Mülheim/Bottrop. Mit innovativen Konzepten wollen Städte gegen Leerstände ankämpfen. Warum Pop-Up-Läden und Concept Stores Zukunft haben könnten.
„Ich liebe so etwas“, sagt eine junge Frau mit dunklen Haaren, während sie das blaue Keramikgeschirr in den Händen hält. An der Wand links neben ihr hängen Kinderrucksäcke mit Tiergesichtern, gegenüber stehen sorgfältig aufgereiht Gin-Flaschen in einem Regal. „Das Geschirr in der Mitte ist so ein bisschen das Bindeglied“, sagt Julian Schick, Inhaber des Concept Stores „Good Life“ in Mülheim. In seinem Laden bietet er Produkte verschiedener Marken rund um das Thema Familie und Lifestyle an. Kuscheltiere auf der einen Seite, Alkohol auf der anderen: „Für mich ist das kein No-Go.“
Angefangen hat alles mit einer Lichterkette. „Das war mein erstes eigenes Produkt“, sagt Schick und zeigt auf die vielen bunten Bälle in den hohen Gefäßen. Unter dem Namen „good moods“ habe er die Lichtdeko zum Selbstgestalten zunächst im Internet und auf dem Adventsmarkt verkauft. „Irgendwann“, sagt Schick, sei der Wunsch entstanden, auch lokal präsent zu sein. „Ich wollte einen Laden, der genauso bunt ist wie meine Lichterketten.“
Und so eröffnete der gelernte Grafikdesigner vor fünf Jahren einen Concept Store in Mülheim. Das auf den ersten Blick zusammengewürfelt wirkende Sortiment spiegle seine eigenen Interessen wieder: „Ich bin vor einem Jahr Vater geworden“, erzählt der 42-Jährige. „Und ich trinke gerne Gin.“ Viele Menschen suchten in seinem Laden nach Geschenken, zur Einschulung oder zur Geburt. Und genau wie ihm, liege seiner vorwiegend weiblichen und eher jungen Kundschaft das Thema Nachhaltigkeit am Herzen. Fair produzierte Produkte, recycelte Materialien, Langlebigkeit – „Das ist mir wichtig und das ist auch meinen Kunden wichtig.“
„Heutzutage muss man seinen Kunden etwas bieten“
Doch trotz ausgefallenem Konzept läuft es nicht so richtig. „Auch nach drei Jahren haben mich die Leute noch gefragt, ob der Laden neu ist“, erzählt Schick. Die Kundschaft sei an dem Geschäft an der vielbefahrenen Straße einfach vorbeigelaufen. Vor zwei Jahren startete die Stadt Mülheim dann das Projekt „Pop-Up-Shop“, bei dem drei Jungunternehmer die Chance bekamen, ihre Geschäftsmodelle 90 Tage lang in einem bislang leerstehenden Ladenlokal in der Fußgängerzone auszutesten – ohne dafür Miete zahlen zu müssen. „Das war meine Chance, von dort wegzukommen.“
Um auf sich aufmerksam zu machen, veranstaltet Julian Schick zur Neueröffnung einen Gin-Abend – mit Musik, leckeren Drinks und rund 150 Gästen. „Heutzutage muss man seinen Kunden etwas bieten und nicht nur darauf warten, dass sie zur Tür hereinkommen“, ist der Inhaber überzeugt. Doch auch der neue Standort spielt ihm in die Karten: Nach der dreimonatigen Testphase bekommt Julian Schick einen langfristigen Mietvertrag. Das neue Lokal sei zwar nur 500 Meter von dem alten Geschäft entfernt. „Aber die Kundschaft ist eine ganz andere“, sagt er. Ein Unverpackt-Laden, Cafés, eine Gürtelmanufaktur, inhabergeführte Modegeschäft seien dort seine Nachbarn. „Man unterstützt sich gegenseitig“, ist Schick begeistert. Und mit der angesagt Espressobar gegenüber habe er sein Klientel „direkt vor der Tür sitzen“.
Städte testen Konzepte gegen Leerstände in der Innenstadt
Die Stadt Bottrop möchte mit einem ähnlichen Konzept ihre Innenstadt aufwerten. Sieben leerstehende Ladenlokale werden zu einem verminderten Mietpreis an junge Gründer, Start-Up-Unternehmer und Menschen mit einer guten Geschäftsidee vermietet. 480.000 Euro hat die Stadt dafür im Rahmen eines Sofortprogramms erhalten. So soll es in der City bald einen Deko-Store mit angegliedertem Café geben – die Stühle, auf denen die Gäste sitzen, soll man kaufen können –, einen Gastronom, der spanische Spezialitäten anbietet, einen Blumenhändler, der die Außenfassade begrünt und einen veganen Lebensmittelhändler.
In den „Läden der Zukunft“ sollen Schülerinnen und Schüler der Bottroper Gymnasien sowie Studierende künftig ihre eigens entwickelten Geschäftsideen unter reellen Bedingungen austesten können. „Es geht darum, den Gründergeist der Jugendlichen zu wecken“, sagt Dorothee Lauter vom Amt für Wirtschaftsförderung. Junge Leute „einfach mal machen lassen“ statt sie nur nach ihren Wünschen zu fragen.
In den Schulen hätten sich bereits AGs gebildet, nach den Sommerferien soll es losgehen. Und es gibt schon konkrete Ideen: Einige Schulfreundinnen wollen gebrauchte Kleider sammeln und einen Second-Hand-Laden mit Vintage Mode eröffnen. „Sie entscheiden selbst, welche Klamotten später in dem Laden hängen“, sagt Sabine Wißmann, Leiterin der städtischen Wirtschaftsförderung. Die Einnahmen sollen sozialen Zwecken dienen. Kleidung, die nicht verkauft wird, soll gespendet werden.
Ladenlokale „multifunktional nutzbar“ gestalten
„Das Programm bietet die einmalige Chance, Ideen einfach mal auszuprobieren“, freut sich Wißmann über frischen Wind in ihrer Innenstadt. In zwei Jahren werde neu verhandelt, die Jungunternehmer könnten entweder in den Geschäften bleiben oder die Ladenfläche werde neu vermietet. „Pop-Up-Stores“, ergänzt Dorothee Lauter, seien zudem eine gute Möglichkeit, die Fußgängerzone für Kunden attraktiv zu halten. Es sei denkbar, Ladenlokale künftig so zu bauen, dass sie „multifunktional nutzbar“ sind, dort also sowohl Möbel verkauft als auch Tapas serviert werden können.
Dass sich etwas ändern muss, der Meinung ist auch Einzelhändler Julian Schick aus Mülheim. „Der verstaubte Handel muss endlich wach werden“, sagt er. Man müsse aktiv auf seine Kunden zugehen, ehrlich beraten, freundlich sein. „Ich möchte, dass die Menschen glücklich rausgehen und wiederkommen“, sagt Schick. „Davon lebe ich schließlich.“
Nächster Gin-Abend am 24. Juli
■ Am Samstag, 24. Juli, findet in und vor dem Concept Store „Good Life“, Kohlenkamp 34 in Mülheim, die nächste Gin-Verköstigung statt.
■ Die DJ-Gruppe „Supakool“ sorgt für Musik, zwei Bartender mixen die Drinks – mit Sorbet von der Eisbar „Sorelli’s“. Beginn ist um 16 Uhr.