Mülheim. OB Marc Buchholz führte Staatssekretär Jan Heinisch durch Mülheims Wall-Viertel. Dort zeigt sich, mit welchen Mitteln die Innenstadt belebt wird.
Hoher Besuch im Wall-Viertel: Jan Heinisch, CDU-Staatssekretär im NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, ließ sich von Oberbürgermeister und Parteikollegen Marc Buchholz zeigen, mit welchen Mitteln die Mülheimer City belebt wird und welche Herausforderungen es aktuell gibt.
Der Rundgang startet am Rathaus. Von dort aus führen Citymanagerin Gesa Delija, OB Marc Buchholz und Stadtplaner Daniel Bach den Staatssekretär in Richtung Stadtmitte. Im Schlossstraßenquartier besuchen sie das „Work Inn“, in dem Co-Working-Space teilen sich kleine Unternehmen, Gründer oder Angestellte größerer Firmen verschiedene Arbeitsräume und vernetzen sich – ein Vorzeige-Modell für flexible Lösungen in der sich wandelnden Arbeitswelt.
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Mülheimer OB: Die Haltestelle Stadtmitte sollte videoüberwacht werden
Vom Best-Practice-Beispiel geht es weiter zu einer Problemstelle der City: Die Haltestelle Stadtmitte. Dort kam es jüngst zu Massenschlägereien zwischen Jugendlichen und mehreren Polizeieinsätzen. „Die zentrale Haltestelle ist eine Herausforderung“, sagt der OB. Dort wünsche er sich eine Videoüberwachung. „Warum braucht es dafür erst einen Kriminalitätsschwerpunkt? Da ist Datenschutz eher Täterschutz“, findet Buchholz.
Der Blick fällt auch auf eine weitere Herausforderung: die Leerstände nebenan im Schlossstraßenquartier. Ohnehin hat die Innenstadt eine Leerstandsquote von 12,6 Prozent, 44 von 350 Ladenlokalen stehen leer. „Auf die Preispolitik der Eigentümer haben wir als Stadtverwaltung nur wenig Einfluss“, weiß Citymanagerin Delija. Ihr Kollege Daniel Bach nennt es „Häuserkampf“, den sie seit Jahren führen. Schwierig sei es, die Eigentümer – die „alteingesessenen Privaten“ genau wie die großen Investoren - von neuen Konzepten und Mietnachlässen zu überzeugen. Einen neuen Anlauf wolle die Stadt ab Mitte nächsten Jahres nehmen und „eine aufsuchende Beratung anbieten“, so Bach.
Tanzlehrer: „Man muss sich mit seinem Geschäft immer wieder neu erfinden“
Der Staatssekretär schießt noch schnell ein Selfie mit der Gruppe und weiter geht’s die Schloßstraße hoch. Beim Blick auf die langsam welkenden Bäume in den Blumenkübeln, erinnert Heinisch an das Bäume-Programm für grünere Innenstädte, das nun aufgelegt werde. Eine Lösung für Mülheim? Könnte schwierig werden, meinen die Akteure. Denn die fest im Boden verankerten Kübel sind nur schwer zu versetzen, die Mittel der Stadt begrenzt. Man suche weiter nach Lösungen.
Nächster Halt: Die Tanzschule Ritter, seit zwölf Jahren am Löhberg 22 ansässig. „Einer unserer Felsen in der Innenstadt“, sagt Delija. Zufrieden zeigt sich Inhaber Thorsten Ritter, der auch Mitglied der Werbegemeinschaft ist, mit der Entwicklung in seinem Viertel, auch wenn es noch Luft nach oben gibt. „Man muss sich mit seinem Geschäft eben immer wieder neu erfinden“, weiß er.
Händlerinnen und Händler hoffen auf ein gut laufendes Weihnachtsgeschäft
Doch nicht alle Händler sind so zufrieden. Weiter unten am Löhberg 68-70 bei Püngel & Prütt nutzt Gründerin Lara Weyers den hohen Besuch, um ein wichtiges Thema anzusprechen: „Uns haben die Corona-Hilfen nicht viel gebracht, wir sind durch alle Raster gefallen und konnten kaum Mittel abrufen.“ Ein schwieriger Start für die Gründerinnen, die ihren Unverpackt-Laden im Januar 2020 eröffneten. Während der Lockdowns konnten sie keine Rücklagen bilden und mussten ihr gesamtes Erspartes in den Betrieb stecken, um zu überleben. Mietnachlässe gab es erst in diesem Monat. Die Akteure am Tisch räumen ein, dass die Hilfen für Unternehmer individueller hätten verteilt werden können. „Aber auch für die Behörden war Corona eine Ausnahmesituation“, so Heinisch.
