Mülheim. Der Polizeieinsatz mit Verletzten am 8. Juni am Autonomen Zentrum in Mülheim beschäftigte nun die Politik. Eine Fraktion fordert Konsequenzen.
Der Polizeieinsatz mit drei Verletzten am 8. Juni am Autonomen Zentrum (AZ) beschäftigt nicht nur weiterhin die Staatsanwaltschaft. Jetzt debattierte auch Mülheims Politik über den Vorfall. Dabei kündigte die Fraktion des Bürgerlichen Aufbruchs an, dem AZ die städtischen Zuschüsse streichen zu wollen.
Im Sicherheitsausschuss hatte die CDU den Polizeieinsatz auf die Agenda setzen lassen. Sie forderte einen Bericht der Polizei und „eine abschließende Bewertung des Vorfalls“ ein, auch weil „das linke Jugendkulturprojekt AZ mit über 140.000 Euro jährlich aus dem städtischen Haushalt gefördert beziehungsweise subventioniert wird“.
Im Ausschuss stellte nur die Polizei ihre Sicht auf den Vorfall dar
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Erschrocken gezeigt hatte sich die CDU im Vorfeld der Sitzung auch über Äußerungen der Geschäftsführung des Vereins „Kultur im Ringlokschuppen“, bei denen von Polizeigewalt die Rede gewesen sei, „aber mit keinem Wort Bedauern gegenüber den eingesetzten und verletzten Polizeibeamten geäußert worden“ sei.
In der Sitzung des Sicherheitsausschusses oblag es der Leiterin der Mülheimer Polizeiinspektion, Claudia Schepanski, noch einmal die Sicht der Polizei darzustellen. Ein Vertreter des AZ war nicht zugegen. Britta Stalleicken (Grüne) berichtete, man habe beim AZ angefragt, „sie haben ihr Rederecht aber nicht wahrgenommen“.
AZ-Team sprach von „Polizeigewalt“, die Polizei von „absoluter Respektlosigkeit“
Bekanntlich liegen Welten zwischen den Darstellungen von AZ-Mitarbeitern und Polizei, was an jenem frühen Morgen des 8. Juni im Zentrum an der Auerstraße vorgefallen ist. Das AZ-Team sprach im Juni von einem „brutalen Polizeiübergriff“, bei dem es auch zu „rechten Äußerungen“ und „sexistischem Verhalten“ seitens der Polizisten gekommen sei.
Inspektionsleiterin Schepanski zeichnete ein anderes Bild. Nachdem ein Gast des AZ die Polizei gerufen habe, weil er laut eigener Darstellung von AZ-Mitarbeitern mittels Schlägen und Einsatz von Pfefferspray herauskomplimentiert worden sei, sei es bei einer Überprüfung von Personalien zu „absoluter Respektlosigkeit“ gegenüber Beamten gekommen, zu Drohungen und zur Weigerung bei der Personalienfeststellung.
Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein
Die Schilderungen widersprechen sich, das Ergebnis ist bekannt: Ein 39-jähriger AZ-Mitarbeiter musste wegen seiner Verletzungen im Krankenhaus behandelt werden, eine weitere Frau aus dem AZ-Team und ein Polizist erlitten leichte Verletzungen. Die Polizei reagierte mit Anzeigen gegen Beteiligte, wegen Körperverletzung und Verleumdung. Die Staatsanwaltschaft Duisburg übernahm.
Schepanski beschrieb im Ausschuss ein angespanntes Verhältnis zum AZ. Es herrsche dort „eine feindliche Einstellung gegenüber staatlichen Instanzen“ vor. Schon ein Schild am Eingang mache dies deutlich, wenn dort stehe, dass Soldaten und Polizisten auch in ihrer Freizeit nicht im AZ willkommen seien.
Polizei: Lange war Ruhe mit Einsätzen am AZ
Schepanski stellte aber auch fest: Vor dem Einsatz Anfang Juni „war lange Ruhe mit Einsätzen am AZ“. Lediglich gebe es immer mal wieder Beschwerden über lärmende AZ-Besucher auf deren Heimweg, dies liege aber natürlich außerhalb des Verantwortungsbereichs des Betreiber-Teams.
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Markus Püll (CDU) äußerte seine Missbilligung nach Schepanskis Darstellung, selbst eine Krankenschwester sei bei der Behandlung des verletzten AZ-Mitarbeiters unter anderem als „Teil des Systems“ beschimpft worden. Das geschilderte Verhalten sei „aufs Schärfste“ zurückzuweisen. Es gelte zu deeskalieren und im Gespräch mit dem AZ darauf hinzuwirken, „keine rote Linie zu überschreiten“.
SPD fordert Gespräche am Runden Tisch
Dieter Spliethoff (SPD) wunderte sich, warum er zu dem Vorfall, wie sonst üblich, keine Einladung zu einem lösungsorientierten Gespräch am Runden Tisch erhalten habe. Er will das Thema nun auch in den Jugendhilfeausschuss tragen.
So entstand das AZ an der Auerstraße
2017 feierte das AZ seinen 20. Geburtstag. Es öffnete 1997 als Mülheims erstes selbstverwaltetes Jugendzentrum. Bereits 1988 hatten Jugendliche eine Initiative dafür gegründet.
Ein halbes Jahr besetzte die Initiative im März 1996 die Lederfabrik Rühl in Saarn, bevor die Polizei das Gebäude räumte. Parallel verhandelte die Gruppe da aber schon mit Verwaltung und Politik über eine legale Lösung.
Schließlich stellte ihr die Stadt die ehemalige Reithalle an der Auerstraße zur Verfügung, die bis dato als Altmöbellager genutzt worden war. Das Land gab 2,5 Millionen D-Mark für den Umbau und als Starthilfe. Noch mal 250.000 Euro legte die Stadt drauf.
Zuletzt hieß es, dass sich das AZ zu 60 Prozent selbst finanziere, zusätzlich fließen 140.000 Euro von der Stadt.
Sein Fraktionskollege André Kasberger merkte an, dass im Ausschuss lediglich eine der beiden Streitparteien ihre Sichtweise dargestellt habe. Auch er riet dazu, noch mal am Runden Tisch zusammenzukommen. Denn: „Ich höre mir gerne beide Seiten an.“
BAMH-Fraktionschef: Keine Staatsknete für Staatsgegner
Ohne die Wertung der ermittelnden Staatsanwaltschaft abzuwarten, fällte BAMH-Fraktionschef Jochen Hartmann bereits sein Urteil, dass er dieser Tage auch via Facebook verbreitete. Für ihn steht nach der Schilderung der Polizei fest, dass Mitarbeiter des AZ „Polizisten bei ihrem rechtmäßigen Einsatz behindert, angepöbelt und bespuckt“ hätten. Den „Staatsgegnern“ im AZ sei die „Staatsknete“ zu entziehen, kündigte er einen entsprechenden Antrag für die Haushaltsberatungen an.