Mülheim. Metropolenschreiberin Raphaela Edelbauer aus Wien lebt nun für sechs Monate in einer Mülheimer Villa. Was die Schriftstellerin vom Revier hält.

Die Wienerin Raphaela Edelbauer war in der Saarner Buchhandlung Hilberath und Lange zu Gast und kam als Stadtschreiberin mit Leselustigen ins Gespräch. Die Schriftstellerin agierte am „Autorensamstag“ als Buchhändlerin, zusätzlich zu Ursula Hilberath, Brigitta Lange und Simone Thimm, beriet Kunden, packte Lesefutter ein, signierte ihre Romane, erzählte aber vor allem über sich und ihr derzeitiges Leben als Metropolschreiberin. Tipps für Mülheim, wo sie derzeit in einer Villa untergebracht ist, kamen ihr sehr gelegen.

Seit einem Monat wohnt Raphaela Edelbauer inzwischen in Mülheim, eingeladen von der Brost-Stiftung, untergebracht in einer Villa im Mülheimer Uhlenhorst. „Ich muss aber das gesamte Ruhrgebiet bedienen“, umschreibt sie ihre Aufgabe als Metropolenschreiberin, und es wirkt bedauernd. Sie ist Sportlerin, läuft viel und gerne im Wald, hat sich auch längst ein Fahrrad besorgt, mit dem sie bereits den Radschnellweg und vor allem die Ruhr entlang gefahren ist.

Metropolschreibern übers Ruhrgebiet: „Hier kocht jeder sein eigenes Süppchen“

„Da ist es so herrlich grün“, schwärmt die Österreicherin, die den Ringlokschuppen spannend findet, gibt aber auch zu, bislang wenig von Mülheim gesehen zu haben. „Die Innenstadt ist ja fürs Ruhrgebiet sehr klein und kompakt.“ Ihr Vergleichspunkt ist allerdings vorrangig Essen, wo die Brost-Stiftung ihren Sitz hat.

Auch interessant

Verglichen mit ihrer Heimat erscheint Edelbauer das Ruhrgebiet nicht als Einheit, dabei sehr eng und dicht besiedelt und mit erschreckend klarer Trennung von Arm und Reich. Die Ambition, so vielen unterschiedlichen Städten eine Gesamt-Identität aufzwingen zu wollen, befremdet sie. „Hier kocht jeder sein eigenes Süppchen“, sagt sie und fügt an: „Das ist nicht wie eine Großstadt“, und meint vor allem den Verkehr. „Ich würde verrückt werden“, gesteht sie. „Alles ist so viel hastiger, aber es geht nicht schneller. Eineinhalb Stunden für zehn Kilometer“, sie schüttelt den Kopf und fährt lieber Bahn.

Die Schriftstellerin Raphaela Edelbauer war zu Gast beim internationalen Literaturfestival Lit.Ruhr auf dem Gelände der Zeche Zollverein.
Die Schriftstellerin Raphaela Edelbauer war zu Gast beim internationalen Literaturfestival Lit.Ruhr auf dem Gelände der Zeche Zollverein. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Anders als frühere Stadtschreiber hat Edelbauer – geboren 1990 – sich für nur sechs Monate Aufenthalt hier vor Ort entschieden. Die vielseitig interessierte und multitalentierte junge Frau hat zu viele Verpflichtungen, denen sie sonst nicht gerecht werden kann. So lehrt sie an der Wiener „Universität für angewandte Kunst“ im Bereich Sprachkunst, schreibt außerdem aktuell schon an zwei Romanen – „Das mache ich nie wieder, zwei Romane parallel“ – von denen einer in Wien spielt. „Den schreibe ich auch nur dort.“

Hinzu kommt eine Lesetour für ihren jüngst erschienenen Roman „DAVE“ über Künstliche Intelligenz, und ihre ausgefallenen Performance-Acts zusammen mit dem Künstler Simon Goritschnig sollen auch endlich stattfinden.

Auch interessant

Edelbauer will als passionierte Ruderin das Revier von der Ruhr her kennenlernen

Raphaela Edelbauer ist ein Energiebündel und liebt Herausforderungen, will als passionierte Ruderin das Revier von der Ruhr her kennenlernen. Bisherige Eindrücke bringt sie pfiffig-frech in ihren alle zwei Wochen auf Youtube erscheinenden Video-Blogs zum Ausdruck.

Die Autorin Raphaela Edelbauer

Schon für ihr Prosadebüt „Entdecker. Eine Poetik“ mit Zeichnungen von Simon Goritschnig, erhielt Raphaela Edelbauer 2018 den Rauriser Literaturpreis. Mit ihrem Manuskript für ihr Romandebüt „Das flüssige Land“ gewann sie 2018 den Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, wurde damit Klagenfurter Stadtschreiberin, erhielt den Theodor-Körner-Preis 2019 und landete darüber hinaus auf der Shortlist des Deutschen sowie des Österreichischen Buchpreises 2019.

2021 erschien ihr Science-Fiction-Roman „DAVE“, der kurz drauf in der ORF-Bestenliste landete. Außerdem schreibt Edelbauer Texte für zeitgenössische Komponisten. Weitere Infos: www.raphaelaedelbauer.com

Sehr persönlich und leger gibt sie sich darin, baut kleine Show-Einlagen ein, schwingt sich zum Beispiel mal eben mitten im Monolog in der Rotunde der Villa in einen Handstand oder jongliert auf einem Industriegelände mit drei Bällen.

Auch interessant

Jenseits abgetretener Wege bewegt sich Edelbauer am liebsten, mag keine „Wasserglaslesungen“, tritt aktuell für ihren Science-Fiction-Roman im maßgeschneiderten Astronautenanzug auf und gibt offen zu: „Meine Ziele sind vielfältig.“ So veranstaltete sie zusammen mit Goritschnig einen Live-Stream-Exorzismus am Patienten Welt, um das Corona-Virus auszutreiben, sogar ein Exorzismus-Dokument konnte man erwerben. Der Erlös kam coronageschädigten Kindern zugute.

Über die Zeit im Ruhrgebiet will sie ein Theaterstück zum Thema Identität schreiben

Raphaela Edelbauer weiß auch schon längst, wie sie ihre individuellen Eindrücke über das Ruhrgebiet künstlerisch verarbeiten wird. Sie schreibt ein Theaterstück zum Thema Identität für das Bochumer Schauspielhaus. Wir dürfen gespannt sein, ob und auf welche Weise Mülheim dort Eingang finden wird.

Das Motto der Brost-Stiftung, ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe, liegt der umtriebigen Österreicherin auf jeden Fall im Blut: „Erfolg hat drei Buchstaben: TUN“. Täglich schreibt sie ganz diszipliniert acht Stunden, während andere sich mit drei oder vier Stunden begnügen. Und nach der Arbeit? Da macht sie Sport. „Aber immer erst schreiben“, beteuert sie. Die Mülheimer Buchhandlung „Hilberath und Lange“ präsentierte mit dem Besuch von Raphaela Edelbauer bereits die dritte Metropolschreiberin im Rahmen der „Woche unabhängiger Buchhandlungen“.