Mülheim. Ein Mülheimer CDU-Politiker fühlt sich durch Gender-Sternchen „als Mann diskriminiert“. Im Kampf gegen neue Sprachregeln muss er Federn lassen.

Anfang 2021 hat die Stadt Mülheim neue Leitlinien für eine gendergerechte Sprache ausgegeben, und seitdem rennt der CDU-Ratsherr Eckart Capitain dagegen an. Sein Vorstoß wurde jetzt im Sozialausschuss durch die Verwaltung abgeschmettert.

Mülheimer CDU-Politiker fühlt sich durch Gender-Sternchen „als Mann diskriminiert“

Ein Dorn im Auge ist Capitain das Gender-Sternchen, das nach den Leitlinien „in möglichst vielen“ Korrespondenzen, Formularen und Berichten verwendet werden soll, wenn sich kein neutraler Begriff findet. Der Stadtverordnete fühlt sich durch Wortkonstrukte wie Bürger*in „als Mann dauerhaft diskriminiert“ und fragt provokant: „Werden aus den ,Opfern’ jetzt möglicherweise ,Täter’?“

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Er fragt dies in einem Antrag an den Rat der Stadt Mülheim, den er Ende Mai zu Papier gebracht hat. Als Privatperson reichte Capitain die Beschwerde ein. Lieber hätte er den Vorstoß als CDU-Fraktionsmitglied gestartet, sei aber daran gehindert worden, erklärte er im Frühsommer. Offenkundig wollte sich kein Parteikollege, erst recht keine Parteikollegin mit dieser Sache gemein machen. Anfangs sollte sogar der Name des Antragstellers geheim bleiben.

Capitain argumentiert: Rat hätte über die Leitlinien abstimmen müssen

Dabei bemüht sich Capitain, seinen Unmut juristisch zu untermauern. Die Gender-Sprach-Leitlinien seien rechtlich einzustufen als „allgemeiner Grundsatz, nach dem die Verwaltung geführt wird“, argumentiert er. Laut Gemeindeordnung hätte also der Stadtrat oder Hauptausschuss darüber beraten und abstimmen müssen. Außerdem verweist der CDU-Mann auf das Landesgleichstellungsgesetz, das nahelege, jeweils die weibliche plus männliche Form zu verwenden. Dass das Gender-Sternchen als zeitgemäß gilt und das Landesgesetz bald angepasst werden soll, „ist für mich kein schlüssiges Argument“, schreibt Capitain.

Bitte keine „Milchmädchenrechnung“ mehr in Mülheim

Die „Leitlinien gendergerechte Sprache“, die dem CDU-Ratsherrn so missfallen, gibt es zum Download auf der Website der Stadt Mülheim.

Die Broschüre enthält zahlreiche sprachliche Tipps, wie Menschen aller Geschlechtsidentitäten angesprochen werden können. Auch Alternativen zum Gendersternchen sind aufgeführt.

Grundsätzlich abgeraten wird von Rollenklischees und Stereotypen wie „Mutter-Kind-Parkplatz“. Auch Sprachbilder wie „Not am Mann“ oder „Milchmädchenrechnung“ sollen die Mülheimerinnen und Mülheimer danach möglichst vermeiden.

Der Einzelkämpfer hat jetzt eine Antwort bekommen, eine gemeinsame Stellungnahme von Gleichstellungsstelle und Rats- und Rechtsamt. Von Seiten der Gleichstellungsstelle wird dort ausgeführt, durch die Verwendung des Gender-Sternchens würden „keineswegs nur Frauen angesprochen, sondern Menschen jeder Geschlechtszugehörigkeit“.

OB äußert sich im Grußwort zur Broschüre nur empfehlend

Das Rats- und Rechtsamt sieht hier auch keineswegs einen allgemeinen Grundsatz der Verwaltungsführung berührt - ein Ratsbeschluss zu den Gender-Sprach-Richtlinien sei nicht nötig, auch keine Debatte im Hauptausschuss. Verwiesen wird auf das Grußwort des Oberbürgermeisters, mit dem die Broschüre beginnt. Dort äußert sich Marc Buchholz vorsichtig empfehlend, Zitat: „Zudem würde ich mich freuen, wenn Sie Formulare und Broschüren in Ihrem Arbeitsumfeld auf den Prüfstand stellen und möglicherweise neu gestalten.“

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Die Stellungnahme wurde im Sozialausschuss von der stellvertretenden Gleichstellungsbeauftragten Cäcilia Tiemann verlesen. Das Plenum nahm sie ohne Diskussion, ohne Reaktion zur Kenntnis.

„Ich finde die Stellungnahme widersprüchlich und fehlerhaft“

Eckart Capitain war bei der Sitzung nicht zugegen, um die Entgegnung auf seinen Vorstoß live anzuhören. Die Stellungnahme wurde ihm schriftlich übermittelt, überzeugt ihn aber keineswegs: „Ich finde sie teilweise widersprüchlich und fehlerhaft“, sagt der CDU-Politiker.

So habe die Verwaltung seinen Verweis auf das Landesgleichstellungsgesetz (LGG) unter den Tisch fallen lassen. Dort heißt es in § 4: „In Vordrucken sind geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen zu verwenden. Sofern diese nicht gefunden werden können, sind die weibliche und die männliche Sprachform zu verwenden.“

Warum dieser Paragraph nicht in Mülheim angewendet wird?, fragt Capitain, der Begriffe mit Gendersternchen weiterhin als nicht geschlechtsneutral empfindet. Er werde nachhaken, müsse aber zuvor mit einigen Leuten reden. Bislang hat sich niemand öffentlich an seine Seite gestellt. Eckart Capitain sagt: „Die Sache ist für mich nicht erledigt, aber es ist auch nichts Eiliges und Dringendes.“