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„Wir hätten uns eine bessere Kommunikation, schnellere und unbürokratischere Hilfe gewünscht“, sagt Lara Weyers. Zudem mehr Infos und Hilfen bei der Beantragung von Fördermitteln. Der OB verspricht zu prüfen, welche Möglichkeiten die Stadt hat, kleinere Unternehmen zu unterstützen und schlägt vor, die nächste Bürgermitwirkungsveranstaltung bei Püngel & Prütt abzuhalten. Lara Weyers und ihre Kolleginnen und Kollegen hoffen derweil auf ein gut laufendes Weihnachtsgeschäft.
Landes-Sofortprogramm für Innenstädte ist bis 2023 angelegt
Auch wenn es noch viele Baustellen in der City gibt – der Staatssekretär sieht die bisher abgerufenen Gelder in Mülheim gut eingesetzt. Der Handel müsse auf kleinere Bereiche konzentriert werden, so dass eine „funktionsgemischte Stadt“ entstehe. „Diese Chance hat Mülheim und nutzt sie auch.“ Klar ist aber, betont Buchholz: „Als Stadt sind wir stetig auf Förderungen vom Land angewiesen.“
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Das vom Land aufgelegte Sofortprogramm zur Stärkung der Innenstädte laufe noch bis 2023, sagt Heinisch. Mülheim hat seitdem bereits einige der Mittel abgerufen und damit Projekte umgesetzt. Etwa das Wall-Viertel zur eigenen Marke herausgeputzt, eine Homepage angelegt, auf der sich die Händler präsentieren (www.wallviertel.de) und das Pop-up-Shop-Projekt „EG Neu – Dein Quartal für Dein Quartier“ initiiert. Ein Tierbedarf-Geschäft sowie ein Fotostudio haben bereits kürzlich einen solchen geförderten Shop eröffnet.
Herausforderung in Mülheim: Geeignete Ladenflächen für Pop-up-Shops finden
Wer eine Idee für die Bespielung eines leerstehenden Ladenlokals im Wall-Viertel hat, kann sich bei der Stadt bewerben und eine 80-Prozent-Förderung der Ladenmiete für sechs bis 24 Monate bekommen, um die Idee auszuprobieren. „In dieser kurzen Zeit ist bereits viel entstanden. Ein schöner Beweis, dass ein flexibles Programm zieht“, sagt Jan Heinisch nach dem Rundgang durch das Quartier.
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Wobei es in der Pop-up-Praxis einige Herausforderungen gibt. Zwar hat die Stadt mittlerweile zehn Gründern und ihren Ideen eine Förderzusage erteilt, für diese Konzepte müssen jedoch geeignete Ladenflächen im Quartier gefunden werden – das kostet Aufwand und Zeit. „Individuelle Konzepte erfordern individuelle Anforderungen an Größe, Ausgestaltung und Ausstattung der Flächen“, erklärt Citymanagerin Gesa Delija.
Nutzungsänderungen sind oft mit hohen Kosten verbunden
Zudem sei häufig eine Nutzungsänderung für die Ladenlokale erforderlich, etwa wenn ein Gastro-Konzept in einem ehemaligen Einzelhandel eröffnen soll. „Da müssen sich Nutzer und Eigentümer einig werden, denn es gibt keine gesetzliche Vorgabe, wer sich um diese kümmern muss.“ Schließlich ist eine solche oft mit hohen Kosten verbunden. Viele Gespräche und Ortstermine mit Eigentümern, Gründern und Ämtern seien nötig, um ein Pop-up-Shop-Vorhaben umzusetzen. Zumal die Stadt auch mit dem freien Markt konkurriere.
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Daher werden die Gründer erst nach und nach im Laufe des nächsten Jahres eröffnen. Und womöglich auch nicht alle, die eine Zusage haben. „Diese ist nur eine Absichtserklärung. Das heißt nicht, dass das Konzept zwingend am Ende verwirklicht werden kann.“