Essen. Das Literaturfestival Lit.Ruhr brachte die Metropolschreiber Ariel Magnus, Raphaela Edelbauer und Wolfram Eilenberger auf Zollverein zusammen.
Willkommen im Ruhrgebiet! Raphaela Edelbauer, die seit einer Woche als neue „Metropolschreiberin“ in Mülheim wohnt, nahm bereits teil an einer der spannendsten, lustigsten, inspirierendsten Aktivitäten der Region: dem Stau auf der A 40. Nicht nur deshalb aber begann das Gipfeltreffen gleich dreier Ruhrstadtschreiber bei der Lit.Ruhr auf Zollverein später. „Raphaela Edelbauer stand hinter einem brennenden Lkw“, erklärte Moderatorin Claudia Dichter. „Aber Wolfram Eilenberger, der aus Heidelberg kam – der hatte gleich vier brennende Lkw vor sich.“ Wie gut, dass Ariel Magnus immerhin nicht aus seiner Heimat Argentinien anreisen musste, sondern nur aus Berlin, wo er mit seiner Ehefrau nach seinem soeben beendeten Mülheim-Jahr wohnt.
Raphaela Edelbauer zeigte in einem ersten Youtube-Video ihre Mülheimer Unterkunft
Seit fünf Jahren finanziert die Brost-Stiftung Stadtschreiber-Stipendien, erstmals erhielt die Öffentlichkeit Einblick in „die Villa“: Raphaela Edelbauer zeigte in einem ersten Youtube-Video das Haus von Bibliothek bis Badezimmer. Weitere Videos sollen folgen, auch fragte sie bereits via Twitter in die Revier-Runde, was so die wichtigen Themen der Region seien. „Das ist so cool“, staunte Ariel Magnus über die multimediale Ader der Kollegin.
Er selbst habe, bekannte er auf dem Podium, das Revier vor allem in der Bibliothek bereist. Entstanden ist der Band „Kurzgebiete“ mit „53 Erzählbriketts aus dem Pott“, soeben im Eigenverlag der Stiftung erschienen. Magnus literarische Herangehensweise ist den Corona-Einschränkungen geschuldet, aber auch einem gewissen Pragmatismus. Für manche Storys habe er eine bestimmte Umgebung gebraucht, „es kommen Städte vor, in denen ich nie war. Ich dachte, wenn ich dorthin gehe und dann ist es doch schön, dann ist das schlecht.“
Wolfram Eilenberger: „Das Ruhrgebiet hat seinen Tod als Region schon einmal überlebt“
Was die drei eint: das Revier kannten sie vorher nicht. Für Magnus war es ein „Mythos“, der befeuert wurde vom Geografie-Lehrer der deutschen Schule in Buenos Aires. „Kein Mensch in Österreich weiß, was das Ruhrgebiet ist“, sagt die Wienerin Edelbauer, und Wolfram Eilenberger (der dem Revier den literarischen „Versuch einer Liebeserklärung“ machte) hat „interessiert, was mich daran nicht interessiert hat“.
Was die Zuschauer vom Gipfeltreffen mitnehmen: die Erkenntnis, dass Nostalgie „gut für die Literatur“ (Magnus), aber schlecht für die Zukunft (Eilenberger) ist – von „Rostalgie“ spricht der Philosoph gar. Dass Zollverein nicht nur Denkmal, sondern Symbol „für die großen Verfehlungen der Menschheit“ ist (Edelbauer). Dass wir in diesen Zeiten des Klimawandels „alle Bergleute der 60er Jahre sind – weil wir wissen, dass wir so, wie wir bisher gelebt haben, nicht weitermachen können, aber vor diesem Wissen noch die Augen verschließen“, sagt Eilenberger: „Das Ruhrgebiet hat seinen Tod als Region schon einmal überlebt, das hat es Europa voraus.“
Nostalgie ist „gut für die Literatur“, sagt Schriftsteller Ariel Magnus
Am Ende stellt Moderatorin Claudia Dichter die unvermeidliche Frage: Ist das Ruhrgebiet eine Metropole? Die Antwort: zweimal ein klares Jein der Herren, einmal eine entgeisterte Gegenfrage von Raphaela Edelbauer: „Wer ist nur auf die Idee verfallen, dass diese Städte zusammengehören sollen? Die Stadtverwaltungen müssen sich doch die Köpfe einschlagen!“
Das Programm Samstag und Sonntag: www.litruhr.de