Mülheim. Das Mülheimer Wabensystem ist ein Kostentreiber, an dem die Stadt verdient. Ein Kilometerticket wäre gerechter, kommt aber nicht vor Jahresende.
Das lang ersehnte Kilometerticket für den öffentlichen Nahverkehr in Mülheim wird offenbar noch auf sich warten lassen. Wie der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) der Redaktion mitteilte, ist die Einführung einer kilometerbezogenen Abrechnung erst Ende 2021 in allen Bussen, Stadtbahnen und Eisenbahnen des Nahverkehrs in NRW zu erwarten. Immer wieder hat das komplizierte Wabensystem bei Mülheimern für Ärger gesorgt, die Stadt aber sperrte sich gegen eine Reform, um tiefer aus dem Einnahme-Säckel des VRR schöpfen zu können.
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Immer wieder gibt es Unmut über das viel zu komplizierte Wabensystem in Mülheim und Nachbarstädten
Erst im vergangenen April traf es den Mülheimer Christoph Vielmetter: Er hatte bei seiner Fahrt von der Oberhausener Marktstraße bis Mülheim Stadtmitte beim Online-Ticketkauf ein Auswahlfeld „Zwei-Waben“ übersehen. Denn während Oberhausen in der Wabe 24 liegt, gilt für Mülheim das Tarifgebiet 34.
Preislich macht es keinen Unterschied zu seinem gelösten Fahrschein – in beiden Fällen gilt die Preisstufe A. Dennoch stempelten ihn die Ruhrbahn-Kontrolleure als „Schwarzfahrer“ ab, weil deren Kontrollgerät „keine Fahrberechtigung“ anzeigte.
Längere Strecke aber geringere Kosten: die Widersprüche im Mülheimer Wabensystem
Derweil mahlen die Mühlen für eine überfällige Wabenreform sehr langsam, die in der Ruhrstadt für mehr Gerechtigkeit sorgen könnte. Denn es geht für die Stadt offenbar um nicht wenig Geld.
Wer etwa von Holthausen aus – Wabe 344 – mit der Linie 130 zum Rhein-Ruhr-Zentrum fährt, zahlt 6 Euro, weil er dabei wenigstens drei Waben (452, 350, 342) durchfahren muss. Und damit in der Preisstufe B landet, obwohl es zeitlich und von den Kilometern her die kürzeste Strecke wäre.
Wer alternativ den deutlich längeren Weg mit der Straßenbahn 112 zum Kaiserplatz und nach einem sechsminütigen Fußweg zum Hauptbahnhof anschließend mit der U18 fährt, zahlt weniger als die Hälfte: 2,80 Euro. Denn dann durchquert man nur zwei Waben und bleibt somit in der Preisstufe A2.
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Zu viele Waben in der Stadt sorgen für höhere Fahrtkosten – und Mülheim verdient daran
Seit mehr als fünf Jahren versucht Gerd Wilhelm Scholl (MBI) solchen Widersinn im Wabensystem aufzulösen. 2015 stellten die Mülheimer Bürgerinitiativen den Antrag, wenigstens die Waben in Mülheim zu reduzieren von drei auf zwei – nämlich links und rechts der Ruhr. Schon das würde besagte Fahrt etwa zum RRZ erheblich vergünstigen. Bisher vergebens, denn die Stadt blockiert: Ihr entgingen durch die niedrigere Preisstufe wichtige Einnahmen.
Das angedachte Kilometerticket „Nextticket 2.0“ könnte diese Quelle jedoch versiegen lassen: Seit Juni vergangenen Jahres wird der elektronische Fahrschein lokal begrenzt unter Federführung der Stadtwerke Neuss in Kooperation mit der Rheinbahn Düsseldorf erprobt. Dabei wird der Ticketpreis auf Basis der Luftlinie zwischen der Start- und Zielhaltestelle bestimmt.
Aktuell kann das Nextticket nur mit einem Smartphone genutzt werden. Der Kunde klickt jeweils, wann er ein- und aussteigt. Und zahlt auch bargeldlos. Für MBI-Verkehrsexperten Scholl wäre das ein Beitrag zur Vereinfachung und für mehr Kostengerechtigkeit. Das Studium des Wabenwirrwarrs kann also bald schon Geschichte sein – und damit auch die Einnahmen der Städte, die daran verdient haben.