Mülheim. Das Müllerhaus am Mülheimer AZ musste gesperrt werden, die Decke ist einsturzgefährdet. Geld fehlt, um das denkmalgeschützte Gebäude zu sanieren.

Vertreter des Autonomen Jugendkulturzentrums (AZ) haben im Jugendhilfeausschuss ihre Arbeit vorgestellt. Sie waren zu dritt erschienen und harrten zweieinhalb Stunden geduldig aus, während die ellenlange Tagesordnung abgearbeitet wurde. Als die AZ-Leute endlich an der Reihe waren, nahm ihr Vortrag eine unvermutete Wendung: Plötzlich standen gravierende Baumängel des Vorderhauses im Fokus.

Müllerhaus am Mülheimer AZ musste gesperrt werden

Einer der AZ-Mitarbeiter berichtete, im sogenannten Müllerhaus, das an der Einfahrt zum Zentrum steht, gebe es Probleme. Dort seien Brandschutzmängel aufgefallen - so gravierende, dass dieser Gebäudeteil gesperrt wurde. Bisher wurde der Bereich vor allem von Bands genutzt, die dort proben oder übernachten konnten. Auch das Projektarchiv des AZ befand sich dort.

Die Sperrung besteht schon seit rund einem Jahr, ist aber bislang kaum bekannt geworden. So reagierten die politischen Vertreter im Jugendhilfeausschuss ausnahmslos überrascht.

Brandschutzmängel: Rettungsweg führte über eine Holztreppe

Wie schlimm ist es wirklich? Die Stadt Mülheim stellt auf Anfrage zunächst klar: Das AZ selber ist nicht betroffen und weiterhin geöffnet. Im Müllerhaus habe es am 25. Juni 2020 eine Brandschau gegeben, die etliche Mängel zutage brachte. Unter anderem führte der erste Rettungsweg über eine Holztreppe, einen zweiten gab es nicht. Die Feuerwehr sperrte umgehend das Dach-, Ober- und Kellergeschoss des Müllerhauses. Der Umsonst-Laden im Erdgeschoss konnte mit kleineren Auflagen weiter genutzt werden.

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„Nach weiteren Untersuchungen musste Anfang Dezember 2020 das gesamte Gebäude durch den Immobilienservice gesperrt werden“, teilt die Stadt Mülheim weiter mit. „Grund waren ein Pilzbefall der Deckenbalken und der Fußbodenschalung“, die Decke sei sogar einsturzgefährdet.

Das Müllerhaus wird längerfristig geschlossen bleiben. Wegen fehlender Finanzierung könnten keine Maßnahmen geplant werden, so die Stadt. „Erschwerend kommt hinzu, dass das Gebäude unter Denkmalschutz steht, was die Kosten für die erforderlichen Sanierungen erheblich erhöht.“

Alte Reithalle an der Auerstraße wurde ab 1997 mit Landesmitteln saniert

Seit mehr als zwei Jahrzehnten befindet sich das AZ in der Alten Reithalle an der Auerstraße. Sie wurde von 1997 bis 2001 eigens dafür umgebaut und saniert, mit Städtebauförderungsmitteln des Landes NRW im Rahmen der IBA Emscherpark. Wie aus dem aktuellen Tätigkeitsbericht des AZ hervorgeht, standen auf diese Weise 2,25 Millionen D-Mark zur Verfügung, um das teilweise stark baufällige Gebäude herzurichten.

Im Jahr 1999 wurde mit der Stadt ein Mietvertrag geschlossen, der bis heute besteht. Zugleich wurde eine Qualitätsvereinbarung getroffen, auf der die öffentliche Förderung des AZ beruht. Wichtig war dabei, dass sich das AZ „in Programm, Inhalt und Verfahren deutlich von den soziokulturellen Zentren und Jugendkulturzentren unterscheidet“.

AZ war nach gewaltsamem Polizeieinsatz politisch attackiert worden

Der Vortrag der AZ-Vertreter im Ausschuss hatte ursprünglich einen anderen Hintergrund. Nach offizieller Lesart sollen die Berichte der Mülheimer Jugendzentren künftig für die Politik transparenter gemacht werden. Dass in dieser Reihe des Autonome Zentrum den Auftakt macht, ist aber kein Zufall. Nach dem gewaltsam ausgearteten Polizeieinsatz im Juni 2019 hatten speziell rechtskonservative Ratsmitglieder das Zentrum unter Beschuss genommen und die Streichung öffentlicher Zuschüsse gefordert. Auch die Mülheimer CDU hatte nachgebohrt. Das Strafverfahren gegen zwei AZ-Mitarbeitende läuft noch und wird Ende Juli vor dem Duisburger Landgericht fortgeführt.

Corona-Jahr 2020 „in keiner Weise repräsentativ für Jugendarbeit, wie wir sie uns vorstellen“

Im Jahresbericht 2019, mit dem die AZ-Mitarbeiter jetzt vor das Forum traten, legen sie detailliert Rechenschaft ab. Der neueste Bericht aus 2020 hätte sich nicht geeignet, erklärten die AZ-Leute auf Anfrage. „Das letzte Jahr war in keiner Weise repräsentativ für Jugendarbeit, wie wir sie uns vorstellen.“

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Das Zentrum erhält jährlich rund 140.000 Euro Betriebskostenzuschuss aus städtischen Mitteln. 2019 betrug die kommunale Förderung exakt 141.826 Euro, inklusive 1800 Euro aus dem Etat des Stadtjugendrings, dem die Einrichtung angehört. Eigenmittel in Höhe von rund 150.000 Euro müssen aufgebracht werden. Auch die laufenden Verbrauchskosten in Höhe von jährlich etwa 20.000 Euro zahlt der Trägerverein.

Durch die Coronazeit und den Lockdown haben das AZ nach eigener Auskunft Kurzarbeit und „Dezemberhilfen“ getragen. Ein Mitarbeiter sagt: „So konnten wir das Jahr 2020 halbwegs unbeschadet abschließen.“