liedern. Da stimmen vom Schoß der Eltern zarte Stimmchen in den Gesang „Ein Männlein steht im Walde“ mit ein, patschen Händchen bei „Brüderchen, komm tanz mit mir“ automatisch zusammen, wenn es heißt: „Mit den Händen klapp, klapp, klapp“. Ein kleiner Junge lässt sich vom hinreißenden Abendsegen „Abends will ich schlafen geh’n“ ins Schlummern versetzen, erwacht erst, als der Ofen mit der Hexe lautstark explodiert.
Nach diesem Schreckmoment für Alt und Jung ändert sich abrupt die Stimmung, denn hinter den Leinentüchern steigt ein Feuerwerk auf. In der Kirche. Sensationell. Dann tanzen die befreiten, zuvor verhexten Kinder ausgelassen, finden Hänsel und Gretel zu ihren Eltern, und das Märchen geht mit einem Festschmaus zu Ende, denn aus der Hexe wurde ein riesiger Kuchen, von dem alle satt werden können.
Die vergangenen zwei Wochen waren besonders anstrengend mit den intensiven Proben
Die vergangenen zwei Wochen waren besonders anstrengend mit den intensiven Proben, das vorige Wochenende durchgängig, sogar schulfrei gab’s zum Schluss, wenn auch nur ab 12 Uhr, damit beim leidenschaftlichen Ensemble wirklich alles sitzt. Das verrät die adrenalingepuschte kleine Gruppe, die nach der erfolgreichen Premiere draußen etwas Luft holt, schnell etwas zu Essen greift, vor strahlendem Lachen kaum still stehen kann. Von überallher erklingen befreite Jubelschreie, manche rennen auch nur herum, um die Anspannung loszuwerden. Denn zur Freude bleibt profimäßig wenig Zeit, die nächste Vorstellung beginnt schon in einer guten Stunde.
Ein beeindruckendes Pensum von vier Vorstellungen in nur drei Tagen, jeweils für 150 Zuschauer absolviert das zehn bis 13 Jahre alte Gesangsensemble. Sie wollen es gerne wieder tun, sie hatten und haben Spaß.
Ein weiterer Meilenstein in der Erfolgsgeschichte des umtriebigen Kantors Gijs Burger
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„Das war toll!“, ist allenthalben zu hören, von Mitwirkenden und Auditorium gleichermaßen. Ein wirklich grandioses Opernerlebnis für Aktive und Passive und ein weiterer Meilenstein in der Erfolgsgeschichte des umtriebigen Kantors von der Petrikirche Gijs Burger. Er probte mit seiner Singschule die bearbeitete Fassung so eindringlich, dass trotz riesiger Entfernungen die vielen, oft schwierigen Einsätze für Außenstehende kaum erkennbar waren. Solch ein profundes gegenseitiges Verständnis und Vertrauen ist selbst bei manchen Profis nicht zu finden. Das versierte Opernkammerensemble bot darüber hinaus dem musikalischen Nachwuchs feinfühlig und zuverlässig den nötigen harmonischen Halt.
Am Schluss sind sich alle einig: Diese Kinderoper „Hänsel und Gretel“ von Kindern für Kinder ist rundum gelungen, ein wahrlich erhebendes Erlebnis für Jung und Alt, das wohl niemand je vergessen wird.